Die Schwarz-Roten Bergsteiger_innen (SRB) sind eine AG der Freien Arbeiter*innen Union Dresden, die zu verschiedenen Bereichen arbeitet. Egal ob gewerkschaftliche Organisierung, Kulturaktivitäten oder Naturschutz – die SRB entwickeln verschiedene Angebote für Kollektive, politische Gruppen und politisch aktive Menschen. Dazu gehört auch das Urlaubs- und Erholungsangebot in der Sächsischen Schweiz für alle, die aktiv sein möchten. Steff Breiter gibt in seinem Artikel für die Graswurzelrevolution einen Überblick über Aktivitäten und laufende Projekte der SRB. (GWR-Red.)
Der deutsche Teil des Elbsandsteingebirges im Landkreis Sächsische Schweiz Osterzgebirge (SOE) – hier schmiegen sich jahrhundertealte Fachwerkhäuser auf Steinterrassen ruhend an die Berghänge, liegt der Geruch von Kiefernnadeln und den Aussalzungen der Felsen in der Luft, führen die Wege von einem Dorf zum anderen über uralte Forststiegen. Es ist eine idyllische und irgendwie verzauberte Landschaft zwischen engen, dunklen Tälern, die von Moosen und Farnen dominiert werden, und mit Heide und Birken bestandenen Felsnadeln und Tafelbergen.
Nicht so beschaulich, wie es aussieht
Hier könnte der Mensch ankommen, die Hektik der Welt vergessen, die Seele baumeln lassen. Nur ist das leider nur der eine Teil der Wahrheit. Der Landkreis SOE war auch Schauplatz einer ganzen Zahl von NS-Verbrechen: ehemaliger Standort von drei frühen Konzentrationslagern (1), der Tötungsanstalt Pirna Sonnenstein (2), etlicher Kriegsgefangenenlager und Einrichtungen ziviler Zwangsarbeit (3) und drei später KZ-Außenlager (4).
Und so ergeben sich für Anarchist_innen in diesem beschaulichen Mittelgebirge immer wieder Kontraste: Bergsteigen, ungesehen durch die Felsen streifen, dem Rauschen der Wipfel in der Sonne liegend lauschen und dann von „Sieg Heil!“-Rufen aus dem Tal hochgeholt zu werden, Hakenkreuze und positive Bezüge auf den NSU auf dem Heimweg übermalen oder abends in der Kneipe knurrend das „Heil Hitler!“ als Begrüßung am Stammtisch nebenan kommentieren.
Vor allem aber wurde diese schöne Bergregion nicht nur in der Vergangenheit durch rechte Gewalt mit Blut getränkt, der Hang zu militant rechten Ideologien hält bis heute an. Ende der 1990er Jahre formierte sich hier aus mehreren Vorgänger-Organisationen die Kameradschaft SS, die in SA-Manier paramilitärisch für den Aufstand trainierte, Überfälle organisierte und politische Gegner_innen systematisch einschüchterte. Anfang der 2000er wurde die über hundert Mitglieder zählende Organisation zwar weitgehend entwaffnet und verboten, juristisch allerdings kaum belangt. Ihre damaligen Führungskader saßen und sitzen danach in Stadträten, eröffneten Ladengeschäfte, Auto-Werkstätten, Vereine, Fahrschulen, Kneipen und Eventmanagement-Firmen in der Region. Sie bilden damit auch heute noch ein wirtschaftlich stabiles, gesellschaftlich voll angekommenes nationalsozialistisches Netzwerk. Ebenso sind der nationalsozialistische Flügel der AfD und auch die Einprozent-Bewegung in der Region gut verankert, wie u.a. das Stattfinden des politischen Aschermittwochs von Seiten des „Flügels“ im Landkreis zeigt. Die ideologische Dominanz militant-rechter Denkweisen spiegelt sich in Wahlergebnissen, bei denen die AfD selten unter 30 % liegt. In manchen Ortschaften können die rechten Parteien immer wieder absolute Rekordergebnisse vorweisen. (5)
Im Januar in der Dresdner Heide – Foto: Schwarz-Rote Bergsteiger_innen
Und so treffen für Anarchist_innen in diesem beschaulichen Mittelgebirge immer wieder Kontraste zusammen: Bergsteigen, ungesehen durch die Felsen streifen, dem Rauschen der Wipfel in der Sonne liegend lauschen und dann von „Sieg Heil!“-Rufen aus dem Tal hochgeholt zu werden, Hakenkreuze und positive Bezüge auf den NSU auf dem Heimweg übermalen oder abends in der Kneipe knurrend das „Heil Hitler!“ als Begrüßung am Stammtisch nebenan kommentieren. In einem solchen Klima arbeiten, organisieren und wehren sich die Schwarz-Roten Bergsteiger_innen seit einigen Jahren gegen kapitalistische Verhältnisse und nationalsozialistische Bewegung gleichermaßen.
Schwarz-rote Füchse streifen um die Dörfer
Die Schwarz-Roten Bergsteiger_innen (SRB) (6) entstanden um 2009 als ein Label von v.a. Dresdner Anarchist_innen für Bergsportaktivitäten, wenig später wurde eine erste Hütte in kollektive Verwaltung genommen. Angegliedert waren diese ersten Organisationsbestrebungen damals an die allgemein-anarchistische Lokalföderation Libertäres Netzwerk Dresden unter dem ironischen Namen „AK Freizeit“. Der organisatorische Rahmen weichte sich zwischendurch auf, das Libertäre Netzwerk wurde aufgegeben und machte binnen weniger Jahre einer breiteren, anarchosyndikalistischen Organisierung innerhalb der Freien Arbeiter*innen Union (FAU) Platz, die das Label SRB als eine Unterorganisation erbte. Um 2015 gründete sich erstmals eine stabile und langfristig arbeitende Gruppe hinter diesem Label, die heute als Kultur- und Sportkollektiv dem Allgemeinen Syndikat Dresden der Gewerkschaftsföderation FAU angehört. Die SRB sehen sich somit als Teil der internationalen anarchistischen Gewerkschaftsbewegung und sind entsprechend gewerkschaftlich organisiert.
Seit ihrer Gründung verfolgen die SRB eine Reihe verschiedener Arbeitsfelder. Aufbauend auf großartigen Vorarbeiten anderer lokaler Forscher_innen und Initiativen (7) erforschen sie u.a. kritisch die Geschichte des Kreises SOE (8), geben Artikel heraus, organisieren Vorträge, Seminare, verlegen Gedenktafeln (9). Andererseits arbeiten sie als Sportorganisation im Geiste historischer Vorbilder wie der Linksopposition der Naturfreunde, wenn auch in viel kleinerem Rahmen. Das heißt sie organisieren gemeinsam Bergfahrten, Weiterbildung, diskutieren über Sportethik und die Rolle von Sport und Freizeit im Kapitalismus. Daneben vermitteln sie Ferienunterkünfte, das heißt sie betreuen Berghütten, lassen politische Aktivist_innen und Gewerkschaftsmitglieder hier gegen Spende Urlaub oder Klausuren machen, bauen viele Wochenenden im Jahr, um die oft historischen Häuser zu erhalten. Zugenommen haben Aktivitäten im Bereich Naturschutz: Mehrfach im Jahr werden Müllberäumungsaktionen organisiert, es gibt Weiterbildungen zum Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten und es werden kritisch-solidarische Haltungen zu den Schutzkonzepten des Nationalparks entwickelt. Schließlich ist das politische Organizing und antifaschistische Haltung in der Region ein fester Bestandteil der Gruppenaktivitäten. Seit Jahren suchen die SRB in der Region Kontakt zu antifaschistisch eingestellten Menschen, machen sie auf Vernetzungsbrunchs miteinander bekannt und stoßen gemeinsame Projekte wie Straßenfeste, Konzerte und Veranstaltungswochen an. (11) Ebenso werden Nazi-Strukturen beobachtet, Nazi-Propaganda entfernt und Anwohner_innen auf verdeckte Strukturen aufmerksam gemacht. Letztere Tätigkeit führt zu einer höheren Bekanntheit der Organisation unter den militant-rechten Kreisen der Region, die regelmäßig öffentliche Veranstaltungen bedrohen und versuchen sie zu stören oder anzugreifen.
In den Dolomiten – Foto: Schwarz-Rote Bergsteiger_innen
Wege entstehen dadurch, dass mensch sie geht
Bei ihrer Arbeit stoßen die SRB auf eine Menge Hürden und Probleme. Das Drohpotential organisierter Neo-Nazis verkompliziert viele Aktivitäten, da Veranstaltungen einerseits entsprechend geschützt werden müssen, andererseits Anwohner_innen negative Konsequenzen befürchten, sollte ein Kontakt mit den SRB in ihrem Dorf bekannt werden, schließlich weil entsprechend wenig Menschen bereit sind, ihre Räume für offizielle SRB-Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.
Der rechte Terror hat damit bis heute eine hohe Wirkmächtigkeit. Er bewirkt ebenfalls, dass viele Veranstaltungen der SRB weder öffentlich beworben werden können noch im Nachgang allzu viel über sie berichtet werden kann – um Teilnehmende wie auch die Veranstaltungsorte nicht zu gefährden.
Um diesen Zustand zumindest teilweise zu überwinden, setzen die SRB auf eine breite Zusammenarbeit und Verankerung bei lokalen Initiativen, Vereinen, Bergsportbünden und Naturschutzorganisationen in der Region. Dabei wird die Arbeit freilich durch die rege Diffamierung des Verfassungsschutzes erschwert. Ein weiterer Pfeiler der mittelfristigen Strategie ist die Errichtung eines Libertären Zentrums (10) in der Region, welches FAU und SRB öffentliche Veranstaltungen auf eigenes Risiko ermöglichen würde. Für ein solches Zentrum läuft seit mehreren Jahren eine recht erfolgreiche Kampagne, allerdings standen die Entwicklung des Immobilienmarktes der Region (nah an Dresden, international bekanntes Tourismusziel) und die noch zu geringe Größe der SRB einer Realisierung bis jetzt entgegen. Kurzfristig ist die Organisation daher vor allem bemüht, mehr Mitglieder zu gewinnen.
Viele Wege, die die SRB gehen, sind dabei für die anarchistische und syndikalistische Bewegung relativ neu. Es gibt sehr selten Strukturen abseits der Städte. Entsprechend gibt es viele Leerstellen, wenn es darum geht, speziell der Landbevölkerung syndikalistische Konzepte nahezubringen. So gibt es innerhalb der FAU bis jetzt wenig Material und Erfahrung zur Forst- und Landwirtschaft, auch die Kollektivbetriebsstrukturen der FAU, vereint in der Union Coop Föderation, stecken noch in den Kinderschuhen. Syndikalistische Sport- und Kulturorganisationen stellen innerhalb der FAU außerdem immer noch die Ausnahme dar und können dahingehend auf kein breites organisatorisches Netzwerk mit entsprechenden Erfahrungen zurückgreifen. Die SRB sind also in vielen Bereichen Vorreiter_innen, die ihren Weg mit vielen Rückschlägen erst finden müssen.
In der aktuellen Pandemie ist natürlich auch die Arbeit der SRB in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Öffentliche Veranstaltungen, gerade jene zur Vernetzung der linken Landbevölkerung, mussten ausbleiben, Archive haben geschlossen, Übernachtungen sind wegen des scharf kontrollierten Beherbergungsverbots nicht möglich. Zu tun bleibt der Organisation trotzdem genug, so wurde u.a. das bergsportliche Engagement ausgebaut und es fand eine ganze Reihe von größeren Baueinsätzen an den selbstverwalteten Hütten statt. Erfreulich ist, dass die SRB, ebenso wie andere Gliederungen der FAU in Dresden, trotz Kontaktbeschränkungen und Organisation über Online-Tools in den letzten Monaten einen deutlichen Mitgliederaufschwung erlebten.
