Shakil Choudhury: Deep Diversity. Die Grenze zwischen ›uns‹ und den ›Anderen‹ überwinden, Unrast, Münster 2017, 232 Seiten, 16,80 Euro, ISBN 978-3-89771-243-0
Wenn uns Videos von Wasser trinkenden Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft gezeigt werden, reagiert unser Gehirn positiv auf die Menschen, die uns am ähnlichsten sind. Wenn uns Videos rassistischer Situationen gezeigt werden, sind wir uns sicher, wir selbst hätten in dieser Situation eingegriffen, obwohl Studien das Gegenteil belegen.
Weiße SchauspielerInnen in Fernsehserien begegnen SchauspielerInnen of color vor der Kamera nachweisbar anders als anderen weißen SchauspielerInnen, obwohl dies nicht im Drehbuch vorgesehen und auf den ersten Blick unsichtbar ist.
Shakil Choudhury beschäftigt sich in seinem Buch „Deep diversity“ mit Rassismus und weiteren Diskriminierungen. Er beginnt mit Betrachtungen der Hirnforschung.
Ein zentraler Punkt ist dabei die neuronale Plastizität, also die Überzeugung, dass Vorurteile abgebaut werden können, wenn wir es schaffen Denkgewohnheiten zu ändern. Seine These ist, dass es durch gezielte Übung möglich ist, die neuronalen Verknüpfungen im Gehirn zugunsten von weniger Vorurteilen zu verändern.
Anschließend beleuchtet er dann Emotionen, berichtet davon, wie ansteckend positive wie auch negative Emotionen sein können und wie hilfreich es sein kann zu verstehen, z.B. aus Körpersprache Emotionen lesen zu lernen. Im Kapitel über Vorurteile geht es um uns selbst nicht bewusste Vorurteile, die Frage nach Rolle der Sozialisation und ihren Einfluss auf unsere Weltanschauung. Daran schließt sich das Kapitel zur Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen und wie das unser Verhalten beeinflusst an.
Verständlich und anhand vieler angenehm knapp zusammengefasster Studien stellt der Autor dar, wie sehr sich Emotionen, Vorurteile und Zugehörigkeit zu einer bestimmten in-group gegenseitig bestärken können und wie unsichtbar sie oft für die Profitierenden sind.
Erfreulicherweise endet das Buch nicht an dieser Stelle, sondern stellt als weitere wichtige Komponente Machtungleichgewichte dar. Im Folgenden beleuchtet der Text dann strukturelle, individuelle wie institutionelle Diskriminierung.
Das letzte Kapitel widmet sich schließlich der Frage nach Annäherung und Versöhnung.
Für Menschen, die sich ehrlich mit sich selbst auseinandersetzen wollen, halte ich das Buch für sehr hilfreich. Unbeantwortet lässt es jedoch die (sicherlich auch nicht einfache) Frage nach dem Umgang mit den Menschen, die an einer Annäherung gar kein Interesse haben.
An einigen Stellen haben mich die vielen Wiederholungen im Buch etwas gestört, so wertvoll sie auch sein mögen, um das Gelesene im Kopf zu verankern.
Als positiv habe ich die expliziten Positivbezüge auf indigene Widerständigkeit empfunden.
Denn trotz aller Anleitung zur Versöhnung stärkt das Konzept der „deep diversity“ damit auch explizit rebellischen Menschen aus weniger privilegierten Gruppen den Rücken.
Hanna Poddig