Mit „ochi“ (nein) antwortete der griechische Diktator und Faschist Ioánnis Metaxás am 28. Oktober 1940 auf das Ultimatum des italienischen Diktators und Faschisten Benito Mussolini, Griechenland kampflos den italienischen Truppen zu übergeben.
Das „Ochi“ bedeutete den Kriegseintritt Griechenlands gegen die faschistischen Achsenmächte Deutschland, Italien und Bulgarien. Es führte zu einer beispiellosen Mobilisierung in der Bevölkerung. Die italienischen Truppen wurden bis ins Landesinnere Albaniens zurückgeschlagen, was die erste Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg bedeutete und die Verlegung deutscher Truppen an die griechisch-albanische Front erforderlich machte. Im Frühjahr 1941 wurde Griechenland schließlich von deutschen, italienischen und bulgarischen Truppen besetzt. Nach unzähligen Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und einem verlustreichen Befreiungskampf, gelang es der Nationalen Befreiungsfront EAM-ELAS im Herbst 1944 das Land zu befreien.
Bis heute wird der 28. Oktober, der „Ochi-Tag“, als Nationalfeiertag mit Militärparaden und Schüler*innen-Paraden begangen. Uniform gekleidete Schüler und Schülerinnen marschieren im militärischen Gleichschritt durch Städte und Dörfer, der oder die Schulbeste trägt die Nationalfahne vorweg. Seit Mitte der 1990er Jahre kam es immer wieder zu heftigen Streits und Auseinandersetzungen mit nationalistischen Eltern und Schulleitungen, die nicht wollten, dass migrantische Jugendliche als Schulbeste die Fahne trugen. Mindestens seit dieser Zeit gibt es andererseits scharfe Kritik anarchistischer, linksradikaler und antimilitaristischer Gruppen an dem nationalistischen und militaristischen Spektakel mit vielfältigen Interventionen und einzelnen Blockadeversuchen. Bis 2015 hatte auch Syriza ein Ende der Paraden gefordert, dies als Regierungspartei jedoch nicht umgesetzt.
Ein wahrer Sturm der Empörung tobte 2019 nach der Aktion zehn junger Frauen auf einer der Paraden in „sozialen Netzwerken“ und regierungsnahen Massenmedien. Von sexistischen Angriffen und Aufrufen zur Strafverfolgung wegen „Verunklimpfung nationaler Symbole“ in Fernsehsendungen, über niveaulose Beschimpfungen durch Néa Dimokratía-Politiker, bis hin zu Vergewaltigungs- und Morddrohungen im Netz, reichte die Palette der national-militaristischen Hysterie.
Was war geschehen?
Zehn junge Frauen hatten die Parade zur Aufführung einer antimilitaristischen, antinationalistischen Performance im Athener Stadtteil Néa Filadélfia – Néa Chalkidóna genutzt. Dieser Stadtteil wurde 1922/23 von vertriebenen Griech*innen aus Kleinasien erbaut. Einheitlich in schwarze Hosen und weiße Hemden gekleidet, reihten sie sich mit eigener Fahnenträgerin, kurz vor der Ehrentribüne im militärischen Gleichschritt in die Schüler*innenparade ein. Vor der Ehrentribüne angekommen, brachen sie vor den Honoratioren, in unkontrollierte Zuckungen und intensive chaotische Tanzschritte aus. Inspiriert vom „Silly Walk“ des Monty Pythen-Ensembles und des Meisters englischer Komödie, John Cleese, drückten sie damit ihre Kritik am Militarismus, insbesondere am Militarismus in der Schule aus, wie sie gegenüber der genossenschaftlichen Tageszeitung Efimerída ton Syntaktón (Efsyn) betonten.
Der Sketch „The Ministry of Silly Walks“ stammt aus einer Fernsehsendung der anarchistischen Monty Python-Gruppe aus den 1970er Jahren und war eine krasse Satire auf die englische Bürokratie. John Cleese, als öffentlicher Angestellter eines Ministeriums der englischen Regierung, ist zuständig für die Erteilung von Zuschüssen für Bürger*innen, die sich mit absurden Verrenkungen fortbewegen. Auch er selbst und alle anderen Angestellten des Ministeriums laufen mit seltsamen Zuckungen und Ticks, die die Zuschauer*innen zum Lachen bringen. „Silly Walks“ wurden außer in England auch in anderen Ländern immer wieder für gesellschaftliche Proteste benutzt, so in Budapest 2018 und in Brno in Slovakien 2013.
„Welche Gemeinsamkeit sollen Militarismus und Freiheit haben? Welche Beziehung soll die Verteidigung der Freiheit eines Volkes zu der Art von Patriotismus haben, der uns hier von klein auf beigebracht wird? In der Schule, auf den Paraden, überall“, heißt es in der Stellungnahme der Frauen gegenüber Efsyn, in der erneut das Ende des anachronistischen Spektakels der Militär- und Schüler*innen-Paraden gefordert wird. Der nach der Performance ausgebrochene Sturm der Entrüstung ist bezeichnend für das herrschende gesellschaftliche Klima im Land. In ihrer Stellungnahme sahen sich die Frauen dazu genötigt darauf hinzuweisen, dass sie im Gegensatz zur Armee, die bombardiert und mordet, nur eine künstlerische Performance statt tödlicher Gewalt eingesetzt haben.
Sie enden mit folgendem Nachsatz: „Wir haben Néa Filadelfia – Néa Chalkidóna für unsere Aktion gewählt, weil der Stadtteil von Flüchtlingen erbaut wurde. Also den Überflüssigen und Ausgestoßenen der griechischen Gesellschaft par exellence – damals wie heute.“
Ralf Dreis, Vólos