(1) Hohnstein, Halbestadt, Struppen, alle 1933-34, daneben diverse Amts- und Polizeigefängnisse u.a. in Pirna, Sebnitz, Bad Schandau und Altenberg.
(2) Mindestens 13.720 Morde von 1940-41.
(3) Verwaltet vom Hohnsteiner Lager Stalag IV A wurden ab 1940 zehntausende Kriegsgefangene in der Region gefangen gehalten, ausgebeutet, teilweise schwer misshandelt und ermordet. Zu ziviler Zwangsarbeit liegen keine Zahlen vor, allerdings sind dutzende Ermordungen von Kindern ziviler Zwangsarbeiter_innen des Kreises bekannt.
(4) Porschdorf, Pirna Ortsteil Jessen, Königstein.
(5) Beispielsweise in Rathmannsdorf, wo die AfD zur letzten Bundestagswahl auf 46 % Erststimmen kam. In Reinhardtsdorf-Schöna kam die NPD früher regelmäßig auf 20–25 %.
(6) Der Name ist eine Anspielung auf den Begriff „Rote Bergsteiger“, mit dem in der DDR der antifaschistische Widerstand der Region aus dem Bergsport-Milieu zusammengefasst wurde. Als Gruppe tragen die SRB diesen Namen augenzwinkernd und beschäftigen sich in ihrer Bildungsarbeit kritisch mit der DDR-Geschichtsaufarbeitung des antifaschistischen Widerstandes.
(7) Genannt seien hier nur exemplarisch der AKuBiZ e.V. (https://www.akubiz.de/) aus Pirna, der seit Jahrzehnten antifaschistisch im Kreis aktiv ist, und besonders sein Projekt „Gedenkplätze“ (https://www.gedenkplaetze.info/), der Bildungsverein „Educat“ (https://www.educat-kollektiv.org/), aber auch Lokalforscher_innen wie Hugo Jensch, Achim Schindler und viele weitere engagierte und mutige Menschen aus der Region.
(8) Die SRB verfügen über eine Forschungsdatenbank zu Personen, Gruppen und Orten der anarchistischen Bewegung 1918–1945 und zum kommunistischen Widerstand 1933–45 in Dresden und dem Landkreis SOE. Aktuell wird u.a. ein im April 2020 zufällig gefundenes Archiv einer KPD-Widerstandsgruppe von 1932 zusammen mit dem Landesamt für Archäologie aufgearbeitet, eine Ausstellung und Publikationen sollen dazu entstehen.
(9) U.a. installierten sie eine Gedenktafel zu einer illegalen Widerstandsversammlung (1933) in Rathen und zu politischen Deserteuren an der „Siebenschläferboofe“. Aktuell erarbeiten sie mit dem AKuBiZ e.V., der Nationalparkverwaltung und dem Bürgermeister der Stadt Hohnstein ein Gedenkkonzept für das KZ-Außenlager Schwalbe III in Hohnstein.
(10) Zu diesem Zwecke sind die SRB ebenfalls Mitglied des Mietshäuser-Syndikats (siehe GWR 458).
(11) Für die Zeit nach der Pandemie ist die Etablierung eines linken Veranstaltungs- und Nachrichtenportals für den Landkreis geplant: https://elbi.cc/
Unterstützen
Ihr könnt die SRB unterstützen, indem ihr Gewerkschaftsmitglieder der FAU werdet, ihnen regelmäßig spendet oder in den Landkreis SOE zieht und aktiv werdet.
Blog: https://srb.fau.org/
Twitter: twitter.com/srb_fau
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.