die waffen nieder

„Widerstand gegen den Krieg – Kriegsdienste verweigern!“

100 Jahre WRI (1921 – 2021)

| Gernot Lennert

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Bildquelle: Anarchismus.at

Die 1921 in den Niederlanden gegründete War Resisters‘ International (WRI) feiert bald ihren 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass veröffentlicht die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen e.V. (IDK) – eine deutsche Sektion der WRI – im März ein Heft mit Beiträgen zur Geschichte des gewaltfreien Antimilitarismus und Pazifismus. Vorab drucken wir einen Artikel Gernot Lennerts aus diesem Heft, der an die jüngere Geschichte der WRI erinnert. Außerdem berichtet er über die Erweiterung der Organisation in den letzten Jahrzehnten und ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte. Die GWR ist seit 1973 assoziiertes Mitglied der WRI. (GWR-Red.)

In den 1980er Jahren prägten oft mitgliederstarke Sektionen in Westeuropa und den USA sowie die Mitglieder aus Indien mit seiner gandhianischen Tradition der Gewaltfreiheit die WRI. Seit den 1990er Jahren hat sich die WRI deutlich über ihren vorherigen nordatlantischen geographischen Schwerpunkt hinaus erweitert. Heute sind im Netzwerk der WRI Gruppen, Organisationen und Individuen aus allen bewohnten Erdteilen aktiv – zusammen mehr als 90 Sektionen und assoziierte Mitglieder in 48 Ländern.

Globalisierung der WRI

Der Zerfall des sowjetischen Imperiums ermöglichte ab Ende der 1980er Jahre pazifistische Organisationen in Polen und Ungarn. Auch in Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten entstanden mit der WRI verbundene Friedensgruppen. Die jugoslawischen Auflösungskriege waren in den 1990ern ein Schwerpunkt für die WRI insgesamt. Die WRI warnte schon früh vor dem drohenden Krieg ums Kosovo und unterstützte im Kosovo mit dem Balkan Peace Team kosovarische Gruppen, die eine gewaltfreie Konfliktlösung anstrebten. Wie so oft hörte man nicht auf pazifistische Warnungen vor dem offensichtlich drohenden Krieg.
Ein US-amerikanischer Pazifist, der im Korea-Krieg den Kriegsdienst verweigert hatte, berichtete mir, dass man ihm einst bei einer Europareise erzählt habe, dass die Kriegsdienstverweigerung etwas für angelsächsische Länder sei, aber niemals anderswo, schon gar nicht in romanischen Ländern größeren Anklang finden könne. Die Entwicklung von Pazifismus und Kriegsdienstverweigerung in Frankreich und Italien und später besonders eindrucksvoll in Spanien widerlegten diesen kulturellen Determinismus. In den 1980ern belehrten mich Aktive der deutschen Lateinamerika-Solidaritätsbewegung, dass Gewaltfreiheit und Kriegsdienstverweigerung eurozentrische Konzepte seien, für die sich in Lateinamerika niemand interessiere. Dort müsse man wählen zwischen der revolutionären Guerrilla und dem US-Imperialismus. Doch Gewaltfreie aus Lateinamerika waren schon in den 1980ern bei WRI-Konferenzen anzutreffen, und seit den 1990ern entstanden in mehreren hispano-amerikanischen Ländern dynamische antimilitaristische Gruppen. Die WRI ist seitdem außerhalb von Europa, Nordamerika und Indien auch in Lateinamerika stark verankert. Das seit den 1990ern gewachsene Gewicht der spanischsprachigen Welt in der WRI zeigt sich besonders deutlich darin, dass Spanisch intern und extern zur zweiten Arbeitssprache der WRI avanciert ist. Bei WRI-Treffen in Europa waren früher Englisch, Französisch, Deutsch und die Sprache des Gastlandes die Standardkonferenzsprachen. In den 2010er Jahren wurde Spanisch auch bei Konferenzen in Indien und Südafrika angeboten, Französisch und Deutsch nicht mehr.
Bindungen der WRI nach Südafrika entstanden in den 1980er Jahren aus der Solidarität mit der südafrikanischen End Conscription Campaign. Es entwickelten sich auch Kontakte in andere afrikanische Länder. 1996 fand das International Conscientious Objectors‘ Meeting (ICOM) im Tschad statt. Die WRI-Konferenz in Kapstadt 2014 erweiterte und vertiefte die Kontakte in Afrika. Die WRI arbeitet eng mit eritreischen Gruppen im Exil zusammen. Die brutale Diktatur in Eritrea, die junge Männer und Frauen zum unbefristeten Militärdienst zwingt, erlaubt keine antimilitaristische und menschenrechtspolitische Arbeit im Land selbst. Hier geht es noch mehr als in anderen Ländern darum, die Entwicklung von außen zu beeinflussen. Anfang der 1990er Jahre entstand in der Türkei eine höchst aktive, mit der WRI eng verbundene Bewegung für Pazifismus, Gewaltfreiheit und Kriegsdienstverweigerung – erstmals in einem muslimisch geprägten Land. Während in westlichen Ländern der christliche Beitrag zur Geschichte des Pazifismus sehr bedeutsam war und ist, ist die türkische antimilitaristische Bewegung eindeutig säkular, auch wenn es in der Türkei mindestens einen islamistisch argumentierenden Verweigerer gegeben hat. Auch die seit 2010 entstandene Kriegsdienstverweigerungs-Bewegung in Ägypten ist säkular geprägt.
In Israel war es noch in den 1990er Jahren schwer, über Einzelpersonen hinaus Pazifisten zu finden, die Militär und Kriegsdienst insgesamt ablehnten. Typisch waren Verweigerer, die den Dienst in den besetzten Gebieten verweigerten, aber ansonsten bereit waren, Israel militärisch zu verteidigen, und sich nicht zum Pazifismus der WRI bekennen konnten. Heute verweigern in Israel zahlreiche junge Frauen und Männer den Militärdienst insgesamt, und israelische Pazifist*innen sind heute in der WRI stark vertreten. Mit World Without War (Welt ohne Krieg) hat die WRI seit Anfang der 2000er Jahre erstmals eine sehr aktive und lebendige Mitgliedsorganisation in Südkorea, die schon zweimal Gastgeber von WRI-Ratstreffen war. Auch in Nepal und Georgien kamen neue Mitglieder hinzu.
Während sich die Aktiven der WRI einst zu WRI-Dreijahreskonferenzen und -Ratstreffen in der Regel in Westeuropa trafen und nur gelegentlich in den USA und 1985 einmal in Indien, kamen in den 1990er Jahren auch Konferenzen anderswo zustande: 1992 WRI-Frauenkonferenz in Thailand, 1994 WRI-Dreijahreskonferenz in Brasilien, 2001 die WRI-Konferenz zu Gewaltfreiheit und gesellschaftlichem Empowerment in Indien. In den 2010er Jahren fanden alle WRI-Konferenzen außerhalb des nordatlantischen Raums statt: 2010 in Indien, 2014 in Südafrika und 2019 in Kolumbien. Hinzu kam ein Treffen des WRI-Rats 2015 in Südkorea.
Während die WRI sich über ihre Globalisierung freuen kann, ist ihr einstiger europäischer Kern erheblich geschrumpft. In den 1970er, 1980er und 1990er Jahren waren ihre damals noch mitgliederstarken westeuropäischen Sektionen jugendlich geprägt. In den 1990er Jahren dachten viele in Europa, dass angesichts des Endes des Ost-West-Konflikts Friedensarbeit nicht mehr nötig sei. Aktive der Friedensbewegung zogen sich zurück, und politisch engagierte junge Menschen bevorzugten andere Politikfelder als Friedenspolitik. Die Friedensbewegung insgesamt und damit auch die WRI-Mitgliedsorganisationen begannen zu schrumpfen und zu überaltern, was sich mit einiger Verspätung auch auf die WRI auswirkte. In den 2010er Jahren war die Überalterung einst wichtiger europäischer Sektionen unübersehbar geworden.
Auch in anderer Hinsicht ist die WRI nicht mehr eurozentrisch: Um Aktivitäten zu und in Lateinamerika und Afrika zu entwickeln und zu koordinieren, richtete die WRI transnationale Arbeitsgruppen zu Lateinamerika und Afrika ein. Koordiniert wurden sie primär von Aktiven in Belgien und in den USA. Die Zeiten, in denen Europäer WRI-Aktivitäten anderswo koordinierten, sind vorbei: Heute gibt es das höchst aktive Red Antimilitarista de América Latina y el Caribe (RAMALC, Antimilitaristisches Netz von Lateinamerika und der Karibik) mit Mitgliedsgruppen und Kontakten in mehr als acht iberoamerikanischen Ländern. An die Stelle der Afrika-AG der WRI trat das Pan-African Nonviolence and Peacebuilding Network (PANPEN), das maßgeblich an der Vorbereitung der WRI-Konferenz in Kapstadt 2014 beteiligt war.
Angesichts der Globalisierung der WRI sollten nicht die Länder und Weltregionen ohne Aktivitäten und Mitgliedsorganisationen der WRI übersehen werden. In China ist die WRI nicht sichtbar, noch nicht einmal auf Taiwan und in Hong Kong. Auch im islamischen Raum ist sie schwach vertreten. Eine Ausnahme ist die starke Verankerung in der Türkei, und es gab immer wieder Kontakte zu palästinensischen Friedensbewegten. Dass es nicht so bleiben muss, zeigt die Bewegung gegen den Militärdienstzwang, die sich erstmals in einem arabischsprechenden Land ab 2010 in Ägypten herausgebildet hat, und neuerdings gibt es mit der WRI verbundene gewaltfreie Aktive unter Geflüchteten aus der Westsahara.

