Graswurzelrevolution (GWR): Du bist eine Anarchistin, die sich seit Jahren für die Verteidigung von Natur und Klima einsetzt. Warum sind dir diese Probleme so wichtig?
Ludwika Wykurz: Bevor ich mit Ökologie angefangen habe, hatte ich Interesse am fairen Handel und der Globalisierungskritik, also an sozialen Themen, entwickelt. Die Natur habe ich immer geliebt. Ich fühlte mich weit weg von der Zivilisation gut, aber erst nachdem ich mich mit Problemen der Globalisierung auseinandergesetzt habe, begann ich, diese beiden Dinge zu verbinden. So bin ich zum Anarchismus gekommen. Ich war bereits in Permakultur involviert und begann einen ökologischen Blog zu betreiben.
GWR: Ist das Interesse an ökologischen Themen in Polen größer als noch vor einigen Jahren?
Ludwika: In Polen gab es in den achtziger Jahren eine echte ökologische Bewegung. Bis vor kurzem war dies eine marginale Bewegung. Menschen, die an direkten Aktionen zur Verteidigung der Natur interessiert waren, galten als „Krawallmacher“ oder idealistische „Tierfreunde“. Die offiziell geförderte Ökologie war ein weiteres Marketinginstrument. „Öko“ zu sein, bedeutete, die richtigen Produkte zu kaufen.
Abgesehen davon entwickelte sich jedoch eine Bewegung, die immer mehr spezialisierte Gruppen umfasste. Einige befassten sich mit der Entwicklung der ökologischen Lebensweise, andere widmeten sich dem Kampf für den Schutz bedrohter Arten oder gegen Industrieprojekte an wertvollen Naturstätten. Die ökologische Bewegung stand auch in engem Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Atomkraftwerke. Im Anti-Atom-Lager gab es Anhänger*innen des Naturbaus, „Veteranen“ von Blockaden wie „Tama tamie“ (dt. „Der Damm dem Damm“) von 1991-92 gegen den Bau eines Damms an der Dunajetz. Parallel entwickelte sich die Tierrechtsbewegung. Ökologie, die sich nicht auf den Titelseiten der Zeitungen finden lässt, ist ein sehr breites Thema in Polen – von den ersten biodynamischen Bauernhöfen bis zu direkten Aktionen, die mit Gerichtsverhandlungen endeten. Es ist schwer alles zu erwähnen. Unter zahlreichen kleinen Initiativen und Organisationen ist sicherlich das „Labor für alle Wesen“ (pl. Pracownia na Rzecz Wszystkich Istot) zu erwähnen, das als Verein seit 1990 existiert und Initiator vieler ökologischer Projekte war.
Für die Präsenz ökologischer direkter Aktionen in den Medien war 2008-2009 die Verteidigung des Białowieża-Urwaldes (pl. Puszcza Białowieska) definitiv ein Durchbruch. Eine der meistgelesenen Zeitungen mit einem liberalen Profil in Polen, „Gazeta Wyborcza“, und der bekannte Journalist Adam Wajrak engagierten sich in der Öffentlichkeitsarbeit. Das Verhältnis der Medien zu direkten Aktionen war erwartungsgemäß unterschiedlich. Zum einen unterstützten Liberale die Ökolog*innen aus dem Białowieża-Urwald, zum anderen lachten sie über die Ängste vor der Atomenergie. Den Widerstand gegen die Verbreitung transgener Pflanzen nahmen sie nicht ernst und im Allgemeinen diskreditierten sie den ökologischen Landbau. Schließlich ging die Diskussion darüber, was Öko ist und was nicht, an die Medien und in die Köpfe des gewöhnlichen Kowalski [wie Otto Normalbürger – M.K.]. Einerseits freut es mich, denn es kann bedeuten, dass wir uns als Gesellschaft immer mehr der Chancen und Gefahren bewusst werden, die mit unserer Einstellung zur Umwelt verbunden sind, andererseits sehe ich den Versuch von Staaten und Unternehmen die Kontrolle über die Ökologie zu übernehmen. Manchmal gegen Umweltschützer*innen. Es gibt verschiedene Versuche, „wissenschaftliche“, „echte“ Ökologie gegen die „Öko-Fanatiker“ oder „Öko-Terroristen“, wie sie uns nennen, auszuspielen.
Der gewöhnliche Mensch nimmt uns ein bisschen wie Verrückte und sogar gefährliche Menschen wahr. In letzter Zeit kann man immer öfter lesen, dass eigentlich Umweltschützer*innen an allem schuld sind. Ich fand sogar einen Artikel, in dem der Autor bewies, dass die Schuld an der Abholzung im Białowieża-Urwald bei den Umweltschützer*innen lag. Schwierigkeiten macht die Politisierung des Themas. Umweltschützer*innen werden von den konservativen Politikern und ihren Wählern als Werkzeug der Liberalen betrachtet. Liberale dagegen betrachten uns als gefährliche Radikale. Für den durchschnittlichen Kowalski bedeutet Ökologie jedoch Mühe, Müll zu sortieren und zwischen Öko-Gemüse und gewöhnlichem, billigerem Gemüse zu wählen. Es macht mir Sorgen. Ich mache mir keine Illusionen, dass es langfristig möglich sein wird, mit Politiker*innen, Unternehmen und Medien zusammenzuarbeiten, da Umweltschützer*innen das bestehende System letztlich nicht aufrechterhalten wollen. Hoffen wir jedoch, dass wir die Schwierigkeiten, die normalen Bürger*innen zu erreichen, überwinden können, weil wir nicht viel Zeit haben, um unser Denken zu ändern – der Klimawandel ist jetzt schon bereits ernsthaft spürbar und das sechste große Massenaussterben hat bereits begonnen.
GWR: Wie sieht die Organisation von Menschen im Kampf für das Klima aus? Welche Gruppen sind besonders aktiv?
Ludwika: In letzter Zeit wurde es wirklich interessant. Initiativen wie der „Earth Strike“ (pl. Strajk dla Ziemi) sind etwas, was vorher nicht da war. Soweit ich weiß wurde diese Initiative von unten irgendwo am Vorabend des Klimagipfels in Kattowitz im Dezember 2018 (vgl. GWR 436 & 437) geboren und dank sozialer Medien in Polen sofort angenommen. Das Hauptziel ist die Organisation von Streiks und Demonstrationen, durch die die Politiker*innen und Unternehmen gezwungen werden sollen, endlich wirksame Bestimmungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, der Abholzung der Regenwälder, der Zerstörung natürlicher Lebensräume sowie der Unternehmensmacht zu ergreifen. Der Klimawandel wurde als separates Hauptproblem wahrgenommen, das direkt angegangen werden muss. Immer mehr engagieren sich kleine Gruppen von Ökolog*innen, die bisher in Bildungsaktivitäten, der Förderung ökologischer Anbaumethoden, Upcycling oder kleinen lokalen Problemen involviert waren. Die sichtbarste Aktion des letzten Jahres war der Kampf um den Hambacher Forst. Den Kampf der Aktivist*innen mit der Polizei hat die ganze Welt gesehen. Auch die Umweltschützer*innen und Anarchist*innen aus Polen beteiligten sich daran, indem sie – je nach der Möglichkeit – vor Ort waren, und das Thema in ihrem Land an die große Glocke hängten.
