Der Equal Pay Day weist symbolisch auf die Entgelt-Ungleichheit zwischen Frauen* und Männern* hin. An diesem Stichtag ist der Teil des Jahres vergangen, welcher der prozentualen Lohnlücke zwischen den Geschlechtern entspricht. Am 17. März 2020 liegen 21 % des Jahres hinter uns, was den aktuellen Zahlen für Deutschland entspricht. Die gängige Erklärung lautet: Wenn alle den gleichen Bruttostundenlohn erhalten, haben Frauen* vom 01.01. bis zu diesem Tag umsonst gearbeitet, während Männer* schon ab dem 01.01. bezahlt werden.
Wenn ich an dieser Stelle Sternchen benutze, muss ich einräumen, dass das – zumindest in deutschsprachigen Quellen – noch eher selten getan wird. In der englischsprachigen Literatur fällt es leichter, Quellen zu finden, die darauf eingehen, wie sich die Entgelt-Ungleichheit bei nichtbinären Menschen manifestiert. Entsprechend kann ich, bezogen auf Deutschland und die EU, vorerst leider nur mit vorwiegend binär zu interpretierenden Zahlen aufwarten.
Die 21 %, von denen beim Equal Pay Day die Rede ist, sind die unbereinigte Lohnlücke, die sich ergibt, wenn man die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Männern* und Frauen* miteinander vergleicht. Die Daten stammen aus der Verdienststrukturerhebung des statistischen Bundesamtes, fortgeschrieben mit den Ergebnissen der Vierteljährlichen Verdiensterhebung. Seit 2006 liegt diesem Verfahren eine EU-weit einheitliche Methodik zugrunde.
Die unbereinigte Lohnlücke lag 2017 in der EU bei durchschnittlich 16 %. Dabei gingen die Zahlen von 25,6 % (Estland) bis 3,5 % (Rumänien).
Kritiker*innen sagen, dass bei der unbereinigten Lohnlücke nicht wirklich vergleichbare Werte miteinander verglichen werden, da hier Menschen aus unterschiedlichen Branchen, mit unterschiedlicher Ausbildung und Berufserfahrung, Teil- und Vollzeitbeschäftigte usw. miteinander in einen Topf geworfen und nur entlang der Variable Geschlecht verglichen werden.
Demgegenüber ist die bereinigte Lohnlücke, bei der derartige Faktoren mit einbezogen werden, erheblich kleiner. Es kommt nun wiederum auf die Methodik an, zu welchem Ergebnis man hierbei kommt. Dem statistischen Bundesamt zufolge sind rund drei Viertel des Verdienstunterschiedes strukturbedingt, und es gibt demnach den bereinigten Gender Pay Gap für das Jahr 2014 mit 6 % an.
Legt man eine andere Methodik zugrunde, d.h. bezieht man noch mehr Erklärungsfaktoren mit ein, kann man auch auf eine kleinere bereinigte Lohnlücke kommen, bis hin zu den berühmten 2 % des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ in Köln von 2013.
Allerdings sagen diese Zahlen allein nichts darüber aus, ob Diskriminierung im Spiel ist bzw. was eine wirklich gerechte Entlohnung wäre. So heißt es denn auch in einer Publikation der Hans-Böckler-Stiftung: „Vom Gender Pay Gap lässt sich nicht direkt auf das Ausmaß der Entgeltdiskriminierung schließen. Doch führt es in die Irre, wenn mittels statistischer Erklärungen die Entgeltlücke ,kleingerechnet‘ wird. Denn der Unterschied beim Stundenlohn existiert real. Der erklärte Anteil des Pay Gap ist keineswegs frei von Diskriminierungen, wie umgekehrt die bereinigte Lohnlücke nicht mit Entgeltdiskriminierung gleichzusetzen ist.“
Entsprechend ist mit diesen 21 % noch nicht „alles gesagt“, sondern der Tag ist ein Aufhänger für gesellschaftlich wichtige Diskussionen – über die Gründe der Entgelt-Ungleichheit, über Maßnahmen, die zu Veränderungen führen können, über unsere eigene Einstellung (etwa zum Wert der Arbeit) und auch über das, was bislang vielleicht nicht mitdiskutiert wurde, aber einbezogen werden sollte (beispielsweise die Auswirkungen auf nichtbinäre Menschen auch in Deutschland / der EU). Es schließt auch nicht aus, allgemein über Geld und Gerechtigkeit zu reden – was wer bekommt und bekommen sollte, einschließlich der Diskussion um staatliche Sozialleistungen und Modelle wie das bedingungslose Grundeinkommen.
Aus Platzgründen haben wir auf Fußnoten verzichtet. Die Autorin ist auf Nachfrage gern bereit, die Quellen der aufgeführten Schätzungen und Zahlen zu nennen.