Die WRI unterstützt alle, die den Militärdienst verweigern, unabhängig davon, ob sie bereit sind, einen Militärersatzdienst zu leisten. Ob ein Ersatzdienst zu befürworten sei, war in der WRI jahrzehntelang umstritten. Auf der einen Seite standen diejenigen, die den Kriegsdienst insgesamt ablehnen und den Ersatzdienst sowohl als kriegsunterstützend als auch als freiheitsberaubend verurteilen. Auf der anderen Seite standen diejenigen, die einen zivilen Friedensdienst als positives Ziel an sich anstreben und einen Zwangsdienst nicht als Freiheitsberaubung und Menschenrechtsverletzung begreifen.

Erfolge sind reversibel. Die in den 1990er Jahre aktiven Sektionen in Polen und Ungarn existieren nicht mehr. Bis vor wenigen Jahren gab es außerhalb Südosteuropas in Ostmitteleuropa und Osteuropa keinerlei WRI-Mitgliedsorganisationen. Doch nun kann sich die WRI über eine Sektion in der Ukraine und eine assoziierte Mitgliedsgruppe in Tschechien freuen. In Russland ist es der WRI bisher trotz gelegentlicher Kontakte zu dortigen antimilitaristischen Personen und Gruppen nicht gelungen, sich zu verankern.

Schwerpunktthemen der WRI heute

Aus der ambitionierten Grundsatzerklärung der WRI, die sich die Beseitigung von Krieg und Kriegsursachen zum Ziel gesetzt hat, und aus der thematischen und ideologischen Diversität ihrer Mitglieder ergeben sich viele Arbeitsfelder. Wesentlich für die WRI ist der eigene aktive Widerstand gegen Krieg, sei es durch gewaltfreie Aktionen, sei es durch die Kriegsdienstverweigerung. Ein Großteil der Friedensarbeit, auch die der WRI und ihrer Mitglieder, besteht darin zu versuchen, vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit die Politik von Staaten und internationalen Organisationen pazifistisch und antimilitaristisch zu beeinflussen. Sowohl die gewaltfreie direkte Aktion als auch die Kriegsdienstverweigerung weisen darüber hinaus.

