Das Königreich hat mehrere Provinzen, einen Reichsverweser und einen König mit eigener Burg in Köln. Seine Untertan:innen unterteilen sich grob in zwei Gruppen: Einerseits die Provinzverweser und der niedere Adel und andererseits das gemeine Volk. Nachdem das Land durch einen schweren Fluch getroffen war, litt das gemeine Volk besonders hart. Und so begab es sich, dass sich in einer Provinz eine Schar zum Ritter:innen-Orden der schwarzroten Katze auf den Weg machte, um diesen um Unterstützung anzufragen...
Hintergrund
Walther König ist eine Buchhandelskette und ein Verlag mit Sitz in Köln. Buchhandlung und Verlag sind auf Buchtitel aus dem Bereich Kunst, Architektur, Design, Photographie, Film und Mode spezialisiert. Die rund 45 Filialen, die es in Europa gibt (u. a. in Düsseldorf, Bonn, Essen, Münster, Berlin, Dresden, Frankfurt a. M., Hamburg, Nürnberg, Stuttgart, Amsterdam, Brüssel, London, Mailand, Paris und Wien), sind überwiegend in Museen oder in direkter Nähe zu Museen zu finden.
Schon im Dezember 2020 wandten sich die studentischen Beschäftigten der Münchner Filialen der Buchhandelskette Walther König mit einer zentralen Frage an die Freie Arbeiter:innen Union (FAU): „Ist es legal, dass wir während des Lockdowns Minusstunden anhäufen, die wir anschließend alle abarbeiten müssen?“ Da es sich bei den studentischen Beschäftigten allesamt um sogenannte „Werkstudenten“ handelt, werden für diese keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung abgeführt (1). Praktisch bedeutet dies, dass die studentischen Beschäftigten während der Pandemie nicht zur Kurzarbeit angemeldet werden konnten. Eigentlich hätte nun die Firma Walther König die Löhne in voller Höhe weiter zahlen müssen. Stattdessen wurden schon während des ersten Lockdown der ohnehin niedrige Lohn von 9,85€ um 40 Prozent reduziert.
Auf die Forderungen reagierte die Firmenleitung mit Härte: So wurden nicht einmal die gekürzten Februargehälter überwiesen und kurz darauf sämtlichen Werkstudent:innen in München gekündigt!
Damit aber nicht nicht genug. Rund die Hälfte des dann noch ausgezahlten Lohnes betrachtete der König als Vorschuss, der später abgearbeitet werden sollte. Dies ist natürlich der plumpe Versuch einerseits auf die Unwissenheit der Beschäftigten und anderseits auf ihre Untätigkeit zu setzten. In Wahrheit handelt es sich hierbei nämlich um den sogenannten „Annahmeverzug“. Was bedeutet das? Annahmeverzug entsteht immer dann, wenn Arbeiter:innen ihre Arbeitskraft, wie im Vertrag ausgemacht, anbieten, der Boss, diese aber nicht annimmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bosse von sich aus entscheiden, die Leute nicht arbeiten zu lassen, oder ob im Rahmen einer Pandemie bestimmte Tätigkeiten schlicht untersagt sind. Letzteres fällt unter das sogenannte „Betriebsrisiko“ – und das liegt nun mal beim Boss!
Der Konflikt
Nicht genug damit, dass König versucht, sein Betriebsrisiko auf die studentischen Arbeiter:innen abzuwälzen. Die FAU fand im Gespräch mit den Kolleg:innen schnell heraus, dass es weitere Missstände gibt. Augenscheinlich wurde den Kolleg:innen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ebenso vorenthalten, wie der bezahlte Urlaub. In beiden Fällen haben sie „Minusstunden“ geschoben, die sie später abarbeiten mussten. Beide Vorwürfe werden naturgemäß bestritten. Einerseits sollen die Löhne im Krankheitsfall regulär gezahlt worden sein, andererseits sei der Urlaub durch „Abgeltung“ gewährt worden. Mittlerweile häufen sich bundesweit die Berichte von (ehemaligen) Arbeiter:innen, welche die Mitteilung der Münchner Kolleg:innen bestätigen. Demnach wurde ihnen günstigstenfalls zugestanden, im Falle von Krankheit oder Urlaub ihre Schichten untereinander zu tauschen. Und das alles bei einem Lohn, der nur 50 bzw. 30 Cent über dem gesetzlichen Mindestlohn (2) liegt, und Arbeitsverträgen, die in der Regel auf ein Jahr befristet sind – was „kalte Entlassungen“ (3) sehr einfach erscheinen lässt.
