Größer, bunter, ungehorsamer - am Aktionswochenende vor dem Start der COP 25 in Madrid zeigte das Bündnis Ende Gelände mit Fridays for Future wie gemeinsamer und basisdemokratischer Klimaaktivismus aussieht.
Die Kooperation führte zu vielfältigen Aktionsformen – mit einem gemeinsamen Ziel: Klimagerechtigkeit – und zwar schnell. Was die Proteste schon seit langem eint, ist die Empörung über die unzureichende Klimapolitik der Regierung. Mehr als 4.000 Aktivist*innen, folgten dem Aufruf: Freitag auf die Straße, Samstag in die Grube! Schulstreik am Freitag- Kohleinfrastruktur blockieren am Samstag! Das gehört jetzt endlich unteilbar zusammen – für den sofortigen Kohleausstieg und den Systemwandel. Ende Gelände hat gelernt, inklusiver zu denken; Fridays for Future hat gelernt, radikaler zu denken. „Raus aus der Kohle, rein in die Zukunft“ steht auf einem riesigen Banner im Tagebau und in der gemeinsamen Pressemitteilung. Die Klimaaktivist*innen blockierten Kohlegruben und Kohleinfrastruktur im Lausitzer und Leipziger Revier. Die Tagebaue Jänschwalde-Ost, Welzow-Süd und Vereinigtes Schleenhain, sowie drei Kohlebahnen, standen für mehrere Stunden still. Solidarisch zeigten sich auch Umweltverbände wie der BUND, Greenpeace Regio Ost und PowerShift, die vor dem Kraftwerk Jänschwalde demonstrierten.
Barrierefrei blockierte der bunte Finger die Schienen der Kohlebahn neben der Ortschaft Koppatz und zeigt damit:
Inklusion und Radikalität sind kein Widerspruch! Bereits zum zweiten Mal gab es im bunten Aktionsfinger von Ende Gelände für Menschen im Rollstuhl und alle, die nicht so gut weite Strecken laufen können, die Möglichkeit, effektiv Kohleinfrastruktur zu blockieren. Damit noch mehr Menschen ermächtigt werden, zivilen Ungehorsam gegen eine nicht mehr hinnehmbare Ungerechtigkeit zu leisten, braucht es mehr barrierefreie Blockaden und bei Ende Gelände wird dies mitgedacht und in die Tat umgesetzt.
Statt blinder Aktionismus Bürger*Innendialog und Solidarität
Unmittelbar vor der Aktion erwarteten die Aktivist*innen in der Lausitz ein schwieriges Gemengelage aus starker Mobilisierung von Kohlebefürworter*innen, angekündigten Gegendemonstrationen und rechter Hetze. Ein Gastkommentar des Vize LEAG Chef Toralf Smith in der Lausitzer Rundschau trieb den Gewaltdiskurs auf die Spitze. In dem Artikel spricht Smith wörtlich von einem „geplanten Überfall“ der „Krawall-Touristen“ auf die Lausitz. (Hass und Hetze – auch von Polizei – sollten Aktivist*innen abschrecken. Doch das Bündnis arbeitete mit antifaschistischen Gruppen zusammen und ist dadurch enger zusammengerückt. Denn: Die Cool Kidz von heute sind fürs Klima und gegen Hetze. Klimagerechtigkeit geht nur antifaschistisch und gemeinsam.) Das Bündnis Ende Gelände war sich dieser schwierigen Voraussetzungen der Aktion bewusst und ging im Vorfeld aktiv in den Dialog mit Menschen, die in den Kohlerevieren leben. Durch einen offenen Dialog mit der Kohle-Gewerkschaft IG BCE, einer Podiumsdiskussion in Cottbus, Briefkastenaktionen für Anwohner*innen und kritische Stellungnahmen ging Ende Gelände in den Diskurs. Entschieden stellten sie sich dabei gegen Kohlebefürworter*innen, wie beispielsweise Black out Lausitz und lokale Nazi-Gruppen. Auch prangerten sie die Zusammenarbeit der SPD Cottbus mit der AfD an. Umso solidarischer zeigten sie sich mit lokalen Anti-Kohle-Protesten. Der Protest richtete sich nicht gegen die Mitarbeiter*innen der Kohlekonzerne, denn auch sie haben das Recht auf einen zukunftsfähigen Arbeitsplatz. So hieß es auf einem Transparent auf der Blockade des bunten Fingers in Koppatz: „Für Arbeitsplätze ohne Umweltzerstörung“.
