Harrison Ford und ein animierter Hund - die neueste Jack London-Verfilmung ist eine leider sehr typische Disney-Produktion.
Die Geschichte vom Hund Buck, der aus dem sonnigen Kalifornien entführt, verkauft, geschlagen und zum Schlittenhund im Alaska des Klondike-Goldrausches umfunktioniert wird, geschrieben von Jack London Anfang des 20. Jahrhunderts, wurde schon des öfteren verfilmt, erstmals 1935 mit Clark Gable in der menschlichen Hauptrolle, 1972 von Regisseur Ken Annakin (dem übrigens Darth Vader seinen bürgerlichen Vornamen verdankt) mit Charlton Heston und nun also erneut als Disney-Blockbuster und mit Harrison Ford als Bucks Herrchen John Thornton.
Der Film ist als großes Familienspektakel geplant und funktioniert als typische Disney-Großproduktion nach den üblichen Disneyregeln, die vor allem auf Übersichtlichkeit hinsichtlich Komplexität der Charaktere, daraus resultierenden eindeutigen Freund-Feind und gut-böse-Zuschreibungen pochen und so wurde Londons Novelle so weitreichend geglättet, dass der Geschichte die gewünschten Bilder wie von selbst entspringen.
Letztere zeigen die Abenteuer des Hundes so umfänglich animiert, dass von der Wucht und der Gewalt der Natur, die die Kulisse für Bucks Sinnsuche abgibt, nichts übrigbleibt als eine Oberfläche, die wirkt wie die eines Computerspiels. Besonders die Tatsache, dass in dem Film auch der Hund eine Animation ist, führt insbesondere im Zusammenspiel mit den nicht animierten menschlichen Darstellern zu Problemen, es zeigen sich die Grenzen des Animationswahns: Da man intuitiv weiß, wie sich Hunde bewegen, die Bewegungen des Hundes auf der Leinwand damit aber nichts zu tun haben, wird das animierte Tier zu einem Phantasiewesen und damit die ganze Geschichte unglaubwürdig.
Trailer zum Film – Quelle: Youtube
Auch der Plot um die idealisierte Hundefigur nervt bald, Buck ist ein notorischer Held und Lebensretter, ein perfekter Sympathieträger, bald Führer des Schlittenteams und schließlich gar eines Wolfsrudels. Einer dieser Disney-Helden, die in ihrer Fehl- und Tadellosigkeit vor allem fürchtetrlich langweilen. Begleitet wird seine Entwicklungsgeschichte, deren durchaus emanzipatorische Elemente zwischen all der Blockbuster-Effekthascherei leider weitgehend untergehen, von allerlei Binsenweisheiten und banalen Morallektionen.
Ruf der Wildnis ist eine bombastische Produktion, die das vermutlich sehr junge Publikum beeindrucken will und wird, auch bleibt das Drehbuch vergleichsweise nah an der Romanvorlage, was man ihm positiv anrechnen muss – der Film dürfte jedenfalls sein Massenpublikum finden. Zu mehr taugt er aber nicht. Mehr als Computer-Heckmeck, Abenteurer-Pathos und die immer gleiche heteronormative Kleinfamilien- bzw. Freundschaftsideologie fällt Disney auch diesmal nicht ein. Dass man Kindern mehr als das zumuten und -trauen kann, wird man in dem stockkonservativen Kulturkonzern wohl nicht mehr verstehen.
Ruf der Wildnis - USA 2020 - Regie: Chris Sanders - mit Harrison Ford, Karen Gillan, Bradley Whitford - 105 Min. - seit 20.2.2020 im Kino
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