Linke Solidarität ist wichtig und legitim!

Zu den Verbotsdrohungen gegen die Rote Hilfe

| Silke

Rotehilfebeitrag
Foto: _dChris (CC BY 2.0) via flickr.com

Am 30. November 2018 meldete die reaktionäre Wochenzeitschrift „Focus“, Innenminister Horst Seehofer plane ein Verbot der Roten Hilfe. Dieser staatliche Frontalangriff auf die strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation kann nur durch eine gemeinsame Kampagne aller linken Kräfte abgewehrt werden.

Was tun wenn‘s brennt?“ Die Rechtshilfetipps der Roten Hilfe e.V. (RH) sind seit Jahrzehnten bei den unterschiedlichsten Aktionen sozialer Bewegungen zu finden, und die Teilnehmer*innen können im Fall von Repression auf Unterstützung zählen. Ob nach Protesten gegen Nazis, Blockaden gegen Castortransporte, Widerstand gegen die rassistische Abschiebemaschinerie oder nach Antikriegsdemonstrationen: bei Vorladungen, Strafbefehlen oder Prozessen steht die RH den Betroffenen juristisch und finanziell zur Seite.

Das Wissen, bei Verfolgungsmaßnahmen durch Polizei und Justiz nicht allein dazustehen, ist für die Aktivist*innen von großer Bedeutung, was auch die rasant steigenden Mitgliederzahlen zeigen. Von Anarchist*innen über Kommunist*innen bis hin zu Jusos gehören der Roten Hilfe Menschen an, die die Differenzen in ihren Meinungen und Analysen hinter dem gemeinsamen Vorgehen gegen staatliche Kriminalisierung zurückstellen. Neben dem praktischen Beistand tritt die RH durch erfolgreiche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit in Erscheinung und kritisiert uneingeschränkt den laufenden Ausbau der BRD zu einem Polizeirechtsstaat, der in den zahllosen Gesetzesverschärfungen, Grundrechtseinschränkungen und hohen Urteilen gegen politisch engagierte Menschen zum Ausdruck kommt.Dass die Solidaritätsstruktur unabhängig von Institutionen und Parteien agiert und – bis auf die anwaltliche Vertretung vor Gericht – auf die selbstorganisierte Hilfe von Aktivist*innen für Aktivist*innen setzt, die die Konfrontation mit dem Repressionsapparat aus eigener Erfahrung kennen, macht eine ihrer wichtigsten Stärken aus.

Genau diese vielfältige Arbeit ist es, die seit Jahren rechten Kreisen und den Apologet*innen der „Inneren Sicherheit“ ein Dorn im Auge ist. Seit Jahren kommt es immer wieder zu abstrusen Verleumdungen durch CDU-Hinterbänkler*innen und ähnlich reaktionäre Politiker*innen, die sich nicht entblöden, die offensichtlich unsinnigsten Behauptungen wiederzukäuen.

Zu den Klassikern gehört beispielsweise der Vorwurf, die RH würde die Rote Armee Fraktion (RAF) unterstützen – ungeachtet der Tatsache, dass die Stadtguerilla sich vor über zwanzig Jahren aufgelöst hat und der in den 1980ern zum Feindbild erklärte „Sympathisantensumpf“ auch schon ein ganzes Weilchen der Vergangenheit angehört. Die These, die RH stünde der RAF nahe, wird zwar durch die gebetsmühlenhafte Wiederholung nicht wahrer, hat sich aber als festes Element im RH-feindlichen Diskurs etabliert und wird bei jeder neuen Hetzkampagne erneut aus der Mottenkiste geholt.

In den letzten Monaten haben sich die Angriffe verstärkt: Mitte April 2018 setzte sich der CDU-Obmann im Innenausschuss des Bundestags, Armin Schuster, für ein Verbot der Roten Hilfe ein. Ganz offen begründete er diese Forderung als Ablenkungsmanöver zugunsten der rassistischen „Alternative für Deutschland“, deren Verstrickungen ins offen nazistische Lager nicht mehr zu leugnen waren: „Bei aller notwendigen Konzentration auf extremistische Tendenzen innerhalb der AfD dürfen wir den linken Rand nicht vergessen“ (welt.de vom 14.4.2018).

Die jetzige Bedrohung beschränkt sich ebenfalls nicht auf mediale Verleumdungen, sondern wirkt weit konkreter und greift die Argumente Schusters auf, auch wenn die „Vorwürfe“ weiterhin völlig legale Tätigkeiten beschreiben. Einer der Hauptpunkte, die der Roten Hilfe angekreidet werden, ist ihre „Unterstützung von Straftätern“ – also die Umsetzung ihres Vereinszwecks. Dass sie den Rechtsbeistand und die Übernahme von Prozesskosten auch in Bezug auf die Proteste gegen den G20-Gipfel im August 2017 in Hamburg organisiert und zudem noch Pressemitteilungen gegen die polizeilichen Gewaltexzesse und den faktischen Ausnahmezustand veröffentlicht hat, wird seitens der Behörden als besonderer Skandal gewertet.