Gewaltfreiheit und gewaltfreie Aktionen

Gewaltfreie Aktion gegen Krieg und gegen die Ursachen von Krieg und Gewalt ist ein wichtiges Element in der Weltanschauung und in der Praxis der WRI. Speziell dazu hat die WRI ein Programm geschaffen, das von einem Mitarbeiter im WRI-Büro in London koordiniert wird. Abgesehen von zahlreichen Einzelaktionen im weltweiten Netz der WRI werden im Rahmen des Programms Trainings für gewaltfreie direkte Aktionen angeboten und Ressourcen entwickelt, darunter als jüngeres Beispiel das 2014 in zweiter Auflage veröffentlichte und mittlerweile in mehr als zehn Sprachen, auch auf Deutsch, erhältliche Handbuch für Gewaltfreie Kampagnen.
Aktionen gegen Rüstung und Rüstungsindustrie und gegen Institutionen, die ökonomisch von Kriegen profitieren, nehmen einen breiten Raum in der Arbeit der WRI und ihrer Mitglieder ein und finden weltweit statt. Dazu publiziert die WRI die War Profiteers‘ News. Die WRI vernetzt und koordiniert weltweit Kampagnen gegen Waffenhandel sowie Aktionen gegen Rüstungsfirmen und Waffenmessen. WRI-Ratstreffen sind auch schon mit Aktionen gegen Rüstungsmessen kombiniert worden.
Das Europäische Antimilitaristische Netzwerk (European Antimilitarist Network) der WRI organisiert und koordiniert in Europa transnationale Aktionen gegen Militärmanöver, gegen Waffenfabriken und Militärstützpunkte unter dem Motto Krieg beginnt hier, das auch von anderen Gruppen außerhalb der WRI übernommen wurde.

Unterstützung gewaltfreier Kämpfe

Über die für Friedensorganisationen typischen Kampagnen für Abrüstung, gegen Militär, gegen Kriege und gegen Waffenhandel hinaus unterstützt die WRI gewaltfreie Kämpfe um Selbstbestimmung. Während sich diese früher gegen europäische Kolonialmächte und das südafrikanische Apartheid-Regime richteten, ging es später vermehrt um Fremdherrschaft durch nicht-europäische Staaten. In den 1990ern engagierte sich die WRI für die Selbstbestimmung Ost-Timors angesichts der Besetzung durch Indonesien. Das damals etablierte Netzwerk unterstützt nun den gewaltfreien Kampf in Westpapua gegen die indonesische Fremdherrschaft, wo es mit Pasifika auch eine Mitgliedsorganisation gibt. 2019 wurde mit dem Ambazonian Prisoners of Conscience Support Network eine Gruppe aufgenommen, die die Unabhängigkeit des englischsprachigen Teils von Kamerun anstrebt. Auch Gewaltfreie aus der Westsahara finden Rückhalt bei der WRI.

