das schlachten beenden

Gemeinsam gegen die Tierindustrie!

Tierschutz ist Klimaschutz

| Aktive vom Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“

Um Treibhausgase zu senken und Klimagerechtigkeit herzustellen, brauchen wir nicht nur die Energie- und Verkehrswende, sondern auch eine umfassende Agrarwende. Das Hauptproblem: die Tierproduktion. Tiere für die Erzeugung von Fleisch, Milch und Eiern zu halten und zu töten, verursacht nicht nur große Menge Treibhausgase, sondern hängt mit anderen Ungerechtigkeiten  zusammen. Das Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ plant daher ein Camp und eine Massenaktion gegen Deutschlands größten Geflügelkonzern.

Der Status Quo

Die Klimakrise ist das dringendste ökologische und soziale globale Problem der heutigen Zeit. Sie bedroht das Leben auf diesem Planeten. Im aktuellen Klima-Diskurs stehen hierzulande die Bereiche Energie und Verkehr im Fokus. Dabei spielen auch Landwirtschaft und Tierproduktion eine maßgebliche Rolle: Die Tierproduktion ist weltweit für ca. 16,5 % der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Sie verursacht den größten Teil der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft – das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sie über vier Fünftel der globalen landwirtschaftlichen Flächen beansprucht. Der Grund liegt u.a. darin, dass Tiere mehr Kalorien in Form von Pflanzen aufnehmen müssen, als wir nachher in Form von Fleisch, Milch und Eiern gewinnen. Um eine Kalorie tierischer Nahrung zu erzeugen, wird 2 bis 30mal so viel Fläche benötigt wie für die Produktion einer Kalorie aus Pflanzen.(1)

So werden Tropenwälder gerodet und Sümpfe und Moore trockengelegt, um dort Futtermittel anzubauen oder Rinder zu weiden. Beides setzt enorme Mengen an Treibhausgasen frei. Bei der Verdauung des Futters durch die Tiere und durch ihre Ausscheidungen entstehen zusätzliche Treibhausgase wie Methan, das besonders erwärmend wirkt.

Die Tierproduktion hat weitere ökologische Konsequenzen: Sie ist u.a. durch den großen Landverbrauch eine wesentliche Ursache des globalen Artensterbens. Und sie beeinträchtigt den Stickstoffkreislauf: Die Nährstoffe aus den Futtermitteln, die im Globalen Süden angebaut wurden, landen hierzulande auf den Feldern und sorgen für Nitrat- und Ammoniakbelastungen von Gewässern und Ökosystemen. Je mehr wir die Ökosysteme schädigen, desto schwerer wird es  mit den Folgen des Klimawandels umzugehen – eine Teufelsspirale.

Um effektiv gegen Klimakatastrophe und ökologische Krise vorzugehen, ist daher eine tiefgreifende Agrarwende weg von der Tierproduktion hin zu einem pflanzenbasierten Agrar- und Ernährungssystem ein wesentlicher Schritt. Dies drängt  nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Klimas: Die Tierproduktion ist, lokal wie global, eng verknüpft mit weiteren Ungerechtigkeiten.

Milliarden von Tieren leiden extrem in den Mast- und Schlachtfabriken: In elenden Haltungsbedingungen können sie so gut wie keine ihrer natürlichen Verhaltensweisen ausleben. Auf bestimmte Leistungen gezüchtet, ziehen sie sich Krankheiten zu und verletzen sich in den übervollen Ställen gegenseitig. Man transportiert sie teilweise durch die ganze Welt. Undercover-Recherchen belegen immer wieder krasse Gewalt und Grausamkeit in der Tierproduktion.

Die Tierindustrie befeuert darüber hinaus globale Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen. Im Globalen Süden werden Indigene und Kleinbäuer*innen durch die aggressive Expansion der Produzenten von Futtermitteln ihrer Lebensgrundlage beraubt und durch Pestizide gesundheitlich gefährdet. Im lukrativen Geschäft mit Fleisch werden lokale Märkte zerstört und lokale Produzent*innen günstiger, regionaler überwiegend pflanzlicher Nahrung vom globalen Fleischkapital verdrängt, welches sich immer mehr Böden als Weideland oder zum Futtermittelanbau aneignet. Extreme Arbeitsbedingungen und ungebremste Ausbeutung kennzeichnen in der globalen Landwirtschaft sowohl die Pflanzen- wie auch die Tierproduktion.

Wichtig zu sehen ist aber auch: Für viele Kleinbäuer*innen leistet die Tierhaltung einen bedeutenden Beitrag zur Selbstversorgung. Die Agrarwende muss also sowohl effektiven Klima- und Umweltschutz ermöglichen als auch soziale Gerechtigkeit sicherstellen. Dazu ist es unvermeidbar, die Agrarkonzerne zu entmachten und lokale Strukturen zu stärken. Das Ziel heißt Ernährungssouveränität. Ohne diese kann es keine Klimagerechtigkeit geben. Und die Menschen, die von der Agrarwende und den nicht abwendbaren Folgen des Klimawandels stark betroffen sind, müssen  solidarisch unterstützt werden.