Das Aktionsbündnis kritisiert die Rechtsverstöße von Seiten der Polizei. Die Versuche der Polizei Brandenburg und Sachsen im Vorfeld der Aktion das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken und das Tragen von weißen Anzügen und Staubmasken als grundrechtsfeindlich zu verbieten scheiterten. In Sachsen wurden in drei Landkreisen Versammlungsverbot-Zonen ausgewiesen. Auch kam es im Verlauf der Aktion zu Polizeigewalt. Aktivist*innen wurden durch den Einsatz von Schlagstücken, Pfefferspray, Schlägen und Tritten sowie Schmerzgriffen durch die Polizei verletzt. Demosanitäter*innen mussten an verschiedenen Aktionsorten im Einsatz sein. Die Lausitz-Aktion war kein 1-Tages-Ausflug, sondern eine lang und umsichtig vorbereitete kollektive Selbstermächtigung gegen die Willkür von Konzernen, die frei über die Rohstoffe unserer Erde bestimmen und sich demokratischer Kontrolle entziehen. Diesem Missstand stellten sich die Menschen mit ihren Körpern in den Weg und zeigen damit: Die Zukunft liegt in unserer Hand.
Mit der Lausitz-Aktion schloss Ende Gelände ein widerständiges Jahr ab.
Vom 19. – 24. Juni 2019 trugen bereits über 6.000 Aktivist*innen in einer erfolgreichen Massenaktion zivilen Ungehorsams den Kampf um Klimagerechtigkeit in das rheinische Braunkohlerevier.
Dabei waren etwa 2.000 Menschen in der Grube des Tagebaus Garzweiler, so dass alle Bagger stillstanden.Mehrere hundert Aktivist*innen besetzten die Hambachbahn und die Nord-Süd Bahn, die das zweitgrößte Kraftwerk Europas Neurath mit Kohle beliefert. Für 45 Stunden wurde die Kohlezufuhr zum Kraftwerk Neurath blockiert. Der Auftakt für ein breiteres Bündnis war der globale Klimastreik #AlleFürsKlima am 20.9.2019. Weltweit legten Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft ihre Arbeit nieder und schlossen sich den Protesten der Schüler*innen an. Ziel war es, den reibungslosen Ablauf des Alltags zu unterbrechen, der die Klimakatastrophe täglich befeuert. No more business as usual! In Berlin und Bremen hieß es #UngehorsamFürAlle und #SitzenBleiben! in Hamburg. Es wurden an den Orten blockiert, an denen die Klimakrise täglich produziert wird: auf Straßen und Brücken, Häfen und Flughäfen, Innenstädte und Autobahnen. Damit indigene Stimmen mehr Gehör bekommen, wurde in Berlin solidarisch mit dem SOS Amazonia, die gegen die Regenwaldzerstörung kämpfen, gemeinsam gestreikt.
Klimagerechtigkeit und Antifaschismus gehören zusammen
Am ersten Mai versammelten sich Aktivist*innen in Erfurt und forderten klar: Keine Werbeflächen, kein Podium und keine Veranstaltungsräume, kurz #KeinRaumfürHetze! Damit bildeten sie einen solidarischen Gegenentwurf zur AfD, die ihre Hetze auf die Straße trug. Am 20. Juli setzten Ende Gelände in einem breiten Bündnis für Zivilcourage und gemeinsam mit der IL in Halle (Saale) ein Zeichen gegen die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“. Dort bremsten sie die rechtsextreme Gruppe. Die Identitäre Bewegung scheiterte am Protest.
Im nächsten Jahr wird es weitergehen. Vom 24. – 26. Januar werden sich die Klimaaktivist*innen zu einem Bündnistreffen in Bonn erneut treffen, um über Ziele, transformative Forderungen und Ausrichtung der Klimagerechtigkeitsbewegung zu diskutieren. Festzuhalten bleibt: 2020 wird ein wichtiges Jahr in der Klimagerechtigkeitsbewegung!
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.