Immer, wenn ich freitags in die Altstadt gehe, um an den Demos der örtlichen Fridays for Future-Gruppe teilzunehmen, bin ich begeistert.
Es bewegt mich, dass so viele Schüler*innen die Schule bestreiken, um für eine lebenswerte Zukunft und gegen die Klimakillerpolitik zu protestieren. Hunderttausende nahmen in den letzten Monaten schon an den Aktionen der Fridays for Future-Bewegung teil und es geht weiter. Am 20. und 27. September soll weltweit für Klimagerechtigkeit gestreikt werden, von Schüler*innen und vielen anderen Klima-Aktivist*innen. Etliche FFF-Aktivist*innen haben sich radikalisiert und solidarisieren sich mit den Aktivist*innen von Ende Gelände, Extinction Rebellion und Hambacher Forst.
Diese neue Jugendbewegung belebt die Klimagerechtigkeitsbewegung und macht Hoffnung auf ein Überleben der Menschheit. Sie lässt sich bisher auch nicht so ohne weiteres von den Parteipolitiker*innen jeglicher Couleur vereinnahmen. Nachdem bei den Europawahlen im Mai 2019 die grüne Partei das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt hat, verkündete der grüne Spitzenkandidat Sven Giegold: „Das ist ein Sunday for Future.“ Die treffende und unmittelbare Reaktion auf diesen dreisten Vereinnahmungsversuch kam über die sozialen Medien von den FFF-Aktivist*innen aus Köln: „Wir als Fridays for future Ortsgruppe Köln wollen klarstellen, dass wir als Bewegung keinen Wahlkampf für die Grünen gemacht haben und möchten uns klar von dieser Aussage distanzieren! Wir sind eine überparteiliche Bewegung und möchten nicht, dass diese für Wahlkampf oder jegliche Form von Parteiwerbung genutzt wird. Erst recht nicht von einer Partei, die Abschiebungen mitorganisiert, Hartz 4 auferlegt hat und an vielen Stellen klimaschädliche Politik mitgetragen hat, weil sie nicht bereit ist, sich mit Kapitalinteressen anzulegen, wie etwa im Hambacher Forst, wo sie die Abholzung des Waldes bestätigten. Das Ziel unserer Bewegung ist der konsequente Umweltschutz. Wer Profite über die Umwelt stellt, wer sich nur dort an die Umwelt erinnert, wo sie profitabel ist, der hat bei uns nix verloren.“
Die Graswurzelrevolution (GWR) erscheint seit 1972 als Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft und versteht sich immer auch als Sprachrohr emanzipatorischer Bewegungen von unten, so auch des radikalen, antikapitalistischen Flügels der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Seien wir realistisch …
Als generationsübergreifendes, basisdemokratisch organisiertes Projekt haben wir die Erfahrung gemacht, dass die anarchistische Position „Sei realistisch, fordere das Unmögliche“ wichtig ist, um zumindest das Mögliche durchzusetzen. So halten wir etwa die von vielen FFF-Gruppen erhobene Forderung „Kohleausstieg bis 2030“ für völlig unzureichend. Die WDR-Wissenschaftssendung Quarks hat auf Grundlage von aktuellen Daten der Europäischen Kommission „Die TOP 10 Klimasünder Europas“ aufgelistet. Demnach sind neun der zehn größten Klimakiller in Europa Kohlekraftwerke, davon sieben deutsche Kraftwerke von RWE und LEAG. Allein das RWE-Kraftwerk Neurath haut mit 32,16 Mio. Tonnen pro Jahr soviel CO2-Äquivalente raus, wie der gesamte innerdeutsche Flugverkehr in zwölf Jahren. Ein sofortiger Kohleausstieg ist also unverzichtbar, wenn die weltweite Temperatur nicht weiter steigen soll. Wenn die Menschheit überleben will, brauchen wir eine Graswurzelrevolution, eine gewaltfreie Umwälzung der Gesellschaft. Aufklärung, Generalstreik und direkte gewaltfreie Aktionen sind effektive Mittel auf dem Weg dahin. Es hilft uns dagegen nichts, wenn grüne Politiker*innen in Machtpositionen gewählt werden. Stattdessen müssen wir uns selbst organisieren, mit Macht von unten den Kapitalismus überwinden und eine menschenfreundliche, sozial und ökologisch gerechte Gesellschaft organisieren, für die nicht Profit das Maß aller Dinge ist, sondern Freiheit, Gleichheit, freie Assoziation und gegenseitige Hilfe.
Bernd Drücke (GWR-Redakteur)
Protestcamps und Aktionen:
In den nächsten Wochen und Monaten finden zahlreiche Aktionen, Demos und Klimacamps statt. Für den 20. und 27. September ist ein Globaler Klimastreik geplant. Infos dazu findet Ihr u.a. auf: www.klimacamp-im-rheinland.de/
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.