Dina Nayeri: Drei sind ein Dorf, Mare, Hamburg 2018, 368 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-86648-286-9
Man wünschte, es gäbe mehr Bücher wie dieses. Und man wünschte, dass die Menschen voller Hass und Hochmut gegenüber Flüchtenden doch einmal so ein Buch lesen würden.
Utopisch, natürlich. Aber Wünsche sind ja unzerstörbar, auch wenn sie unerfüllbar sind.
Das weiß auch Nilou, die Protagonistin in „Drei sind ein Dorf“, nur allzu gut. Nilou musste, ebenso wie die Autorin Dina Nayeri selbst, als Kind aus dem Iran in die USA fliehen. Doch in Gedanken wünscht sie sich das unbeschwerte Leben in Isfahan zurück, wo „Baba“ immer eine Handvoll getrocknete Sauerkirschen oder eine Geschichte für die kleine Tochter bereithielt, wenn er aus seiner Zahnarztpraxis nach Hause kam. Ebenso lieb sind ihr die Erinnerungen an die Wochenendausflüge nach Ardestun, ins Dorf der Großmutter, die alljährlich eine neue Spezialmischung aus regionalen Gewürzen und Kräutern zaubert, die bis heute den Geschmack der Heimat in ihr Essen zaubert.
Doch es gibt weder für Nilou noch für sonst wen einen Weg zurück ins heile Familienleben.
Der Vater hatte das Versprechen, „irgendwann“ Frau und Kindern zu folgen, nicht gehalten. Vielmehr ging der opiumsüchtige Hedonist und Lyrikfreund noch zwei unglückliche Ehen ein und hat seither seine ihm fremd gewordenen Kinder nur auf wenigen kurzen Reisen im Ausland getroffen. Sie haben zwar gute Jobs und einen sicheren Aufenthaltsstatus im Westen, doch tief im Innern ist vor allem Nilou zerrissen und heimatlos.
Diese Erfahrung bleibt auch ihrem Vater nicht erspart, denn als ihn das Regime unter Hausarrest stellt, ist auch seine Zeit gekommen, um das Land für immer zu verlassen. Und so macht er sich auf nach Amsterdam, wo Nilou in den Scherben ihrer Ehe sitzt.
Auch wenn der Roman vor dem Hintergrund des zunehmenden Rassismus und des erstarkten Populismus in den Niederlanden spielt und die Situation der iranischen Flüchtlinge dort eindringlich schildert, zielt er in erster Linie nicht darauf ab, die Missstände der europäischen Asylpolitik zu dokumentieren.
Vielmehr widmet sich die poetisch erzählte Familiengeschichte den vielen unterschiedlichen Aspekten von Flucht und Exil, von Heimat und Fremdsein, wie sie nur ein sensibler Umgang mit den eigenen Erfahrungen und Emotionen offenlegen kann. – So etwa die herzzerreißende Sequenz, wo Nilou ihre „Parzelle“ – eine Ecke in der Wohnung mit den wichtigsten Habseligkeiten – vor ihrem Ehemann Gui vehement verteidigt und ihn damit zutiefst verstört und verletzt.
Ebenso wie Nayeris erster auf Deutsch erschienener Roman „Ein Teelöffel Land und Meer“ ist diese autobiografisch gefärbte Geschichte eine ebenso intelligente wie mitreißende Lektüre, die auf weitere Romane der Autorin hoffen lässt.
Mona Grosche