Kriegsdienstverweigerung

Die persönliche Weigerung, sich an Kriegen zu beteiligen, ist ein Kernanliegen der WRI. Die Grundsatzerklärung der WRI beinhaltet den Aufruf, Dienst in jeglichem Militär zu verweigern. Damit unterscheidet sie sich von den Teilen der Friedensbewegung, die sich gegen Krieg und Rüstung engagieren, die jedoch die Kriegsdienstverweigerung weitgehend ignorieren oder den Militärdienstzwang befürworten, wenn er von politisch sympathischen Staaten und Armeen ausgeht.
Die WRI unterstützt alle, die den Militärdienst verweigern, unabhängig davon, ob sie bereit sind, einen Militärersatzdienst zu leisten. Ob ein Ersatzdienst zu befürworten sei, war in der WRI jahrzehntelang umstritten. Auf der einen Seite standen diejenigen, die den Kriegsdienst insgesamt ablehnen und den Ersatzdienst sowohl als kriegsunterstützend als auch als freiheitsberaubend verurteilen. Auf der anderen Seite standen diejenigen, die einen zivilen Friedensdienst als positives Ziel an sich anstreben und einen Zwangsdienst nicht als Freiheitsberaubung und Menschenrechtsverletzung begreifen. Denjenigen, die jeglichen Kriegs- und Zwangsdienst verwerfen, geht es nicht darum, die übergroße Mehrheit der Verweigerer zu verurteilen, die notgedrungen den Ersatzdienst über sich ergehen lassen, um Gefängnis oder Schlimmerem zu entgehen. Auch unter denjenigen, die den Kriegsdienstzwang in jeder Form ablehnen, waren und sind nur wenige so konsequent, alle Dienste total zu verweigern und Strafverfolgung und Gefängnis in Kauf zu nehmen. Der Streitpunkt ist, ob ein Zwangsdienst als friedensfördernd und menschenrechtlich akzeptabel gelten kann. Die Zwangsdienstideologie, dass jeder Mann einen Zwangsdienst zu leisten habe, wenn nicht für den Krieg, dann für den Frieden, war in Kontinentaleuropa und vor allem unter sozialdemokratisch, marxistisch-leninistisch und kirchlich orientierten Aktiven der Friedensbewegung stark verankert, gerade in Deutschland. Für die dort in den 1970er Jahren aufkeimende Bewegung für die totale Kriegsdienstverweigerung bot die WRI einen wichtigen Rückhalt. Denn die Mehrheit sowohl in der deutschen Friedensbewegung als auch in der DFG-VK befürwortete den Zivildienst und den Dienstzwang, wollte ihn lediglich in Richtung eines „echten Friedensdienstes“ verbessern. In der WRI überwog damals die Ablehnung von Militärersatzdiensten, nicht zuletzt auch weil sich in den englischsprachigen Ländern die kollektivistische, staatsvergötternde kontinentaleuropäische Zwangsdienstideologie nie durchsetzen konnte und das Bewusstsein dafür, dass ein Zwangsdienst immer ein gravierender Eingriff in die individuelle Freiheit darstellt, wach geblieben war.
In Spanien war nach dem Tod Francos offen, wie der Militärdienstzwang mit dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung vereinbart werden sollte. In der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung verweigerten Tausende von insumisos (die sich nicht Unterwerfenden) den Kriegsdienst total, noch bevor der spanische Staat einen Zivildienst rechtlich und ideologisch etablieren konnte. Ein ziviler Ersatzdienst galt den insumisos als ein fauler Kompromiss mit Staat und Militär. Das Modell Deutschland mit dem weltweit höchsten Anteil an Zivildienstleistenden schreckte sie ab. Stattdessen wollten sie das Funktionieren des Militärs wirksam stören und füllten bewusst die Kasernen und Militärgefängnisse mit Gefangenen. Anfang und Mitte der 1990er waren jeweils gleichzeitig Hunderte von insumisos inhaftiert. Die mit anderen sozialen Bewegungen eng verbundene Bewegung der insumisión in Spanien wurde die weltweit radikalste und größte Kriegsdienstverweigerungsbewegung, auch mit Ausstrahlung nach Lateinamerika. Während anderswo in Europa der Kriegsdienstzwang aus militärstrategischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen abgeschafft oder ausgesetzt wurde, wobei der Beitrag der Friedensbewegung dazu minimal war, hat die spanische Bewegung maßgeblich das Ende der Zwangsrekrutierung herbeigeführt.
Für Kriegsdienstverweigerung gibt es das im WRI-Büro angesiedelte Programm The Right to Refuse to Kill (Das Recht, sich dem Töten zu verweigern). Die WRI trägt seit Jahrzehnten 
Informationen 
zur Rechtslage 
und Behandlung von 
Menschen zusammen, die den Kriegsdienst verweigern. Dem Weltüberblick von 1968, der lange als Standardwerk diente, folgte 1998 Refusing to Bear Arms. World Survey of Conscription and Conscientious Objection to Military Service, eine weltweit einzigartige Übersicht, die seitdem aktualisiert wird und im Internet zu Verfügung steht.
Mit Alarm-Benachrichtigungen, den CO Alerts, nach dem Muster der Urgent Actions anderer Menschenrechtsorganisationen, informiert die WRI kurzfristig über Inhaftierungen, bevorstehende Prozesse und andere Repressionsmaßnahmen und ermöglicht damit sofortige Solidaritätsaktionen und Proteste zugunsten von Menschen, die weltweit wegen Kriegsdienstverweigerung inhaftiert oder verfolgt werden.
Die WRI setzt sich nicht nur für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in einzelnen Staaten ein, sondern fordert auch die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerung als Asylgrund. Bei internationalen Organisationen wie den UN betreibt die WRI Lobbyarbeit für das Recht auf Militärdienstverweigerung. Dazu wurde ein Leitfaden durch das internationale Menschenrechtssystem erstellt: A Conscientious Objector‘s Guide to the International Human Rights System.
Die WRI koordiniert zwei jährliche Aktionstage zur Kriegsdienstverweigerung: Der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai dient seit 1985 als Aktionstag für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Zum Internationalen Tag der Gefangenen für den Frieden am 1. Dezember veröffentlicht die WRI seit 1956 die Liste der Gefangenen für den Frieden. Heute wird sie ständig aktualisiert und ist im Internet ganzjährig verfügbar. Die Liste enthält exemplarisch für viele andere, deren Adressen unbekannt sind oder die diese Publizität nicht wünschen, Namen und Gefängnisadressen von Menschen, die weltweit wegen ihrer Kriegsdienstverweigerung oder ihres Friedensengagements inhaftiert sind. Die WRI ruft dazu auf, den Gefangenen Kartengrüße als Zeichen der Solidarität und Ermutigung in die Haft zu schicken. Selbst wenn die Karten die Adressaten und Adressatinnen nicht erreichen sollten, machen sie deutlich, dass die Gefangenen nicht vergessen sind, was sich auf die Haftbedingungen günstig auswirken kann.
Als seit den 1990er Jahren in Europa der Kriegsdienstzwang zunehmend ausgesetzt oder abgeschafft wurde, wurden dort und in den USA, wo seit den 1970ern nicht mehr zwangsrekrutiert wird, Stimmen laut, Kriegsdienstverweigerung als Thema in der WRI drastisch zu reduzieren. Angesichts der Lage in Lateinamerika und in Ländern wie Finnland, Griechenland, Zypern, der Türkei, Israel, Eritrea und Südkorea, angesichts des Engagements der dortigen WRI-Mitglieder sowie angesichts der drohenden Rückkehr der Zwangsrekrutierung in europäischen Staaten ist Kriegsdienstverweigerung jedoch in der WRI inzwischen wieder wichtiger geworden. Seit den 1990ern widmet die WRI der Arbeit gegen die Rekrutierung durch Berufsarmeen, Counter-Recruitment (Anti-Rekrutierung) genannt, mehr Aufmerksamkeit.

