Aktionszeitung A-Feminismus

Gemeinsam stärker organisieren in der ambulanten Pflege

Arbeitskämpfe sind erfolgreich

| Jay Parker

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Ein Notfalleinsatz in der ambulanten Pflege - Foto: Nils Wommelsdorf via flickr.com (https://www.flickr.com/photos/nilswommelsdorf/35999080144/in/photolist-XRLrBS-WR7GkA-XUv5WV-XUuR7k), (CC BY 2.0)

Die Pflege braucht eine Revolution und das so schnell wie möglich. Die Branche ist durch-monetarisiert und alle möglichen Leistungen durch-quantifiziert. Die Menschen, die in der ambulanten Pflege arbeiten, sind vorrangig weiblich und die Meisten arbeiten als Teilzeit-Beschäftigte. Aber nicht nur die Pfleger*innen leiden unter den Zuständen, sondern auch die Patient*innen, für die niemand Zeit hat und die zudem noch teuer für ihre Pflege bezahlen. Angemessene Bedingungen, die zusätzliche Arbeiter*innen in die Branche locken könnten, können nur durch eine angemessene Bezahlung, genügenden Freizeit-Ausgleich und einen viel geringeren Patient*innenschlüssel erreicht werden. Auch die Pflegevollversicherung ist eine weit entfernte Realität, die wir ins Jetzt holen müssen.

Die Situation wird sich in den nächsten Jahren noch weiter zuspitzen. Allein in Halle/Saale – der Stadt, in der ich nebenberuflich in der Pflege arbeite – wird sich der Anteil der zu Pflegenden bis 2030, laut einer Bertelsmann-Studie, noch erhöhen, bei einem gleichzeitig dramatischen Rückgang der Beschäftigung in Vollzeit. Die Bedingungen, unter denen Pflege heute wirtschaftlich verwertbar gemacht wird, müssen schnellstmöglich revolutioniert werden, um sie wieder zu einem Beruf zu machen, der verantwortungsvoll ausgeführt werden kann. Es reicht also nicht, an ein paar Stellschrauben zu drehen. Es braucht tiefgreifende Veränderungen und die müssen von unten kommen.

 

Organizing von unten

Hier könnten die Ansätze des Organizings der amerikanischen Gewerkschafterin Jane Mc Alevey eine Methode sein, um die Probleme am Arbeitsplatz zu bekämpfen. Ihre Methode zielt auf den Aufbau einer Gegenmacht in den Betrieben, die die Arbeiter*innen und ihre Möglichkeiten der Selbstorganisierung von unten in den Mittelpunkt stellt. Die aktuelle Situation lässt die systematische Unterwanderung von Mindeststandards, wie die Bezahlung von Überstunden, die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit oder Ansprüche wie angemessene Ausgleichsgewährungen als Utopien erscheinen. Die Pfleger*innen, die um diese Arbeitsstandards kämpfen müssten, sind ausgelaugt, kaputt und müde. Sie müssten sich in die Lage versetzten, die Ausbeutung zu stoppen, denn ohne Menschen, die in der Branche arbeiten, kann Pflege eben auch nicht gewährleistet werden. Nur gemeinsam kann die Belegschaft so viel Macht aufbauen, dass es für die Chefs schwer wird, sich dagegen noch zu wehren. Und das muss das vorderste Ziel sein – 100% Machtaufbau!

Die Situation war nie so günstig wie jetzt. Verstärkt wird sich organisiert und zunehmend über die Erfolge der Angestellten in Krankenhäusern berichtet. Dort wehrt sich das Pflegepersonal bereits z.B. mit der Methode des Bettenstreiks, bei welcher einfach keine Patient*innen mehr aufgenommen werden, wenn der Personalschlüssel überschritten wird. Der Organisationsgrad in der ambulanten Pflege ist jedoch bis heute laut ver.di
mit ca. 10 Prozent sehr gering. Und das obwohl auch dort die Arbeitsbedingungen katastrophal sind. Ein gezieltes Organizing in den Betrieben soll also von unten, durch die Betroffenen selbst, geschehen, um einerseits die Branche noch zu retten und um andererseits so den Patient*innen eine menschenwürdige Pflege zu sichern.

 

Bedingungen nicht mehr akzeptieren

Wir dürfen die Bedingungen nicht mehr akzeptieren. Die Freie Arbeiter*innen Union (FAU) in Halle konnte jüngst einen Erfolg in der Pflegebranche erreichen. Es ging um nicht gezahlte Nachtschichtzuschläge, sowie ausstehende Urlaubsentgelte für Mini- und Midijobber*innen. Als die Betroffenen die Forderungen aufstellten und nach ausbleibender Reaktion öffentlichkeitswirksame Aktionen begannen, drohte die Pflegefirma ihnen mit einer Einstweiligen Verfügung, um sie zum Schweigen zu bringen. Dieser Versuch der Einschüchterung scheiterte aber vor Gericht. Auch die Weigerung zu zahlen, half am Ende nicht, denn die Pflegefirma wurde gerichtlich dazu verurteilt. Der Zusammenschluss der Arbeiter*innen erwies sich als ein enormes Potential der Veränderung und half auch gegen die Einschüchterungsversuche. Zusammen sind die Arbeiter*innen stark!

Diese Erfahrung zu machen, war für die Arbeiter*innen ein sehr bedeutender Moment. Und es zeigt, dass es sich lohnt, gemeinsam zu kämpfen. Fangen wir also an und schließen wir uns zusammen. Denn nur so können wir unsere Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern.