Wes Anderson ist einer der Hollywood-Regisseure, von denen man sagt, die Hollywoodstars schlügen sich darum, in einem seiner Filme mitspielen zu dürfen und wie schon in seinem letzten Werk „Grand Budapest Hotel“, findet sich auch in The French Dispatch, der seit diesem Donnerstag im Kino läuft, ein seltenes Starensemble zusammen. Angeführt von Bill Murray, der den alternden Magazin-Chefredakteur des titelgebenden Magazins – inspiriert in erster Linie von dem US-amerikanischen „New Yorker“ – Arthur Howitzer Jr. gibt, der in der fiktiven französischen Stadt Ennui-sur-Blasé einige exzentrische Reporter um sich schart. Der Film zeigt nun drei der Reportagen aus der letzten Ausgabe des Magazins, das, wie in dessen Testament verfügt, wegen des Todes Howitzers eingestellt wird. Die Gemeinsamkeit der drei im Film neben der Rahmenhandlung erzählten Episoden ist das Kuriose, das Erzählenswerte, die Liebe zum Erzählen und der immer in allem durchschimmernde freche Humor Andersons.
In der ersten Geschichte wird der inhaftierte Mörder Moses Rosenthaler (Benicio del Toro) zum gefeierten Künstler. Zunächst sehen wir ihn allein in einem Raum mit einem Akt-Modell Simone (Léa Seydoux), doch als er anfängt, die Frau statt die Leinwand anzumalen, beendet Simone die Session, zieht sich ihre Wärter-Uniform an und führt den Maler flugs wieder in seine Zelle, eh sich der Kunsthändler Adrien Brody dem Werk Rosenthalers überaus geschäftstüchtig annimmt.
Im zweiten „Artikel“ berichtet die Reporterin Lucindia Krementz (Frances McDormand) über den jungen Anführer der 1968er Unruhen in Paris, Zeffirelli (Timothée Chalamet) und ihre kurze Affäre mit dem fast 40 Jahre jüngeren Mann und in der dritten Episode wird der Food-Reporter Roebuck Wright in die Entführung des Sohnes des Polizeichefs verwickelt, obwohl er eigentlich nur den Polizeikoch Lt. Nescaffier (Stephen Park) porträtieren wollte.
Quelle: Youtube
Die Figuren und Geschichten beziehen sich auf tatsächliche New-Yorker-Artikel, etwa die Reportagen von Mavis Gallant von den 68er-Protesten oder die Texte des schwulen schwarzen Kulinarik-Reporters John Baldwin.
Die Taktung, der Rhythmus, die Anderson seinen Filmen so demonstrativ verpasst, dass sie oft wie Musikstücke, wie Kompositionen wirken, dazu der jazzlastige Soundtrack, der diesen Eindruck noch verstärkt, werden in The French Dispatch von einer Ästhetik ergänzt, die mehrmals auf den Magazincharakter des Films verweist. Jedes Bild ist durchgestylt, ist ein kleines Kunstwerk für sich, aber gerade diese beeindruckende und schier unendliche Facettenhaftigkeit der Bilder und der Geschichten ist oft zu viel des Guten. Statt all der Gags und all der cleverern Regie-Tricks und -Einfälle hätte man manches Mal lieber etwas mehr über die Figuren erfahren, über ihr Leiden und Lieben, ihre Geschichten und Motivationen, aber da ist The French Dispatch längst beim nächsten Anderson-Streich. Statt die sozialen, politischen Hintergründe der Geschichten und die persönlichen Brüche der Figuren und Geschichten irgendwie ernstzunehmen und zu bearbeiten, dienen diese ja durchaus schweren Themen – etwa die Auswirkungen von Haft auf Menschen, psychische Krankheit, gesellschaftlich-revolutionäre Aufstände und Theorie, Rassismus und Homophobie – in erster Linie als Quell für Gags und die durchaus wunderschön irren Inszenierungen Andersons. Angesichts der pedantischen Detailverliebtheit und dem großen Geschick des Regisseurs, jedes Bild irgendwie besonders wirken zu lassen und der unübersehbaren Selbstreferentialität des Films möchte man fast annehmen, dass Anderson seinen Film mit Absicht so übertrieben andersonhaft hat Aussehen lassen. Schließlich lautet der wichtigste Spruch des toten Howitzer: „Versuchen Sie, es so klingen zu lassen, als hätten Sie es absichtlich so geschrieben.“
The French Dispatch - USA/Deutschland 2021 - Regie: Wes Anderson - Mit Benicio del Toro, Frances McDormand, Adrien Brody, Tilda Swinton, Bill Murray - 107 Min.