Unter dem Titel „Krieg? Ohne Uns!“ wird Connection e.V. in den nächsten Monaten eine Reihe von Szenischen Lesungen zu Desertion und Militärstreik im Ersten Weltkrieg durchführen. Rudi Friedrich von Connection e.V. und der Gitarrist Talib Richard Vogl wollen damit denjenigen Raum geben, die sich mit ihrer Desertion oder auf andere Art und Weise gegen den Ersten Weltkrieg wandten.
Am Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 beteiligten sich 40 Staaten, 70 Millionen Soldaten standen unter Waffen. Insbesondere in Westeuropa, auf dem Gebiet Frankreichs und Belgiens, entwickelte sich eine Material- und Menschenschlacht zwischen den Kriegsparteien. Für die Soldaten wurden die über Jahre hinweg industrialisiert geführten Gefechte in den Schützengräben zur alltäglichen Realität. Fast zehn Millionen Soldaten starben, die Anzahl der zivilen Opfer wird auf weitere sieben Millionen geschätzt.
In Deutschland war 1914 die Kriegsdienstverweigerung so gut wie unbekannt. Trotz einer anfänglichen Kriegsbegeisterung entzogen sich aber zunehmend Rekruten und Soldaten der Beteiligung am Ersten Weltkrieg. In den Marinehäfen traten 1918 Soldaten in den Streik. Zwischen 750.000 und 1 Mio. entzogen sich auf unterschiedlichste Art dem Dienst oder verschwanden in der Etappe. Insbesondere im zaristischen Russland und in Deutschland desertierten 1917 und 1918 sehr viele Soldaten. Sie wendeten sich damit gegen die Weiterführung eines Krieges. Es handelte sich um einen verdeckten Militärstreik.
Daran anknüpfend gab es in der Weimarer Republik intensive Diskussionen über Strategien der Kriegsdienstverweigerung und andere Möglichkeiten des Widerstandes gegen den Krieg. Die War Resisters‘ International wurde 1921 aufgrund der Erfahrungen von Kriegsdienstverweigerern nach dem Ersten Weltkrieg gegründet. In einigen nachfolgenden und auch in aktuellen Kriegen hatte und hat die Verweigerung der Kriegsbeteiligung große Bedeutung. Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges zeigten, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure Unterstützung und Schutz vor dem Zugriff der kriegsführenden Parteien brauchen. Das gilt bis heute.
Rudi Friedrich und Talib Richard Volg haben sich für die Lesung vor allem vier Protagonisten herausgesucht. Dominik Richert, Landwirt aus dem Elsass, Frontsoldat während des gesamten Krieges, desertierte im Mai 1918 an der Westfront. Seine Kriegserinnerungen wurden unter dem Titel „Beste Gelegenheit zum Sterben“ veröffentlicht. Ernst Toller studierte in Frankreich, ging trotzdem als Freiwilliger in die Artillerie, wurde später ausgemustert, aber wegen seiner Antikriegsaktivitäten erneut einberufen. Nach Einweisung in die Psychiatrie wurde er endgültig aus dem Militär entlassen. All dies berichtet er in seinem Buch „Eine Jugend in Deutschland“. Ernst Toller war nach dem Krieg ein führender Kopf der Münchner Räterepublik. Richard Stumpf, Zinngießer aus Nürnberg, war Marinesoldat und beteiligt an den Aufständen in Wilhelmshaven im Jahr 1918. Wilhelm Lehmann, Schriftsteller, Lehrer und Naturliebhaber, war lange zurückgestellt. Er desertierte bereits beim ersten Fronteinsatz. Seine Kriegserlebnisse schilderte er in dem Roman „Der Überläufer“ unter dem alter ego Hanswilli Nuch.
Bei der Vorbereitung gab es viele weitere Ideen, wer darüber hinaus zu Wort kommen könnte oder sollte. Sicherlich spiegeln diese vier Personen, ergänzt durch verschiedenste Lieder und Gedichte, nur einen Teil wider. Auf der anderen Seite geben sie mit ihren sehr unterschiedlichen Erlebnissen einen guten Eindruck davon, aus welchen Gründen und mit welchen Motiven sie sich der militaristischen Logik entgegenstellen.
Rudi Friedrich (Trompete, Lautpoesie, Gesang, Lesung) beschäftigt sich im Rahmen seiner Arbeit bei Connection e.V. seit Jahrzehnten mit Kriegsdienstverweigerung und Desertion weltweit. Er ist international für sein Wissen und seine Erfahrung geschätzt. Immer wieder führte er auch mit Lesungen und anderen künstlerischen Formen in die Thematik ein.
Talib Richard Vogl (Gitarre, Lautpoesie, Gesang, Lesung) studierte Gitarre an der Hochschule für Musik in Frankfurt am Main und belegte zahlreiche Meisterkurse und eine Ausbildung zur Sprecherziehung und Stimmbildung. Neben konzertanter Kammermusik bis hin zum Flamenco gilt sein Interesse insbesondere interdisziplinären Projekten wie szenischen und konzeptionellen Lesungen.
Was die beiden bieten, ist eine tiefsinnig und kurzweilig gestaltete Szenische Lesung und damit ein aufschlussreicher Einblick in die damalige Zeit.
Folgende Veranstaltungen stehen bislang fest: 23.10., 20.15 Uhr in Karlsruhe: Die Spiegelfechter - Kabarett in der Orgelfabrik, Amthausstr. 17-19; 2.11., 20 Uhr in Augsburg: Kulturcafé NERUDA, Alte Gasse 7; 6.11., 18.30 Uhr in Oldenburg: Garnisonkirche, Peterstr. 41; 16.11., 19.30 Uhr in Krefeld: Mennonitenkirche, Königstr. 132; 22.11., 20 Uhr in Offenbach: Theateratelier, Bleichstr. 14H; 24.11., 19 Uhr in Berlin: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4; 27.11., 18 Uhr in Weingarten: Kulturzentrum Linse, Liebfrauenstr. 58