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Pazifisten im Knast

| Oliver Prang

Cornelia Naumann, Günther Gerstenberg (Hg.): Steckbriefe gegen Eisner, Kurt u. Genossen wegen Landesverrats - Ein Lesebuch über Münchner Revolutionärinnen und Revolutionäre im Januar 1918, Verlag Edition AV, Lich 2017, 303 S., 24,90 Euro, ISBN 978-3-86841-173-7

Die HerausgeberInnen Cornelia Naumann und Günther Gerstenberg beleuchten in ihrem Buch „Steckbriefe“ den Beginn der Novemberrevolution in Bayern, der bereits im Januar 1918 anzusiedeln ist, und wie die Streikorganisatoren im Gefängnis landeten.

Naumann und Gerstenberg machten es sich zur Aufgabe, die Hintergründe der Januarstreiks in München 1918 zu recherchieren. Fündig geworden sind sie im Bundesarchiv. Die Januarstreiks 1918, mitten im Ersten Weltkrieg, fanden deutschlandweit statt. Kurz zuvor war mit den neuen russischen Machthabern der Friedensvertrag von Brest-Litowsk ausgehandelt worden. Da es im Osten nun keine Front mehr gab, wollte die Oberste Heeresleitung, die faktisch die Amtsgeschäfte von Kaiser Wilhelm II. übernommen hatte, durch die freigewordenen Streitkräfte eine geballte Frühjahrsoffensive im Westen wagen. Doch nach beinahe vier Jahren war die anfängliche Kriegsbegeisterung der Deutschen spürbar abgeebbt. Man wollte die ständigen Nachrichten von getöteten Verwandten und Freunden, die Rationierungen, die Gängelungen nicht weiter ertragen. Vor allem ArbeiterInnen streikten deshalb für ein sofortiges Ende des Krieges, eine Demokratisierung des Reiches sowie bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Federführend bei diesen Streiks war die USPD, die sich aus Protest gegenüber der sog. Burgfriedenspolitik aus ehemaligen Mitgliedern der SPD zusammengeschlossen hatte.

An den Streiks in München beteiligten sich vor allem ArbeiterInnen der Rüstungsindustrie, ca. 8.000 waren es auf dem Höhepunkt der Streikwelle am 31. Januar. Dass nicht noch weitere in den Ausstand traten, lag an der Bespitzelung und anschließenden Verhaftung der führenden Köpfe um Kurt Eisner (dem späteren Ministerpräsidenten). Schlagartig verloren die Streikenden ihren Mut und machten sich wieder an die Arbeit. Doch es sollte nicht mehr lange dauern, bis die Bayern ihren „Kini“ davonjagten. Naumann und Gerstenberg kümmern sich in ihrem Buch um die bekannten Persönlichkeiten dieser bayerischen Januarstreiks. Das größte Kapitel widmen sie dabei Kurt Eisner, doch auch andere PazifistInnen werden behandelt. So etwa Ernst Toller, Carl Kröpelin, Sarah Sonja Lerch und Hans Unterleitner. Die einzelnen Kapitel unterteilen sich in eine Kurzbiografie, Aussagen von Spitzeln, Haftbefehle und Verhöre. Eine Chronik der Ereignisse und Flugblätter, die zum Streiken animieren sollten, runden das Buch ab.

„Steckbriefe“ ist kein leicht zu lesendes Buch. Doch wer sich für das Thema interessiert oder womöglich dazu forscht, dem wird es gute Dienste erweisen. Und die meist drögen, im Beamtendeutsch verfassten Augenzeugenberichte schaffen es öfter als erwartet wegen ihrer Banalität und des immensen Denunziantentums in Staunen zu versetzen.