Der neue zivil-militärische Zwangsdienst für Sechzehnjährige, offiziell "Nationaler Universaldienst" (Service national universel; SNU) genannt, ist in der Umsetzung bereits beschlossen und dient deutschen Rechten in CDU/CSU/AfD wie - angeblich - Linken (Vorreiterrolle der Jungle World - shame on you!) als Vorbild. (GWR-Red.)
Schon Emmanuel Macron hatte einen solchen Zwangsdienst in seinem Wahlkampf 2017 versprochen (siehe GWR 419, Mai 2017, S. 1), damals noch für eine Dauer zwischen drei und sechs Monaten für Achtzehnjährige.
Geworden ist nun daraus per Regierungsverkündung Ende Juni ein Gesetzespaket mit einer zweiphasigen Aufteilung, deren verpflichtende, erste Phase jedoch bereits für Sechzehnjährige eine einmonatige Kasernierung vorsieht.
Versuch der „sozialen Vermischung“ im Zwangsdienst für Sechzehnjährige
Der Monat dieses Zwangsdienstes wird wiederum aufgeteilt in eine sogenannte „brassage social“ (soziale Vermischung), das sind die ersten vierzehn Tage. Motiv – deswegen auch das Vorziehen von 18 auf 16 Jahre – ist für die französische Regierung, die Separation Jugendlicher in ihren abgeschotteten Sozialmilieus aufzulösen. Dies will sie jedoch nicht etwa mit einer Beendigung der städtebaulichen und klassenspezifischen Abschottungspolitik in Reichen-, Armen- und Migrant*innen-Vierteln, vor allem in den Vorstädten, angehen, sondern mit einem Zwangsdienst, der dieses Problem der Separation keineswegs lösen wird. Er wird nur neue Probleme schaffen, wenn schroff unterschiedliche Milieus ohne Vorbereitung und nur für kurze Zeit direkt aufeinanderprallen.
Die ersten zwei Wochen des Zwangsdienstes – ganz managerial das „erste Modul“ genannt – sollen die Jugendlichen am Ende des Schuljahres ableisten, die Kasernierung soll in den vorhandenen Internaten (die haben aber nur 150.000 Plätze), auch in Student*innenwohnheimen, Freizeitheimen oder noch dafür zu bauenden Heimen stattfinden.
Die zweiten vierzehn Tage, das „zweite Modul“, sollen direkt daran anschließend in die großen Sommerferien hineinfallen. Jetzt kommt die französische Armee ins Spiel der Regierungsvorhaben. Die Zwangsverpflichteten sollen im zweiten Modul eine ausbildende „Betreuung“ (encadrement) erhalten, und können dafür aufgeteilt werden erstens in zivile Einrichtungen (eine Art Zivildienst, der auch bisher schon auf freiwilliger Basis existiert), zweitens in Beamten- und Funktionärsschulen, und drittens in Armeeeinrichtungen, wo sie „betreut“ und auch „ausgebildet“ werden. Ob dann Sechzehnjährige bereits an Waffen kommen, lässt der Gesetzestext noch offen.
Die „fakultative“ zweite Phase bis zum 25. Lebensjahr: Filter für die Armee
An diese erste Zwangsphase für Sechzehnjährige schließt eine „fakultative“ Phase eines Dienstes von einer Dauer zwischen drei und zwölf Monaten je nach Einsatzgebiet an, die Jugendliche vor Abschluss ihres 25. Lebensjahrs abhalten können, nicht müssen. Auch hier ist die Armee wiederum eine Option von vielen. Dieser fakultative Dienst kann in den Bereichen Kultur, Umwelt, in der Personenbetreuung, in Bildungseinrichtungen oder eben in der Armee abgeleistet werden. Er ist nicht verpflichtend, bietet aber viele Anreize und Vorteile. Die Ableistung ist gleichbedeutend mit der Übernahme eines Großteils der Kosten des Führerscheins oder gilt als Teilbescheinigung für verschiedene Berufsausbildungen.
Auf die ursprünglichen Pläne Macrons hatte die Armee skeptisch bis sogar ablehnend reagiert, weil sie längst von der „Zwangs-Kriegsdienst-Armee“ zur „Berufsarmee“ umgewandelt worden war. Seit Jahren versucht sie, das vorhandene Rekrutierungsproblem durch ausgetüftelte Werbekampagnen für die Bereiche zu lösen, in denen bei ihr Personalmangel besteht. So wurde bei den französischen Fernsehübertragungen der Fußball-Weltmeisterschaft direkt vor und nach dem jeweiligen Spiel an allererster Stelle ein Werbeclip für die Luftwaffe gesendet, sicher in der Annahme, dass fußballverrückte Jungs auch gerne ihren patriarchalen Jugendtraum vom Jagdbomberpiloten erfüllen wollen. Das Gesetzespaket hat sich nun auf diese Skepsis der Armeeführung zubewegt und sozusagen Rekrutierungsfilter bei den Wahlmöglichkeiten eingebaut, die nur die wirklich Interessierten der Armee zuführt.
Manipulativer Angriff auf Minderjährige
Überhaupt ist die gesamte Versetzung des Zwangsdienstes ins Alter der Minderjährigkeit – für Sechzehnjährige – ein deutliches Zeichen dafür, dass hier der propagandistischen Manipulation Tür und Tor geöffnet werden. Man will an noch nicht ausgereifte Persönlichkeiten heran, die noch keinen ethisch-politischen Standpunkt entwickelt haben, formbar und beeinflussbar sind.
Geplant ist, mit dem Zwangsdienst jedes Jahr ca. 750.000 Jugendliche in diesem wie nie zuvor verschränkten zivil-militärischen Dienstkonglomerat zu rekrutieren. Anfangs wird die Zahl wohl noch nicht erreicht werden, der Dienst soll 2019 beginnen und progressiv verbreitert werden. Die Kosten werden auf 1,7 Milliarden innerhalb von sieben Jahren geschätzt, sind aber von der Regierung noch nicht genau beziffert worden.
Ab Oktober 2018 ist zur genaueren Umsetzung des Inhalts der jeweiligen Dienst-Wahlmöglichkeiten innerhalb des SNU noch eine umfassende konsultative Befragung Jugendlicher und innerhalb von Jugendorganisationen sowie von Eltern und Gewerkschaften vorgesehen. Kurz vor der Sommerpause hat die Regierung bereits die Verfassung geändert und in sie den Zwangsdienst SNU für eine bestimmte Altersstufe neu eingeschrieben.
Lou Marin
Quellen
Violaine Morin: "Un service national universel aux contours encore flous présenté en conseil des ministres", in: lemonde.fr, 27. Juni 2018, Website der Tageszeitung Le Monde.
Valérie Mazuir: "Service national universel : mode d'emploi", in: lesechos.fr, 20. Juli 2018, Website der Tageszeitung Les Echos.