In Polen haben wir ein Problem mit dem Gesetz des früheren Umweltministers – Jan Szyszko –, das das Fällen von Bäumen in privaten Gebieten erleichtert. Die Auswirkungen sind deutlich sichtbar. In Schutzgebieten wie der Mierzeja Wiślana (dt. Frische Nehrung), sowie in Stadtparks und entlang der Alleen wurde eine schnelle Abholzung durchgeführt. Manchmal sterben gesunde alte Bäume unter der Säge. Vielleicht bedeutet die Massivität dieses Angriffs auf die Natur, dass immer mehr Menschen sich bei der Verteidigung der Białowieża- und Karpatenurwälder engagieren werden und auch gegen die Abholzung, die in Städten und an landesweiten Straßen stattfinden, kämpfen. Sie sind sich der Beziehung zwischen der Abholzung und dem Klima bewusst – es ist bekannt, dass Bäume einerseits vor extremen Temperaturen schützen und andererseits Kohlendioxid absorbieren, wodurch die Emissionsbilanz verringert wird. Die Verbreitung der Haltung von Greta Thunberg – der schwedischen Schülerin, die vor dem schwedischen Parlamentsgebäude einen eigenen Streik für das Klima angefangen hat – und ihre Präsenz auf der COP24 in Kattowitz hatte für Politiker*innen und Lobbyist*innen wahrscheinlich kaum eine Bedeutung, aber sie hatte eine Auswirkung auf die gewöhnlichen Menschen. Sie haben gesehen, dass ein gewöhnlicher Mensch, ein Kind, so radikal handeln kann und dass es in der Situation akzeptiert und sogar gelobt wird.
Eine wehmütige Geschichte über ein Mädchen, das um das Klima kämpft, das von den Medien gierig verfolgt wurde, könnte sich als fruchtbarer erweisen, als es sich selbst die Propagandist*innen wünschen. Die Menschen brauchen keine Führer*innen, aber sie brauchen Vorbilder und Symbole. Greta ist zu einem Symbol für den Kampf für das Klima geworden, hat aber keinen Anspruch, die Bewegung anzuführen.
GWR: Kommt der Klimawandel als Thema in der sozialen Debatte vor?
Ludwika: Ja, das Thema ist vom Nicht-Vorhandensein zum Gegenstand von Artikeln in vielgelesenen Zeitungen und Diskussionen in den sozialen Medien geworden. Immer mehr Menschen äußern sich über den Klimawandel. Es ist schade, dass es oft bei Aussagen in den sozialen Medien oder der Äußerung von Meinungen in der Warteschlange im Laden bleibt. Aber auch die Mobilisierung für Ereignisse wie „Earth Strike“ verbesserte sich.Vor einigen Jahren wurde eine solche Initiative wahrscheinlich nur von den Gruppen getragen, die täglich in ökologischen Fragen tätig sind. Heute tauchen häufiger Menschen auf, die sich einfach für den gemeinsamen Raum verantwortlich fühlen.Die Polen wurden nach 1989 zu einer sehr zerstrittenen Gesellschaft, wenn es um soziale, ökologische oder politische Fragen geht. Es ist also nicht so einfach, jemanden für eine Demo zu gewinnen.
GWR: Wie reagieren Politiker*innen auf das Thema? Sehen sie ein Problem?
Ludwika: Das Klima hat sich zu einem modischen Thema entwickelt, es zeigt sich in der Häufigkeit des Auftretens von Artikeln zu diesem Thema in den Mainstream-Medien. Es taucht auch in der Narration von Korporationen auf, selbst denen, die bisher bereit waren, Millionen für das Stummschalten der Sache zu zahlen. Bei Unternehmen ist dies natürlich ein weiterer Versuch, ihre eigenen Produkte zu bewerben und sich in einem guten Licht zu präsentieren. Trotz allem bedeutet es, dass es heute profitabler ist sich als „klimafreundlich“ zu zeigen, statt als Klimawandel-Leugner. So haben Medien und Unternehmen das Thema aufgegriffen, und genauso Politiker*innen. Weniger tröstlich ist, wie dieses Thema auf der politischen Bühne behandelt wird. Die polnische Regierung setzt vorrangig auf Kohle, zweitens auf das Atom. Die zum Beispiel in den amerikanischen Medien verfügbaren Aussagen zeigen, dass es darum geht, mit Hilfe von pro-Atom-Aussagen die Genehmigung für die weitere Verbrennung von Kohle zu erhalten als für den echten Klimaschutz. Nach dem Motto: Grundsätzlich haben wir die EU-Bedingungen erfüllt, also können wir uns jetzt um unsere bewährten Ideen für Energie kümmern. Die Regierungspartei vermeidet eher das Thema Klimawandel, da viele Aktivitäten des derzeitigen Ministeriums der empfohlenen Klimapolitik zuwiderlaufen. Die wichtigste Antwort ist das Versprechen riesiger Waldbepflanzungen. Leider sehen wir im Moment hauptsächlich Abholzung, wie ich schon erwähnt habe.
Das Klimathema tauchte auch in Oppositionsprogrammen vor den Wahlen auf. Die Grünen (pl. „Zieloni“) schlagen traditionell den Übergang zu 100% erneuerbarer Energiequellen vor, die sozial-demokratische Partei „Razem“ [dt. „Zusammen“, die sog. polnische „Podemos“ – M.K.] scheint auf eine Kombination aus erneuerbaren Energiequellen und Atomkraft zu setzen. Im Programm der zentrallinken „Wiosna“ [dt. „Frühling“, eine in diesem Jahr neugegründete Partei – M.K.] von Robert Biedroń erschien ein Postulat zur Schließung aller Bergwerke, was zeigt, dass Politiker*innen immer noch nicht genau verstehen, wo die Ursache des Problems liegt. Natürlich sind Bergwerke eine Quelle von Emissionen und Umweltverschmutzung, aber ihre Schließung wird nur dazu führen, dass die kohlebetriebene Wirtschaft gezwungen wird, sie aus dem Ausland zu importieren. Die Ursache für Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen ist die Wirtschaft, die auf Öl und Kohle basiert, nicht die Minen selbst, von denen übrigens nicht viele in Polen übrig geblieben sind.
Die Diskussion zwischen Fans und Gegner*innen der Atomkraft, die in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen hat, ist besorgniserregend. Befürworter*innen sehen in der Atomkraft „die einzig echte“ Lösung für das Klima, treten immer öfter bei ökologischen Demonstrationen auf, die von den Grünen oder Basisorganisationen organisiert werden (wie der „Marsch für das Klima“). Und es wäre nichts Falsches daran, wenn die Modelle des Kohleausstiegs sich nicht gegenseitig ausschließen würden. Die Anhänger*innen des Atoms betreten die Ökobewegung mit etwas Neuem und sind beleidigt, dass ihre Idee seit Jahrzehnten von der traditionellen ökologischen Bewegung bekämpft wird. Ich habe mit Leuten aus dieser Bewegung gesprochen, die sich beleidigt fühlen dadurch, dass der Vorsitzende der polnischen Grünen das Banner „Don‘t Nuke the Climate“ gehalten hat. Ich befürchte, dass jemand auf diese Weise versucht die ökologische Bewegung zu entschärfen, indem er sie mit ihren eigenen Waffen besiegt. Anstatt sich auf den Kampf gegen den Klimawandel und den Druck auf Politiker*innen und Unternehmen zu konzentrieren, werden wir uns darüber streiten, ob Windkraftanlagen oder Atomkraftwerke eingesetzt werden sollen. Hoffen wir, dass wir uns gegen eine solche Perspektive wehren können.
GWR: Wie reagieren die Menschen auf eine öffentliche Debatte über Klimafragen? Können wir über ein wachsendes soziales Bewusstsein für Klimaprobleme sprechen?
Ludwika: Neben dem Thema der globalen Erwärmung ist auch das Thema Smog aufgetaucht. Immer mehr Organisationen thematisieren dieses Problem, es erscheinen Poster und Informationstafeln. Die Menschen spüren die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf ihrer Haut. Vielleicht wird ihnen dadurch klar, dass diese Ökolog*innen Recht haben. Leider trifft die Debatte die Armen mehr. Ein gutes Beispiel ist Krakau. Ich hatte letztes Jahr die Gelegenheit, entlang der Straße zu spazieren, die Zakopane überblickt. Es ist eine der meistbefahrenen Straßen von Krakau. Die Luft war so dicht, dass ich kaum hundert Meter weit sehen konnte. Aus dem Smog tauchte langsam ein Poster auf, das uns mitteilte, dass wir durch den Rauch aus einem alten Ofen unsere Kinder ersticken. Was für eine Kampagne ist das? Es gibt dort fast nur Wohnblöcke und Einkaufszentren. Vielleicht gibt es ein mit einem Ofen beheiztes Haus. Aber es kann nicht gesagt werden, dass dieser nicht modern und emissionsarm war. Aber die Luft war dort schrecklich. Dies zeigt, wie einfach es ist, die Ärmsten in einer Kampagne zu beschuldigen.
Unter den Nutzer*innen von Öfen in polnischen Städten sind die meisten Bewohner*innen vernachlässigter Altbauten. Sie können sich eine Renovierung nicht leisten. Vor ihren Fenstern fahren viele dicke Autos, in jedem nur eine Person – zum Einkaufen, zum Geschäftstreffen, zum Date – egal wohin, immer nimmt man das Auto. Aber niemand redet laut darüber. Manchmal drängen Aktivist*innen nur auf die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, auf Stadtfahrräder und den Ausschluss bestimmter Stadtzonen vom Autoverkehr. Einige in Polen tragen Masken und rechnen nicht damit, dass das Smog-Problem gelöst wird. Viele sind enttäuscht.
Was den Klimawandel anbelangt, hängt vieles von den politischen Ansichten ab. Menschen in Polen verbinden leider alles mit Politik. Deshalb sind die Anhänger*innen der Linken und der Liberalen immer mehr in den Kampf gegen das Klima involviert, während die Anhänger*innen der konservativen Parteien entweder das Thema umgehen oder gar die globale Erwärmung bestreiten. Obwohl die Anzahl der letzteren in den letzten Jahren drastisch gesunken ist.
GWR: Welche Maßnahmen sind notwendig, um die Klimaerwärmung zu stoppen? Führen die polnischen Behörden dies durch?
Ludwika: Die polnischen Behörden setzen hauptsächlich auf Kohle. Zwar gibt es Programme wie die Unterstützung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, aber unter dem Banner der Bekämpfung von Smog. Das ist schon nicht schlecht. Die Investitionen in erneuerbare Energiequellen im Haushalt werden sicherlich für die Verringerung der Emissionen von großer Bedeutung sein. Es ist nur schade, dass die Regierung den Kampf gegen Smog lieber zugibt als die Klimaerwärmung. In dieser Angelegenheit ergreift sie keine umfassenderen Maßnahmen.
Ich sehe ein größeres Problem in der Landwirtschaft, die sich immer noch in Richtung Liquidation kleiner, traditionell fast autarker Bauernhöfe in große spezialisierte Farmen verwandelt. Abgesehen davon, dass es unethisch und für die lokalen Gemeinschaften schädlich ist, trägt es zusätzlich zur Erhöhung der Kohlendioxid- und Methanemissionen bei. Es gibt eine ganze Reihe von Emissionsfaktoren – zum Beispiel aufgrund der Konzentration einer großen Anzahl von Tieren auf kleinem Raum, abgeschnitten vom lokalen Ökosystem. Für die notwendigen Änderungen, um die globale Erwärmung zu stoppen, würde ich erneuerbare Energiequellen zählen, aber es wäre notwendig zu prüfen, welche genau (um nicht die Biomasse aus Wäldern zu verbrennen). Der Vorteil von erneuerbaren Energiequellen ist, dass sie auf kleinen lokalen Installationen basieren können, die an die Bedingungen in einem bestimmten Gebiet angepasst sind und für eine bestimmte Gemeinschaft von Nutzen sind. Leider werden unter diesem Banner viele Kilometer Solarparks gebaut, Monokulturen von Energiepflanzen angebaut und die Abholzung von Wäldern betrieben.
Deshalb sollten wir auf erneuerbare Energiequellen setzen, aber mit Köpfchen. Darüber hinaus ist es notwendig, das Modell von Landwirtschaft, Verkehr und Produktion in ein lokaleres, weniger energieintensives Modell umzuwandeln. Das Ideal ist das Permakulturmodell, das die lokale Autarkie sicherstellt und gleichzeitig die Denkweise verändert. Dies ist eine Kombination von Kropotkins Idee der Gegenseitigen Hilfe mit dem Traum eines ökologischen „Paradieses“. Verlockend für uns Anarchist*innen und beunruhigend für Politiker*innen.
GWR: Was kann Kowalski tun?
Ludwika: Kowalski kann die Produktion von Abfällen reduzieren, vor allem schwierig zu verarbeitende, z. B. Kunststoff. Dies bedeutet, dass man nicht bei jedem Einkauf neue Plastiktüten mitnehmen soll und nicht jedes Produkt in die Folie einpacken muss, Einschränkung den Einkauf von Wasser und Getränken in Plastikflaschen, den Kauf auf freien Märkten oder in Läden, die keine Fertigprodukte anbieten. Allgemein soll man den Konsum, die Einkäufe reduzieren, und wenn möglich, sich auf die Produkte aus dem eigenen Garten verlassen.
Eine gute Initiative ist die Sozial Unterstützte Landwirtschaft (pol. Rolnictwo Wspierane Społecznościowo). Sie besteht darin, Gruppen zu organisieren, die größere Mengen von Produkten bei lokalen Landwirten bestellen. Dadurch umgehen beide Seiten die Zwischenhändler, der Bauer hat eine bessere Umsatzgarantie und ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden, und der Verbraucher weiß, wofür er/sie bezahlt. Nach diesem Prinzip sind Lebensmittelgenossenschaften in mehreren Städten in Polen tätig. Es gibt jedoch immer noch zu wenige und sie sind oft kurzlebig. Trotzdem ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Es wäre großartig, wenn sich mehr Menschen unseren Demos und Streikposten anschließen würden.
GWR: Wie sah die Mobilisierung für den „Marsch für das Klima“ in Kattowitz aus?
Ludwika: Schlecht. Es hätte besser sein können, wenn es um die Teilnahme ging. Selbst wenn man in Betracht zieht, dass einige Gruppen noch vor Erscheinen vor Ort von der Polizei angehalten wurden. Ich kann die Gründe nicht erklären. Vielleicht gibt es noch zu wenige von uns – die am Klima interessiert sind. Wir müssen Bewusstsein entwickeln. Sicher gab es mehrere von uns als die offiziellen Medien zugeben (das Normalste bei solchen Demos), aber weniger Menschen wurden mobilisiert als im Fall des Hambacher Forsts. Wir haben Fehler gemacht, zum Beispiel, dass der radikalste und antikapitalistische Teil am Ende des Marsches lief, was uns zu einer leichten Beute für die Polizei machte. Wichtig jedoch war die Solidarität des gesamten Marsches mit mehreren Personen, die willkürlich aus der Menge herausgezogen und von der Polizei festgenommen wurden. Eine friedliche, aber entschlossene Reaktion auf die Provokation der Polizei haben wir gut hingekriegt. (siehe GWR 437)
Es ist schwer zu sagen, wie es in anderen Teilen des Marsches war, aber der antikapitalistische Block bestand größtenteils aus Anarchist*innen und radikalen Ökolog*innen, Diese Kreise überschneiden sich. Ich bin mir nicht sicher, wie viele gewöhnliche Bürger*innen sich dem Marsch angeschlossen haben. Einige winkten uns aus den Fenstern der Häuser zu, einige schlossen sich uns auf der Straße an. Wie viele verdeckte Ermittler dabei waren, kann ich nicht abschätzen.
GWR: Machen solche Aktionen deiner Meinung nach Sinn? Werden sie bemerkt?
Ludwika: Ja, obwohl es besser funktionieren würde, wenn wir mehr wären. Trotzdem wurde über den Marsch und die Provokation der Polizei in den Mainstream-Medien berichtet. Wir wurden bemerkt. Große Portale wie gazeta.pl haben sich freundlich über uns geäußert. Konsterniert waren die Atomkraft-Anhänger*innen, die von den Organisator*innen des „Marsches für das Klima“ mit ihrem Banner hinauskomplimentiert wurden. Auf den Straßen von Kattowitz haben wir Neugier geweckt. Viele, die von der PiS-Regierung enttäuscht sind, schauten freundlicher als noch vor einigen Jahren auf von der Polizei umringte Demonstranten. Im Marsch liefen auch die Vertreter*innen der Oppositionsparteien (natürlich incognito) und polnische Bürger*innen, dank dessen, dass es andere Kanäle gab, um die Angelegenheit bekannt zu machen. Auch soziale Medien helfen, unsere Sichtweise zu veröffentlichen. Das hat beim „Marsch für das Klima“ in Kattowitz und bei den Beschreibungen der Solidaritätsaktionen gut funktioniert.
GWR: Kann ein Treffen wie COP24 etwas Positives bringen?
Ludwika: Ich habe keine besonderen Illusionen. Solche Treffen dienen vor allem dazu, dass Diplomat*innen und Lobbyist*innen ihre Stücke vom Kuchen bekommen. Auf der anderen Seite ruft das Treffen eine gesellschaftliche Diskussion und die Reaktion ökologischer, globalisierungskritischer und anarchistischer Kreise hervor. Das ist wichtig. Die Tagung von Menschen aus verschiedenen Ländern für eine solche Veranstaltung ist eine Gelegenheit, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen. Nach dem Marsch fand in Kattowitz ein Aktivist*innentreffen statt.
GWR: Wie bewertest du das Treffen? Ist das Problembewusstsein der Organisator*innen allein ausreichend?
Ludwika: Nein, das Problembewusstsein reicht nicht aus, wenn keine vernünftigen Maßnahmen ergriffen werden. Die Politiker*innen sind immer noch von Unternehmen abhängig und verstehen das eigentliche Gewicht des Problems nicht. Sie wollen es nicht verstehen. Wahre Einsicht würde für sie die Vereinbarung bedeuten, das System vollständig zu verändern, und zwar die Notwendigkeit einer sofortigen Abkehr vom Kapitalismus. Als Anarchistin zähle ich nicht darauf, dass Politiker*innen unsere Probleme lösen. Wir sollten sie dazu bringen uns weniger zu stören, uns nicht zu Terroristen zu machen, das Gesetz nicht gegen ökologische Aktionen zu verschärfen, ökologische Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, die wir an die Öffentlichkeit bringen, Menschen mit falschen Informationen nicht verwirren, die Organisationen nicht von innen brechen. Was im Hambacher Forst passierte, im vermeintlich klimafreundlichen und demokratischen Deutschland, zeigte, dass der Umweltschutz und der Kampf gegen den Klimawandel noch weitgehend leere Versprechungen aus den Mündern der Politiker*innen sind.
GWR: Wie sollen die weiteren Aktionen von Aktivist*innen in Polen zur Verteidigung des Klimas aussehen?
Ludwika: Ich denke, wir sollten lauter, in den Medien und auf der Straße präsenter und andererseits vorsichtiger sein. Viele ökologische und anarchistische Organisationen schätzen die Möglichkeit der Infiltration und Provokation durch verschiedene Dienste gering, die die Bewegung zerstören und die Wirksamkeit von Aktionen schwächen. Ich werde deshalb vielleicht nicht alle Ideen für bestimmte Aktivitäten teilen. Treffen wir uns im Rahmen lokaler Umweltorganisationen, tauschen wir Informationen und Erfahrungen mit Organisationen aus der ganzen Welt aus, führen wir Schulungen durch und organisieren wir gemeinsame Aktionen, haben wir keine Angst bei Demos zu erscheinen, aber prahlen wir nicht mit unseren Plänen, wenn dies nicht notwendig ist.
Interview: A. S.
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.