Damit hat das Innenministerium dem bunten Strauß seiner systematischen Zerlegung aller Grundrechte eine neue Blüte hinzugefügt: selbstverständlich unterstützt eine Gruppe, die Rechtshilfe im Fall von staatlicher Repression leistet, Menschen, denen Straftaten vorgeworfen und die vor Gericht gestellt werden. Dass diese von Polizei und Justiz als „Straftäter“ bezeichnet werden, auch wenn sie gegen tatsächliche Verbrechen wie Rüstungsexporte oder rassistische Morde auf die Straße gegangen sind, ist zwar lästig, aber nun mal althergebrachter Teil der staatlichen Diffamierungsstrategie gegen linke Proteste. Mit der Begründung, juristischen und finanziellen Beistand für Angeklagte zu stellen, könnten auch Rechtsschutzversicherungen und die Arbeit von Anwält*innen verboten werden.

Die für die Polizeistatistik im Bereich „Linksextremismus“ benötigten „Straftäter“ stricken sich die Behörden am laufenden Band. Wie schnell die staatlichen Prügeltrupps mit Ermittlungsverfahren wegen „Widerstands“ oder – dank des neuen „Bullenschubs-Paragrafen“ 114 – wegen „tätlichen Angriffs“ zur Hand sind und diese Anklagen dann auch gerichtlich durchbringen, kennen alle, die bei politischen Aktionen schon einmal bewusst die rechtlichen Grenzen überschritten haben: Bei der Räumung von Sitzblockaden kann schon die Verkrampfung der Muskeln für eine Strafanzeige ausreichen. Wohin die Reise in puncto staatlicher Willkür geht, zeigte beispielsweise das Urteil gegen den niederländischen G20-Gegner Peike am 28. August 2017. Seine grotesk hohe Haftstrafe über zwei Jahre und sieben Monate wurde nicht zuletzt damit begründet, dass er bei seiner Festnahme eine Embryonalstellung eingenommen habe.

Zu den „Straftätern“ kommen neuerdings noch die „Gefährder“ hinzu, bei denen die Entrechtung noch umfassender ist. In Bayern ist nach dem neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG) eine unbegrenzte Inhaftierung von missliebigen Personen erlaubt, wenn die Repressionsorgane die „Annahme“ hegen, dass diese eine Straftat oder auch nur eine „Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit“ (Art. 17 BayPAG) begehen oder unterstützen könnten. Die Einschätzung der gesinnungsschnüffelnden „Ordnungshüter*innen“, wer möglicherweise eine Regelübertretung planen könnte, ist folglich ausschlaggebend für eine unbefristete Präventivhaft nach polizeilichem Gutdünken, die weder stichhaltig begründet noch durch ein Gerichtsverfahren überprüft werden muss. Wenn die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt, es seien „bestimmte staatliche Unrechtsmaßnahmen jeglicher justitiellen Kontrolle entzogen“ worden, äußert sie sich allerdings nicht zu dem aktuellen bayerischen Verfolgungsmodell, sondern zur Einführung der „Schutzhaft“ gegen politische Gegner*innen durch die Nazis (bpb.de, „Justiz im dritten Reich“).

Auch ansonsten lesen sich die neuen Polizeigesetze aller Bundesländer, als wären sie beim kollektiven Brainstorming der bekanntesten Dystopie-Autor*innen entstanden. Weitreichende Überwachungsbefugnisse, militärische Bewaffnung für Einsatzkräfte, die Einschränkung des Postgeheimnisses und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das Ende der Bewegungsfreiheit für missliebige Personen in Form von elektronischen Fußfesseln und Aufenthalts- sowie Kontaktverboten – die Zusammenstellungen wirken wie ein lustiges Sammelsurium internationaler Grundrechtsverstöße. Dass die Rote Hilfe sich der Diffamierung linker Proteste als „Straftaten“ und den ständigen Gesetzesverschärfungen gleichermaßen entgegenstellt, ist den Herrschenden mehr als lästig, können sie doch ihre Umtriebe nicht ungestört fortsetzen. Dass die linke Solidaritätsorganisation mit Rat und Tat denjenigen zur Seite steht, die ins Räderwerk des Repressionsapparats geraten, ist heute notwendiger denn je.

Wir lassen uns von einem Staat nicht vorschreiben, wie wir unsere Kritik an den Verhältnissen zu äußern haben und wo die Grenze zwischen „legitimem Protest“ und „Straftaten“ verläuft. Widerstand gegen Ausbeutung, Krieg und Unrecht und Ungehorsam gegen diejenigen Autoritäten, die diese stützen und fördern, sind das, was uns erst zu Menschen im eigentlichen Sinn macht. Dass der außer Rand und Band geratene Sicherheitsstaat darauf mit der ganzen Wucht seiner entfesselten Machtbefugnisse reagiert, ist zu befürchten. Umso dringender ist es, sich gemeinsam und solidarisch dem nächsten Kriminalisierungsschlag entgegenzustellen und ein drohendes Verbot der Roten Hilfe abzuwenden.

Linke Solidaritätsarbeit ist legitim und notwendig – schafft Rote Hilfe!

Silke

Dies ist ein Beitrag aus der monatlich erscheinenden Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier