Am 8. Mai, dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, „ehrt“ die Stadt Kalkar (NRW) weiterhin die Kriegstoten mit einem Hitlerzitat auf der Rückseite des Nazi-Kriegerdenkmal von 1936, gewidmet „unseren helden 1914–1918“, Anfang der 1980er Jahre erweitert durch die Jahreszahlen „1939–1945“. Eine Verhöhnung der Opfer und Glorifizierung des verbrecherischen, rassistischen Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht. Angesichts um sich greifender rassistischer Hetze, Gewalttaten und rechtsterroristischer Morde ist die öffentliche Zurschaustellung von Nazi-Propaganda, auch in Form eines Kriegerdenkmals, unverantwortlich, skandalös und kriminell.
Nachdem im Oktober 2014 der Historiker Dr. Hans Hesse die Kalkarer Verwaltung darauf hingewiesen hatte, dass es sich bei der eingemeißelten Inschrift auf der Rückseite des Nazi-Denkmals um ein Zitat aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ handele, hat sich der Kalkarer Stadtrat 2015 und 2016 mit der Frage beschäftigt, was denn nun mit diesem Nazi-Monument zu geschehen habe. Eine Tafel mit historischer Einordnung und klarer Distanzierung von der Aussage solle aufgestellt werden. Passiert war aber nichts – bis zum 27. Juli 2019.
In den Morgenstunden dieses Tages hatte ich begonnen, das Nazi-Monument künstlerisch zu einem Friedensmahnmal umzugestalten. Ein Polizeieinsatz verhinderte jedoch die Beendigung der Kunstaktion. Das Nazi-Denkmal wurde noch am gleichen Tag auf Anweisung der Kalkarer Bürgermeisterin „gereinigt“ und gegen mich eine Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gestellt. Erfreulicherweise hatten direkt am nächsten Tag unbekannte Menschen dieses Monstrum wieder mit Friedensbotschaften versehen. Auch diese hatte die Stadt Kalkar im Herbst letzten Jahres wieder entfernen lassen. Doch durch die „inoffiziellen“ Umgestaltungsaktionen und die Resonanz in den Medien kam der Umgang mit dem Nazi-Denkmal wieder in die Öffentlichkeit und geriet zur Peinlichkeit für die Stadt Kalkar.
In der Ratssitzung am 26. September letzten Jahres wurde dann nichts anderes beschlossen, als schon drei Jahre zuvor: Eine irgendwie erklärende Tafel mit eindeutiger Distanzierung solle jetzt aber wirklich aufgestellt werden. Trotz einer Verlautbarung der Stadt Kalkar auf eine Presseanfrage von Anfang März diesen Jahres, dass man nun an dem Text der beschlossenen Tafel arbeite, die nun im Frühjahr aufgestellt werden solle, stand die in Stein gehauene Nazi-Propaganda noch am 8. Mai unkommentiert in Kalkars öffentlicher Parkanlage.
Allerdings nur bis in die frühen Morgenstunden des darauf folgenden Tages. Mit einigen Spraydosen und vorbereiteten Schablonen begann ich im ersten Dämmerlicht des 9. Mai das Nazi-Monument wieder zu einem Friedensmahnmal umzugestalten. Auf dem eingemeißelten Hitlerzitat „Mögen Jahrtausende vergehen, man wird nie von Heldentum reden können, ohne des deutschen Soldaten im Weltkrieg zu gedenken“ prangt nun ein rot durchgestrichener Totenschädel mit Hitlerfrisur und -bart. Rechts und links davon der auffordernde Schriftzug: „weg damit“.
Auf der Vorderseite habe ich den Korpus des gewaltigen Reichsadlers in pink eingefärbt, vom geliebten martialischen Symbol für alle extremen Rechten zu einer lächerlichen Figur. Auf dem linken Flügel ist nun eine Symbolbild des Pazifismus zu sehen: ein Stahlhelm als Blumentopf, aus dem eine Blume wächst. Den rechten Flügel ziert das Kalkarer Stadtwappen, dessen schildförmiges weißes Feld in der Mitte von mir eine bildliche antifaschistische (dringend benötigte) Ergänzung bekam. Angelehnt an den Schwur der befreiten KZ-Häftlinge von Buchenwald sprühte ich auf das Schwert: nie wieder krieg, und darunter: nie wieder nazis. Wie schon bei meiner letzten Umgestaltung prangt nun wieder ein riesiges Peace-Zeichen auf dem quaderförmigen Sockel, eingerahmt von dem zeitlos aktuellem Motto der amerikanischen Friedensbewegung seit den 60er Jahren: make love not war!
Ich war gerade fertig und brauchte diesmal kein unvollendetes Werk zu hinterlassen, als die Staatsmacht in Form von zwei höflichen Polizistinnen erschien. Natürlich folgte dann auch eine weitere Anzeige wegen Sachbeschädigung, schließlich war es ihr Job, und für mich ein kalkuliertes Risiko.
Kleve, den 10. 5. 2020
Wilfried Porwol