„Liebe & Revolution. Hedwig Lachmann und Gustav Landauer zwischen Kunst und Politik“, Literarische Gesellschaft Karlsruhe, hrsg. von Hansgeorg Schmidt-Bergmann, bearbeitet von Hansgeorg Schmidt-Bergmann und Sarah von Keudell unter Mitarbeit von Larissa Dehm, Karlsruhe, Juli 2018, 108 S., 27 Abb., 12 Euro, ISBN 978-3-96308-019-7
Im Rahmen der Europäischen Kulturtage zeigte das Museum für Literatur am Oberrhein in Karlsruhe vom 28. April bis zum 2. September 2018 eine kleine, feine Ausstellung zu dem oben genannten Thema. Unter demselben Titel erschien im Juli eine Begleitpublikation.
Gustav Landauer (1870 – 1919), philosophisch-literarischer Gelehrter, Schriftsteller und Verfechter eines anarchistischen Sozialismus auf der Basis des verbindenden Geistes der Liebe, ist in Karlsruhe geboren und aufgewachsen.
Hedwig Lachmann (1865 – 1918) wurde in Stolp in Pommern geboren. Als Kind kam sie mit ihrer Familie nach Krumbach–Hürben in Bayerisch–Schwaben, das ihr zur Heimat wurde. Sie war Dichterin und Übersetzerin englischer, französischer und ungarischer Literatur und Dichtung. Ihre Übertragung der „Salome“ von Oscar Wilde übernahm Richard Strauss für seine gleichnamige Oper.
Hedwig Lachmann und Gustav Landauer begegneten sich 1899 in Berlin. Für Landauer war es Liebe auf den ersten Blick. Nach langem Werben um ihre Gunst und Liebe wurde sie ihm bis zu ihrem Tod am 21. Februar 1918 eine geistverwandte, eigenständige Gefährtin. Käthe Kollwitz notierte in ihrem Tagebuch unter dem 24. Februar zum Tod von Hedwig Lachmann: „… und Landauer kann sie gar nicht entbehren“. An eine befreundete Schriftstellerin schreibt er am 25. Juni 1918: „was ich schrieb, war alles zu Hedwig gesagt“. „Was sie vereinigte, war die Arbeit an Sprache und Tradition, an den jüdischen Wurzeln sowie ein tief empfundener Humanismus. Diesen suchten sie zu behaupten in finsteren Zeiten, daher auch ihre kompromisslose Ablehnung des Ersten Weltkriegs und das Festhalten an der Möglichkeit einer besseren, einer ‚Neuen Gemeinschaft‘.“ (Hansgeorg Schmidt-Bergmann im Vorwort)
Gezeigt wurden u.a. zwei Gemälde der Malerin Julie Wolfthorn (1864 – 1944), die sonst im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar aufbewahrt werden. Das Bild von Hedwig Lachmann wurde in der Zeit um 1895/1897 gemalt, das von Gustav Landauer entstand 1908. Die exzellente Reprodution der beiden Ölgemälde im Katalog vermitteln den Betrachtenden der Eindruck, als befänden sie sich direkt mit im Wohnzimmer. Das mit Anmerkungen und Noten versehene Arbeitsbuch der „Salome“ von Richard Strauss war zu sehen, ferner Originalbriefe, Buchausgaben, Fotos und ein Film über die Beerdigung des ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner aus dem Jahre 1919, in dem auch Landauer kurz zu sehen ist.
Der Ausstellungskatalog ist kein dickes Buch nur für die Wissenschaft, in das sich vor allem und in erster Linie die Insider vertiefen, sondern eine ansprechende Publikation, die durch ihre Knappheit überzeugt. Es bewahrheitet sich, daß weniger oft mehr ist. Somit ist er sehr geeignet und empfehlenswert für alle Interessierten, die noch nie etwas über Hedwig Lachmann und Gustav Landauer gehört haben oder nicht viel mehr als die Namen kennen. Mit dieser Veröffentlichung schließt sich eine bisher bestandene Lücke. Aber auch als mit dem Thema Vertraute nimmt man den Katalog gerne zur Hand – er lädt ein zum Verweilen, Sinnen und Träumen und sich immer wieder neu inspirieren zu lassen.
Zwischen zwei Aufsätzen stehen Briefe und Gedichte. Der philosophische Schriftsteller Hans Blüher war 1953 der Meinung, daß es in der deutschen Literatur seit den Briefen von Gustav Landauer an Hedwig Lachmann keine schöneren Liebesbriefe mehr gegeben habe. Die Briefe und Gedichte kommen besonders gut zur Geltung durch das luftige Weiß des leeren Papiers – das schafft Raum, läßt einen innehalten, entspannt und man fühlt sich nicht gehetzt.
Ganzseitige Fotos haben in dem großen Format eine intensive Wirkung, auch die Faksimiledrucke sind sehr schön, man bekommt solche Dokumente sonst nicht so einfach zu sehen. Jeweils ein biographischer Abriß in Form einer Zeittafel schließt den Textteil ab.
Thematisiert wird auch Landauers Mitwirkung an der Münchener Räterepublik, seine grausame Ermordung am 2. Mai 1919 und darüberhinaus die Zerstörung seines Grabmals durch die Faschisten bereits 1933. „Den Glauben an die Möglichkeit eines besseren Lebens haben seine Mörder nicht zerstören können, das bleibt sein Vermächtnis.“ (Hansgeorg Schmidt – Bergmann)
Eine würdige Veröffentlichung 100 Jahre nach ihrem Tod.
Annegret Walz
Anmerkung:
Der Katalog wird vor allem auch Frauen ansprechen und dürfte bald vergriffen sein.