Es lebe die Republik!
Als gute „Republikaner:in-nen“ (4) entschlossen sich die Kolleg:innen, sich in der FAU zu organisieren und dem König und seinem Reichsverweser (5) eine Liste mit Forderungen zukommen zu lassen:
- Nachzahlung der Löhne, die wegen Krankheit nicht ausgezahlt wurden
- Nachzahlung der Löhne, die wegen Urlaub nicht ausgezahlt wurden
- Nachzahlung der Löhne, die wegen des Lockdowns nicht gezahlt wurden bzw. Streichung der illegitimen Minusstunden
- Lohnerhöhung auf mindestens 11 € / Stunde
- Einführung von Feiertags-, Nacht-, und Wochenendzuschlägen
- Verlängerung sämtlicher befristeter Arbeitsverträge. (6)
Auf diese berechtigten Forderungen reagierte die Firmenleitung mit aller Härte: So wurden laut einer Pressemitteilung der FAU München nicht einmal die gekürzten Februargehälter überwiesen und kurz darauf sämtlichen Werkstudent:innen in München gekündigt! Auch diese Punkte werden schlussendlich vor dem Kadi landen.
Kundgebung vor dem Lehnbachhaus – Foto: FAU München (CC BY-SA 3.0 DE)
Und im Dorf….
In Düsseldorf (7) unterhält der König gleich drei Filialen: In der Kunsthalle und der Kunstsammlung NRW (K20), beide am Grabbeplatz, sowie im K21 Ständehaus auf der Ständehausstraße 1. Nachdem die FAU bundesweit Kontakte zu ehemaligen und aktuell beim König Beschäftigten geknüpft hat, gehen wir davon aus, dass die Situation an allen Standort sehr ähnlich ist. Wenn dem so ist, dann werden auch hier die Werkstudent:innen in schöner Regelmäßigkeit um ihre verbrieften Arbeitsrechte gebracht. Rechte, die einzig und allein Mindeststandards setzen! Schlimmer noch als das, wiegt aber die Tatsache, dass sie mit solchen Taktiken ganz konkret sowohl um ihren kargen Lohn als auch um ihre Lebenszeit gebracht werden.
Zu dem Zeitpunkt da wir diesen Artikel schreiben, dürfen wir noch nichts über unsere lokalen Bemühungen verraten. Wir holen dies schnellstmöglich nach. Bis dahin verweisen wir auf die Homepage der FAU München (fau-m.de) und darauf, dass die FAU Düsseldorf die Werkstudent:innen, die sich unter #NotMyKönig zusammengeschlossen haben, im Kampf für ihre Arbeitsrechte und ihre Würde tatkräftig unterstützt. Gleichzeitig sind wir in engem Kontakt mit den Syndikaten in NRW, um alle Arbeiter:innen, die sich gegen das System „König“ zur Wehr setzen wollen, schnell und effektiv zu unterstützen. Mit allen Mitteln die nötig sein werden, um diesen Kampf zu gewinnen.
Übrigens
Ihr könnt auch aktiv werden! Auf unserer Homepage (duesseldorf.fau.org) findet ihr einen Musterprotestbrief, den ihr gerne per Briefpost, E-Mail oder Kommentar in den sozialen Medien (u. a. bei Instagram und Facebook) dem König und seinem Reichsverweser zukommen lassen könnt. Darüber hinaus hat sich eine Initiative gegründet, die schon erste Onlinekonferenzen mit dem programmatischen Titel „Wie Künstler:innen mit Gewerkschaften zusammenarbeiten können“ abgehalten haben. Einen Kontakt stellt die FAU gerne her.
(1) „Werkstudentenprivileg“ – es entfallen außerdem die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung.
(2) 2020 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 9,35€. Seit 01.01.2021 liegt er bei 9,50 € und steigt ab 01. Juli 2021 auf 9,60 € die Stunde
(3) „Kalte Entlassung“ bedeutet in diesem Fall einfach der Verzicht darauf den Arbeitsvertrag zu verlängern und/oder einen neuen Arbeitsvertrag ab zu schließen.
(4) Diese Bezeichnung ist nur der Metapher des Kampfes „König vs. Republik“, also Willkür vs. Arbeitsrecht geschuldet und kein politisches Bekenntnis.
(5) Franz König, der Sohn von Firmengründer Walther König, übernahm die Geschäfte 2014. WK kümmert sich seither nur noch um das Antiquariat. Geschäftsführer ist Udo Milz.
(6) Unvollständige Liste aller Forderungen.
(7) Heimat des Autors
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.