Drei Jahre ist es her, dass ein Friedensvertrag zwischen der Guerilla FARC und der kolumbianischen Regierung abgeschlossen wurde. Wie gespalten das Land ist, zeigte bereits die anfängliche Ablehnung des Friedensvertrags durch die kolumbianische Bevölkerung.
Auf dem Papier beinhaltet der Friedensvertrag auch die Fragen des Landrechts, die eine der Hauptursachen des so lange bestehenden Konfliktes sind. Das zeigt das Beispiel Cauca im Südwesten des Landes.
Am 29. Oktober 2019 wurden dort fünf Menschen erschossen und fünf weitere verletzt. Sie gehörten zu den indigenen Autoritäten der Reservation Tacueyó und den sog. Wächter*innen, die durchsetzen wollen, dass bewaffnete Personen, egal ob vom kolumbianischen Militär, Paramilitärs oder Guerilla in ihr autonomes Territorium eindringen. Vor einigen Monaten ging das Bild eines von den unbewaffneten indigenen Wächter*innen ausgewiesenen bewaffneten Soldaten durch die kolumbianischen Medien.
Nun hat der gewaltfreie Schutz der Gemeinde nicht funktioniert. Die Täter, nach Auffassung sowohl indigener Bewegungen als auch der Regierung, abtrünnige FARC-Angehörige, haben sich um die Durchsetzung einer waffenfreien Zone nicht geschert. Über ihre möglichen Motive gibt es unterschiedliche Ansichten. Früher war das Gebiet unter Kontrolle der FARC und diese Macht wollen jene, die den Friedensvertrag ablehnen, nicht kampflos hinnehmen. Und da stören Menschen, die sich nicht in die konfrontative bewaffnete Auseinandersetzung einbeziehen lassen wollen. Andere weisen darauf hin, dass in dem Gebiet Koka-Pflanzen angebaut und verarbeitet würden und wichtige Drogenrouten entlang des Territoriums führten, und dass u.a. die Guerillas mit dem Drogenhandel ihre Operationen finanzierten. Damit ginge es um die Verteidigung der Kriegsökonomie einer bewaffneten Gruppe.
Aber auch die anderen bewaffneten Gruppen, die kolumbianische Armee und die Paramilitärs, haben ihre Formen der Kriegsökonomie. Die Armee ist nach Angaben von Isabel Cristina Zuleta vom Umwelt- und Menschenrechts-Netzwerk Rios Vivos aus Antioquia eng mit den z.T. staatlichen Wasserkraftwerks-Unternehmen verflochten. Diese Unternehmen sind die anderen Akteure, die Druck auf die autonomen Territorien der vielen kolumbianischen Völker an den Flüssen Rio Cauca und Magdalena ausüben. Verbunden sind die Wasserkraftwerke mit Vertreibungen, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen. Viele Menschen sind verschwunden oder werden ermordet. In ganz Kolumbien sind alleine zwischen Januar 2018 und April 2019 166 Menschenrechtsverteidiger ermordet worden. Zuleta spricht von einem Krieg gegen die Umwelt.
Wenn der rechtsgerichtete Präsident Ivan Duque, der erklärtermaßen die Aufarbeitung der Konfliktursachen, wie etwa die ungerechte Landverteilung, nicht angehen will, nun das Militär schickt, um die Sicherheit in Tacueyó herzustellen, dann militarisiert er das indigene Territorium, das deren Bewohner*innen waffenlos gegen jegliche bewaffneten Gruppen verteidigen wollen. Das ist kein gutes Zeichen für eine Umsetzung des Friedensvertrages. Die Mission der Organisation Amerikanischer Staaten (MAPP/OEA), die den Friedensprozess begleitet, forderte nach dem Massaker die staatlichen Institutionen auf, gemeinsam mit den indigenen Autoritäten alles Notwendige zu tun, um die Sicherheit der Gemeinden gewährleisten zu können. Sie überwacht weiterhin die Entwicklung in Cauca.
Stephan Brües