Gegen die Militarisierung der Jugend

Aus der Fachtagung Gegen die Militarisierung der Jugend 2012 bei Darmstadt entstand ein neues Programm im WRI-Büro: Countering the Militarisation of Youth (Gegen die Militarisierung der Jugend). Die WRI sammelt und publiziert Informationen über die Militarisierung der Jugend und koordiniert seit 2013 transnational Aktionen dazu, aus denen sich 2015 die Internationale Aktionswoche gegen die Militarisierung der Jugend entwickelte. Nach ersten Erfolgen gingen Ende der 2010er Jahre die Aktivitäten im Rahmen der Aktionswoche wieder zurück. Es lag primär an mangelnden Kapazitäten und zuletzt an der Corona-Pandemie, dass das vielversprechende Potenzial dieser Aktionswoche nicht genutzt werden konnte.

Thematische Diversität durch Globalisierung

Neben Themen, die die WRI global verbinden, bringt die Globalisierung der WRI mehr thematische Diversität. Während z.B. aus europäischer Sicht internationale Konflikte wie die Spannungen zwischen dem Westen und Russland sowie der Krieg in Syrien zentral sind, wird das in Lateinamerika kaum wahrgenommen, wo innerstaatliche, mit Klassenkampf, Rassismus, Sexismus und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verbundene Repression eher Thema ist. Die unterschiedlichen Themenfelder erzeugen innerhalb der WRI weniger Kontroversen und daher deutlich weniger kontroverse Grundsatzdebatten als im vergangenen Jahrhundert.

Gernot Lennert,
Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgeg-nerInnen (DFG-VK) Hessen

Vorankündigung zum 100. Jubiläum der WRI
IDK-Schriftenreihe – Texte zur Gewaltfreiheit.
War Resisters‘ International, WRI gegr. 1921
100 Jahre Widerstand gegen den Krieg
– Kriegsdienste verweigern! Beiträge zum gewaltfreien Antimilitarismus und Pazifismus.
herausgegeben von Wolfram Beyer
März 2021, IDK-Schriftenreihe Nr. 9,
IDK-Verlag Berlin ISBN 978-3-9816536-7-0
Internationale der Kriegsdienstgegner*innen e.V. (IDK): www.idk-info.net

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