 

Die deutsche Tierindustrie

 Auch bezogen auf Deutschland ist die Tierproduktion ein bedeutender Klimafaktor: im Jahr 2010 trug sie 88 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 9% zu den deutschen Treibhausgasemissionen bei, Tendenz steigend.(2) 70% der deutschen landwirtschaftlichen Produktion (in Getreideeinheiten) fließt in die Erzeugung von Fleisch, Milch und Eiern. Der Sektor beansprucht über 50% der inländischen landwirtschaftlichen Fläche als Futterfläche. Ein Viertel der insgesamt verfütterten Proteine werden zusätzlich importiert.(3) (alle Angaben für 2013 entsprechend BMEL).

Hierzulande dominieren große Konzerne die Branche, darunter die Tönnies Holding, Vion Food, Westfleisch und die PHW-Gruppe. Sie scheffeln jährlich Milliarden und verzeichnen immer weiter Wachstumsraten. Ihr „Erfolgsmodell“ basiert auf einer hohen räumlichen Konzentration der Betriebe, einer extremen Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Tiere, Zerstörung der Umwelt und der neokolonialen Ausbeutung des globalen Südens für Futtermitteln.

Die Bundesrepublik Deutschland wird nicht ohne Grund das „Schlachthaus Europas“ genannt: Sie ist der drittgrößte Fleischexporteur weltweit und der größte in Europa.

Nichts deutet darauf hin, dass es von staatlicher Seite den Wunsch gibt, irgendetwas daran zu ändern. Nur die allernötigsten Korrekturen werden vorgenommen, und dies erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht – siehe Düngemittelverordnung. Die Landwirtschaft wird aus der offiziellen Klimadebatte weitgehend herausgenommen und das strukturelle Problem der Tierproduktion als dominantem Geschäftsmodell wird nicht infrage gestellt. Zur gleichen Zeit werden die Subventionen für die Tierindustrie gesteigert.

 

Klimagerechtigkeit braucht die Abschaffung der Tierindustrie

Aus Klimagründen reicht es nicht, die Tierindustrie zu reformieren – wir müssen sie abschaffen. Würde die gesamte Tierproduktion in Deutschland zurück gebaut, könnten Emissionen von knapp 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten vermieden werden. Allerdings müssten entsprechend mehr pflanzliche Nahrungsmittel produziert werden. Unter der Annahme, dass pflanzliches Protein im Vergleich zu tierischem Protein 1/4 der Emissionen verursacht (dies ist eine grobe Schätzung)(4), würden durch die Produktion zusätzlicher pflanzlicher Nahrung Emissionen im Umfang von 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten entstehen, so dass der Netto-Einspareffekt 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente betragen würde. Hinzu kommt, dass wir die freiwerdenden Flächen nutzen könnten, um zusätzlich Kohlenstoff einzulagern. Wenn wir Moore wieder vernässen und ehemalige Weideflächen aufforsten, bedeutet das negative Emissionen in großem Ausmaß.(5) Auf diese Weise könnten wir über eine veränderte Landnutzung sogar Emissionen anderer Sektoren ausgleichen – ein wichtiger Baustein für die Klimaneutralität.

Mit der Abschaffung der Tierindustrie muss eine umfassende Agrarwende einhergehen, denn auch abseits der Tierindustrie ist die Landwirtschaft nicht auf die Klimakrise vorbereitet. Wichtig sind zum Beispiel Maßnahmen gegen Bodenerosion und für den Humusaufbau sowie Förderungen von Agroforstsystemen und bio-veganer Landwirtschaft.

Nicht zuletzt zeigen die gegenwärtigen Bauernproteste, etwa unter dem Motto „Land schafft Verbindung“, dass die Bäuer*innen eingebunden werden müssen bei der Gestaltung der Agrarwende. Der Druck auf die Höfe abseits der Großbetriebe ist erdrückend, so dass praxistaugliche Lösungen gefordert sind.

Damit steht auch eine Transformation unserer Ernährungssystems auf der Tagesordnung. Der Verzehr von Tierprodukten besitzt aktuell einen hohen kulturellen Stellenwert. Die Reduktion und der Verzicht werden als Einschränkung individueller Freiheit erlebt. Daher muss die Transformation mit Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen einhergehen. Die Bereitstellung guter und bezahlbarer Alternativen ist unabdingbar.

 

Aktionen gegen die Tierindustrie

Indigene „Frontline Communities“ aus dem globalen Süden kämpfen bereits seit Jahrzehnten gegen die zerstörerischen Praktiken der Tierindustrie. Und auch hierzulande artikuliert sich ein breitgefächerter Widerstand, getragen von unterschiedlichen Akteur*innen, angefangen von Bürgerinitiativen gegen Mast- und Schlachtanlagen hin zu Aktionen zivilen Ungehorsams aus anarchistischen und anderen linken Milieus, seit einigen Jahren vereinzelt auch aus der Klimabewegung heraus.

Seit letztem Jahr gibt es mit dem Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ eine große Mobilisierung. Das Bündnis ist ein breiter Zusammenschluss aus verschiedenen Bewegungen und politischen Spektren:

– der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung, die gegen die Tierindustrie sowie alle anderen Formen der Tierausbeutung und für ein Ende der Abwertung nicht-menschlicher Tiere kämpft;

– der Klimaschutz- und Klimagerechtigkeitsbewegung, die die Tierindustrie aufgrund der enormen Klimaschädlichkeit kritisiert, und einen solidarischen Umgang mit den weltweiten Folgen des Klimawandels fordert;

– der Umweltschutzbewegung, die gegen die vielfältigen, umweltschädlichen Auswirkungen der Tierindustrie und für eine ökologische Landwirtschaft kämpft;

– von Arbeitsrechtsinitiativen, die gegen miserable Arbeitsbedingungen und Ausbeutung in der Tierindustrie und für die Stärkung der Rechte von Arbeiter*innen, gerade auch von Migrant*innen, kämpfen;

– von Bürger*inneninitiativen, die vor Ort gegen den Bau und die Erweiterung von Tierindustrieanlagen kämpfen.

Das Bündnis hat sich im Rahmen einer bewegungsübergreifenden Aktionskonferenz im Juli 2019 gegründet und organisiert sich basisdemokratisch. Gemeinsam fordern die verschiedenen Gruppen die Abschaffung der Tierindustrie – und respektieren dabei, dass ihre Beweggründe dafür nicht in allen Punkten identisch sind.

Das Bündnis plant ein Protestcamp und eine Massenaktion gegen die PHW-Gruppe. PHW mit den Marken Wiesenhof, Bruzzzler und Co. beherrscht das Geschäft mit Geflügelfleisch in Deutschland und hat einen großen Einfluss auf die gesamte Tierindustrie. Die wichtigsten Standorte betreibt PHW in Rechterfeld in Niedersachsen: die Hauptzentrale, eine zentrale Brüterei, ein Futtermittelwerk sowie mehrere Mastanlagen. Genau dort soll das Camp stattfinden.

Das Camp ist geplant als ein Ort des Kennenlernens, der Vernetzung, des Austausches und der Weiterbildung. Dabei werden Menschen aus der Bewegung eingeladen, Impulse zu geben; gleichzeitig kommen insbesondere Betroffene der Tierindustrie sowie Referent*innen aus der Wissenschaft zu Wort. Es sind vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten geplant: von Kleingruppenangeboten über Workshops und Vorträge bis hin zu Podiumsdiskussionen.

Eine Massenaktion zivilen Ungehorsams wird den Schwerpunkt der Aktionen bilden. Das erklärte Ziel ist es, zentrale Teile des Betriebs von PHW über mehrere Tage hinweg zu stören. Darüber hinaus wird eine Aktionskarte vorbereitet, so dass Kleingruppen auch unabhängig von der Massenaktion eigenständig weitere Aktionen durchführen können.

Mit den Aktionen will das Bündnis die Forderung nach einer Abschaffung der Tierindustrie verdeutlichen und ganz konkret einen Beitrag dazu leisten. Mit Bezug auf PHW fordern sie die Enteignung der Anlagen und deren Umstellung in ökologisch verträgliche und solidarische Pflanzenproduktionsstätten unter der Selbstverwaltung der Arbeiter*innen. Darüber hinaus fordern sie einen Baustopp aller Tierproduktionsanlagen in Deutschland, einen sofortigen Stopp der Futtermittelimporte aus dem globalen Süden sowie ein umfassendes Strukturwandelprogramm für bislang stark von der Tierindustrie dominierte Regionen.

Als Termin für das Aktionscamp war der 13. bis 20. Juni geplant. Aufgrund des Corona-Virus muss es verschoben werden und wird, wenn nichts dagegen spricht, im nächsten Jahr stattfinden. In 2020 plant das Bündnis auf andere Weise weiterhin gegen die Tierindustrie aktiv sein. Aktuelle Informationen sind auf der Website https://gemeinsam-gegen-die-tierindustrie.org zu finden.

(1) GLEAM/FAO: gleam.io http://www.fao.org/gleam/en/, Referenzjahr 2010, Modellauswertung (mit Standard-Parametern) für die gesamte Welt vom 22.10.2019.

(2) GLEAM/FAO: gleam.io http://www.fao.org/gleam/en/, Referenzjahr 2010, Modellauswertung (mit Standard-Parametern) für Deutschland vom 22.10.2019.

(3) BMEL. Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2015.

(4) Nijdam, Durk, Trudy Rood, Henk Westhoek. „The price of protein: Review of land use and carbon footprints from life cycle assessments of animal food products and their substitutes“. Food Policy. 2012, vol 37, p. 760--770.

(5) Vgl. https://theecologist.org/2019/apr/17/converting-animal-farmland-forest

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.