Welcher gute Anarchist hat nicht schon einmal vom Leben in einer Kommune geträumt? Jede nach ihren Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Gemeinsam leben, gemeinsam arbeiten. Was man hat teilen, hierarchiefrei und selbstbestimmt. „Im Geiste Gustav Landauers besiedelten wir dieses Stück Brachland und tauften es seiner Bestimmung gemäß Freie Erde.“ (1)Auch im heutigen Deutschland, 150 Jahre nach der Commune de Paris und ihrer Kirschenzeit, sind Kommunen Keimzelle einer anderen Gesellschaft. Auch wenn der Agrarsozialist weiß: Manche Saat braucht Zeit, um aufzugehen! Leben und Arbeiten lassen sich anders organisieren, obwohl uns innerhalb einer kapitalistischen, patriarchalen Gesellschaft Grenzen gesetzt sind und manche Utopie an menschlichen Unzulänglichkeiten scheitert. Während die Versuche der Vergangenheit mit Donner und Kanonen vernichtet wurden, stehen wir uns heute oft selbst im Weg. Aber der Traum bleibt. Die Kommune Info Tour bietet eine Möglichkeit, diese solidarische Form des Miteinanderlebens zu erkunden. Es gibt viel zu entdecken. Los geht‘s! (GWR-Red.)
Finanzen, Haushalt, Wohnraum, Außengelände, Arbeit, Mobilität, Ernährung, Selbstverwirklichung, Gesundheit, Versorgung, Entwicklung – Bereiche des Alltags eines jeden Menschen. So grundlegend sie uns alle verbinden, so anonymisiert und privat sind diese Bereiche unseres Lebens jedoch auch. Eine Person oder eine Familie, ein Auto, ein Einkauf, viel Eigentum, viele Wege, viel Versorgung, viel Arbeit und Sorge auf wenigen Schultern. Funktionieren (müssen) in einer schnelllebigen, vereinzelnden Gesellschaft. Ein Hamsterrad von Verantwortungen, Ängsten und Schuldgefühl geprägt, in welchem sich (die meisten) Menschen wiederfinden.
Vielleicht klingt das düster, pessimistisch und übertrieben. Arbeits-, Sozial- und Umweltpolitik nehmen Einfluss auf das Alltagsgeschehen sowie das Konsumverhalten. Es sind jene Faktoren anhand derer einzelne Menschen ihren Unmut mit dem eigenen systemkonformen Leben und ihre Teilhabe an struktureller Fremdbestimmung feststellen. Bleiben jene Nöte unerkannt, münden sie in Misstrauen, Skepsis, ungelebter Verletzlichkeit, dem Festhalten an Gewohnheiten oder einer endlosen Suche nach nährender und bedingungsloser Zugehörigkeit. Erkannte Bedürfnisse können jedoch eine Motivation darstellen, um in den Austausch zu treten, Bündnisse zu schaffen und gemeinsame Lösungen zur Alltagsentlastung zu entwerfen.
Eine Antwort kann das Konzept Kommune sein. Kommunen – ich meine hier emanzipatorische Kommunen, keine rechten oder esoterischen Gemeinschaften – sind kleine und große Banden, welche sich zumeist themenspezifisch solidarisieren, in ihrem Verbund konsensuell, also gemeinsam, Entscheidungen treffen, ihre Ressourcen – sowohl zeitliche, körperliche und persönliche, als auch räumliche, materielle und finanzielle – teilen, damit ihr Vertrauen schulen und Selbstbestimmung, Gewaltlosigkeit und Hierarchiefreiheit anstreben. Der libertäre Kerngedanke, eint alle Gemeinschaften, dem Neoliberalismus und seinen Folgen zum Trotz. Die Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln sich dabei stetig aus der Gruppe. Während einige Kommunen einfach einen guten Ort zum Sein schaffen möchten, wirken andere aktiv in Politdiskussionen mit, rund um Themen wie Feminismus, Antidiskriminierung jeglicher Form, Enteignung privatisierter Flächen, Klimagerechtigkeit, selbstbestimmte Arbeit und und und. Die Vielfalt der Projekte ist besonders sichtbar bei Durchforstung von bestehenden Netzwerken, wie der Kommuja (www.kommuja.de). Kommunen teils nah beieinander und einander bekannt, teils fern gelegen und sich fremd, verbinden sich über das Netzwerk und unterstützen sich gegenseitig bei geplanten politischen Aktionen, beim Austausch von Wissen, beim Teilen von Ressourcen und bei finanziellen Anliegen. Ein Sicherheitsnetz, gestrickt aus großen Visionen und der Bereitschaft zum widerständigen Lebens.
Für Menschen, welche noch keine Berührung mit jenen Möglichkeiten des Zusammenlebens hatten, besteht die Möglichkeit, an der aus dem Kommuja-Netzwerk entstandenen, selbstorganisierten und dieses Jahr online stattfindenden Kommune-Info-Tour teilzunehmen. Wir laden ein, Fragen rund um das Konsens-Prinzip, die gemeinsame Ökonomie, gelingende Netzwerkarbeit und zum Wandel der Gesellschaft zu klären und zu diskutieren sowie Unsicherheiten aufzuräumen und Neugier zu stillen. Nähere Informationen zur Kommune-Info-Tour am 22. und 23. Mai 2021, sind auf der Website in-kommune-leben.de zugänglich.
(1) Die Siedlung „Freie Erde“ wurde am 6. Juli 1921 von Düsseldorfer Anarcho-Syndi-kalist*innen gegründet.