Mercedes Spannagel: Das Palais muss brennen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020, 192 Seiten, 18,50 Euro, ISBN 978-3-462-05509-2
Eigentlich wollte die Jurastudentin Louise mit ihrem Freund Jo zusammenziehen. Doch nachdem sie ihre Wohnung gekündigt hat, verkündet dieser, sich nun doch nicht so fest binden zu wollen. Deshalb sieht Louise keine andere Möglichkeit, als in das Palais der österreichischen Bundespräsidentin zu ziehen. Die Bundespräsidentin gehört einer rechtsextremen Partei an und ist im Übrigen Louises Mutter.
Louise lebt in einer permanenten Revolte gegen diese. Aus Protest gegen die neun Windhunde ihrer Mutter schafft sie sich einen Mops an, den sie Marx nennt. Zusammen mit ihrer besten Freundin Lilli, die sich gerne feministische Videos auf YouTube ansieht, recherchiert Louise Menschenrechtsverbrechen des chinesischen Staates. Teetrinkend hängen sie die Texte über die elegante Tapete des sogenannten China-Zimmers im Palais – auch wenn „die Proletin“, wie Lilli von Louises Mutter genannt wird, eigentlich Hausverbot hat.
Die Bundespräsidentin möchte Louise mit Ferdi, dem Trainer ihrer Windhunde, verkuppeln. Als dieser ihr seinen Schmiss zeigt, antwortet Louise: „Mensur ist Menstruationsneid“. Stattdessen vergnügt sie sich lieber mit Theodor Thies, in Kurzform TT, den sie auf einem Jagdausflug kennenlernt, zu dem ihre Mutter sie mitgenommen hat. Gemeinsam betrinken sie sich, plündern den Waffenschrank und werfen alle Gewehre in den Pool. Als am nächsten Morgen eine Jagdteilnehmerin entsetzt aufschreit, brüllt Louise, was denn das Problem sei, ob die Dame noch nie nackte Menschen gesehen habe.
Louise, die im Plattenbau aufgewachsen ist, lebt ein privilegiertes Leben, das aus einer Aufeinanderfolge von Verabredungen besteht. Abwechselnd trinkt sie irgendwo einen Spritzer, frühstückt in Kaffeehäusern und konsumiert diverse Drogen. Während sie noch unentschlossen ist, ob sie auf eine Demo gegen ihre Mutter gehen soll, verbringt Louise einen Abend auf einer Semestereröffnungsfeier der juristischen Fakultät. Dort lernt sie die sportliche Sef kennen, die lange Monologe über die „pseudobedeutungsvolle Aussagekraft“ von Handtaschen hält. Mit Sef entdeckt Louise ihr Interesse an Frauen. Währenddessen ist die Sache mit Jo, der seine Dreistigkeit und seinen Egoismus intellektuell verpackt, noch immer nicht ganz beendet. Dieser schlägt Louise vor, sie solle eine Reisegruppe auf Bali leiten: „Die Highlights Balis aus feministisch-passiver Sicht in neun Tagen. Bisschen Kritik, aber eigentlich geht‘s schon darum, Wohlfühlatmosphäre auf Instagram zu verbreiten“. Auch TT hält Louise immer wieder den Spiegel vor und kritisiert die unreflektierte Haltung, mit der sie ihre Privilegien genießt. Schlafen definiert sie als Protest gegen den Kapitalismus, und wenn sie nackt in der Sonne liegend Mangosaft mit Wodka trinkt, meint sie, gegen die Sexualisierung des weiblichen Körpers zu rebellieren. Hin und wieder überlegt sie mit Lilli, Jo und TT, wie sie den anstehenden Wiener Opernball für die Inszenierung einer Kunstaktion gegen die Bundespräsidentin nutzen kann. Doch bislang fehlt ihnen noch ein Konzept.
Louises jüngere Schwester Yara lebt hingegen ihre ganz eigene Form von Protest. Sie verbringt einen großen Teil ihrer Tage in Unterwäsche auf dem Bett ihres abgedunkelten Zimmers. Dessen Einrichtung ist ihrem früheren Zimmer aus dem Plattenbau nachempfunden. Eigentlich mag Yara „Männer, die, aus welchen Gründen auch immer, traurig schauten und Gras hatten“. Trotzdem hat sie Angst, ausgerechnet vom Hundetrainer Ferdi schwanger zu sein. Und das ist nur eines ihrer vielen Geheimnisse…
Louises Geschichte ist vollgepackt mit Drogen, viel Alkohol, intellektuellen Texten, Kunst, großer sexueller Freizügigkeit, jeder Menge Situationskomik und absurden Dialogen, die allesamt in einer totalen Befreiung zu münden scheinen – letztlich aber nur eine durchaus intelligente und kreative junge Frau zeigen, die sich selbst zwischen zu vielen Möglichkeiten verliert. Der sprachliche Grundton des Debüt-Romans ist eine faszinierende Mischung aus Wiener Mundart, Umgangssprache und politischen Parolen, die der Erzählung Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit verleiht.