In ihrem Dokumentarfilm „Yves´ Versprechen“ (ab 24. Januar im Kino) zeigt die Filmemacherin Melanie Gärtner die Situation eines Kameruner Flüchtlings und die Interessenskonflikte, in denen diejenigen stecken, auf denen die Hoffnungen ganzer Familien ruhen.
Die Regisseurin Melanie Gärtner macht in ihrem Film keinen Hehl daraus, dass das Schicksal des jungen Kameruner Flüchtlings für sie auch eine persönliche Sache ist. Sie kennt Yves und seine Geschichte von einem früheren Filmprojekt. Nachdem er bei einem Fluchtversuch nach Europa aufgegriffen und abgeschoben worden war, unternahm er einen neuen Anlauf, landete erneut in Spanien, von wo aus er Gärtner kontaktiert. Er erzählt ihr, dass er in Kamerun seiner Familie aus dem Weg gegangen sei und sich ohne diese zu informieren oder zu besuchen erneut auf den Weg nach Europa gemacht habe.
Gärtner besucht ihn in Spanien und macht sich dann auf nach Kamerun, um sich ein Bild von den familiären Hintergründen von Yves zu machen und herauszufinden, was hinter seiner erneuter Flucht steckt.
Sie trifft in Kamerun Geschwister, Freunde und sogar den Vater des Flüchtlings und zunehmend wird deutlich, dass sie alle ihre Hoffnungen und Träume von einem besseren, leichteren Leben auf Yves projizieren. Erwartungen, die der junge Mann nicht erfüllen kann.
In einem eindrücklichen Interview erklärt dessen bester Freund, es sei keine gute Idee, nach so langer Zeit ohne Geld zurückzukehren, Yves würde im Dorf verachtet und verlacht. „Man würde sagen: Andere kommen auch mit Geld zurück, nur du nicht.“
In Video-Botschaften an die Daheimgebliebenen, die die Regisseurin überbringt, entschuldigt sich der Protagonist für sein Verhalten, wirbt um Verständnis dafür, dass er bislang noch nichts für sie habe tun können und verspricht, dass sich das „eines Tages“ ändern werde.
„Yves´ Versprechen“ ist ein Reise in eine Welt, in der die Straßen hauptsächlich aus Schlaglöchern bestehen, sich alle irgendwie „durchschlagen“ müssen, es kaum soziale Absicherung gibt und die einzige Hoffnung auf ein materiell besseres Leben das eine Familienmitglied ist, das es nach Europa geschafft hat. Es ist aber auch ein Blick in eine Gesellschaft zwischen Armut und Aberglaube, die den Anschluss an die kapitalistischen Zentren ökonomisch verloren hat.
Die Regisseurin lässt in ihrem angenehm unprätentiösen Film fast ausschließlich Menschen sprechen. Sie verzichtet weitgehend auf Dramatisierungen und erzählt die Geschichte ihrer Recherchereise chronologisch, unterbrochen nur von einigen Landschaftsaufnahmen und städtischen Szenen. Der Film hat zwar einige technische Mängel, ist aber in Zeiten überinszenierter Reportagen ein gutes Beispiel dafür, dass die Wirklichkeit von selbst interessante Geschichten hervorbringt und es dafür kein Brimborium an Technik oder erzählerische Kreativität braucht, sondern manchmal nur eine Kamera und etwas Geduld. Beides hatte Melanie Gärtner bei ihrer Reise auf Yves Spuren glücklicherweise dabei.
Yves‘ Versprechen / Trailer from JIP Film und Verleih on Vimeo.
HR2-Interview mit Regisseurin Melanie Gärtner
Dies ist ein Beitrag der Online-Redaktion. Weitere Besprechungen von Büchern, Filmen und Musik finden sich in der Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.