Die graswurzelrevolution-Mitherausgeberin und Umweltaktivisten Cécile Lecomte wurde vom Lansdeskriminalamt Niedersachsen aufgrund angeblicher extremistischer Umtriebe beobachtet. Ihre Klage auf Auskunft über gegen sie gerichtete Überwachungsmaßnahmen durch die niedersächsische Polizei wird von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) unterstützt, wie die Nichtregierungsorganisation, die sich um den Erhalt und den Ausbau von Grund- und Menschenrechten einsetzt und 2015 als Zusammenschluss aus Juristen und Netzpolitikern gegründet wurde, heute mitteilte.
„Die Klage soll offenlegen, welchen Formen der Überwachung Personen ausgesetzt sind, wenn die Behörden sie willkürlich als ‚relevant‘ einstufen, ohne dass sie sich dagegen wehren können“, sagt der GFF-Vorsitzende Dr. Ulf Buermeyer.
Lecomte erfuhr 2015 vom Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) im Zuge eines anderen Klageverfahrens von ihrer Einstufung als sog. „relevante Person“. Nach einer Überprüfung stellte das LKA fest, dass wesentliche Voraussetzungen für diese Einstufung nicht mehr gegeben seien, und löschte den betreffenden Eintrag. Warum sie nach Ansicht des LKA überhaupt einmal die Voraussetzungen für diese Einstufung erfüllte, erfuhr Lecomte nicht. Die Klage soll die Polizei dazu zwingen, wenigstens die Überwachungsmaßnahmen offenzulegen, denen Lecomte im Zeitraum ihrer Einstufung ausgesetzt war.
Die Polizei stuft nach einer Definition des Bundeskriminalamts eine Person als relevant ein, wenn sie „innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer
Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnimmt“ und objektive Hinweise „die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung (…) fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt.“
Wie eine Umweltaktivistin, die vor allem durch spektakuläre Kletteraktionen bekannt wurde (Spitzname: Das Eichhörnchen), die vorgenannten Kriterien je hatte erfüllen können, ist völlig unerfindlich. Die Einstufung als „relevante Person“ bietet den Behörden allerdings Anlass für verschiedene Arten der verdeckten Überwachung, beispielsweise eine langfristige Observation, den Einsatz von Vertrauenspersonen oder die Ausschreibung zur Kontrollmeldung.
Es handelt sich um einen der wenigen Fälle, in denen die betroffene Person überhaupt von ihrer Einstufung erfährt und über möglicherweise gegen sie gerichtete Überwachungsmaßnahmen Auskunft verlangen kann. Das bietet die seltene Möglichkeit, mehr über die ansonsten verdeckt durchgeführten Maßnahmen zu erfahren.
Lecomte erklärt dazu: „Ohne Wissen über die eigene Einstufung gibt es keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren und Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Wenn zudem nicht klar ist, welche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte durch Überwachungsmaßnahmen stattfinden und ob eine Kontrolle durch Dritte erfolgte, halte ich das für nicht tragbar. Das ist im Hinblick auf die Ausweitung der Überwachungs- und Kontrollbefugnisse der Polizei durch das neue niedersächsische Polizeigesetz beängstigend. Denn es ist schon jetzt festzustellen, dass Gesetze zur angeblichen Bekämpfung von Terrorismus schamlos gegen Bürger*innen, deren politisches Engagement den Behörden missfällt, angewendet werden.“
Für die GFF reicht die Bedeutung der Klage weit über den Einzelfall hinaus. „Deutsche Behörden stufen hunderte Personen als ‚relevant‘ ein – mit gravierenden Folgen, aber bisher ohne jede wirksame Kontrolle. Es wird Zeit, in diese undurchsichtige Praxis etwas Licht zu bringen“, resümiert Dr. Buermeyer.
Weitere Informationen zu dem Fall auf der Website von Cécile Lecomte und der GFF
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