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Wegen einer Beinbewegung ein Jahr in Haft

Aktive Solidarität mit der Klimaaktivistin „Ella“ ist weiterhin nötig

| Silke

Beitragella
"Free Ella" - Soli-Bekundung der Zapatistas. - Foto: ya-basta-netz.org

Am 26. November ist ein trauriger Jahrestag: Dann ist es genau ein Jahr, dass die Klimaaktivistin „Ella“ in Haft ist. Gemeinsam mit vielen anderen hatte sie sich an den Protestaktionen im Dannenröder Forst (Danni) beteiligt, um die Großrodung des Waldes zu verhindern und zugleich mit dem Aufbau kollektiver Strukturen die Vision eines solidarischen, die Natur respektierenden Lebens umzusetzen.

„Ella“ wurde am 26. November 2020 beim äußerst brutalen Polizeieinsatz gegen die Danni-Besetzung festgenommen, bei der die Staatsmacht mit einem riesigen Aufgebot rücksichtslos die Baumdörfer räumte. Wieder einmal wurden dabei Menschen wissentlich gefährdet, indem die Einsatzkräfte beispielsweise grundlegende Sicherheitsmaßnahmen missachteten oder sogar eindeutig markierte Sicherungsseile kappten, woraufhin die Kletteraktivist*innen abstürzten und teils schwere Verletzungen erlitten. Mit diesem menschenverachtenden Vorgehen stellte die schwarz-grüne Landesregierung erneut klar, dass für sie der Bau von Autobahnen weit vor der Bewahrung von Wäldern und dem Schutz elementarer Klimaziele steht und dass das kapitalistische Immer-weiter-so in der Verkehrspolitik auch unter Gefährdung von Menschenleben durchgesetzt wird.

Absurde Vorwürfe gegen „Ella“

„Ella“ wurde am 26. November 2020 von mehreren Polizisten in Kampfmontur aus den Bäumen geholt und sah sich bei diesem Einsatz ebenfalls mehrfachen schweren Gefährdungen ausgesetzt. Zeitweise war sie in 15 Metern Höhe nicht vollständig gesichert, als Beamte des Sondereinsatzkommandos nach ihren Füßen griffen, um sie daran in die Tiefe zu ziehen. In dieser lebensbedrohlichen Situation soll sie eine Beinbewegung in Richtung eines der Polizisten gemacht haben, die diesen nicht traf, aber nun zum Anlass genommen wird, sie seit einem Jahr im Gefängnis zu halten.
Den völlig grotesken Vorwurf des „versuchten Totschlags“, den die Repressionsbehörden anfangs zu konstruieren versuchten, mussten sie bald fallenlassen, aber die überlange Untersuchungshaft wurde bis zum Prozess aufrechterhalten. Dadurch wollten die Ermittler*innen nicht zuletzt ihre Personalien erfahren – ein Vorgehen, das schon an Erzwingungshaft grenzt. Denn weiterhin weigert sich „Ella“, ihre Identität preiszugeben, weshalb sie von der Knastverwaltung als „Unbekannte weibliche Person Eins“ (UWP1) geführt wird. Dass sie ihre persönlichen Daten den Behörden nicht zur Verfügung stellt, betrachtet sie als aktive Solidaritätsgeste gegenüber illegalisierten Geflüchteten, wie sie in einem Brief schrieb: „Leider bin ich kein Vogel oder Schmetterling, der einfach über die Grenzen fliegen kann, ohne sich um einen Pass zu kümmern, und ich möchte damit klarstellen, dass diese Entscheidung für Anonymität, abgesehen davon, dass wir zu unserer eigenen Sicherheit handeln, als ein Zeichen der Solidarität mit all jenen Migrant*innen ohne Papiere zu verstehen ist, die einfach nur auf der Suche nach einem besseren Leben sind und von den Behörden sehr ungerecht behandelt werden.“ (1)
Am 23. Juni 2021 verurteilte das Amtsgericht Alsfeld „Ella“ schließlich zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis – wegen „gefährlicher Körperverletzung“, „Widerstands“ und „tätlichen Angriffs“. Mit dieser extrem hohen Strafe hat die Justiz bestätigt, dass es darum geht, an der Aktivistin ein abschreckendes Exempel zu statuieren und die gesamte Klimabewegung 
einzuschüchtern. Doch damit ist der Prozess noch nicht zu Ende, denn „Ella“ lässt das Urteil nicht auf sich beruhen, sondern geht in die nächste Instanz. Mit der Berufungsverhandlung ist im Januar 2022 zu rechnen.

Schikanen in der JVA Preungesheim

Dass das Ziel ist, „Ella“ kleinzukriegen, zeigt auch die Gefängnisverwaltung in Frankfurt-Preungesheim mit erfindungsreichen Schikanen. Das fängt schon bei minimalen Grundbedürfnissen an, indem ihr geeignete vegane Nahrung über viele Monate vorenthalten wurde, bis der Gefängnisarzt mehr Proteine verordnete. Das Recht auf Kontakte mit engen Bezugspersonen ist für die Klimaaktivistin auf nur einen einzigen Privatbesuch im Monat beschränkt. Dass „Ella“ kaum Deutsch spricht, nutzt die Justizvollzugsanstalt (JVA) aus, indem sie als weitere Hürde angeordnet hat, dass bei jedem Besuch ein*e vereidigte*r Dolmetscher*in anwesend sein muss – und die Kosten übernimmt das Gefängnis nicht. Für Empörung sorgte die Gefängnisleitung im Sommer 2021, als sie ein Gespräch mit einer Journalistin der „jungen Welt“ als Privatbesuch deklarierte und für diesen Monat keine weiteren Kontakte zuließ. Um „Ella“ von den häufigen Solidaritätskundgebungen fernzuhalten und die Verbindung zu ihren Unterstützer*innen zu erschweren, wurde sie in einen abgelegenen Zellentrakt verlegt, aber auch diese Schikane hat nur begrenzten Erfolg: „Zu eurer weiteren Information: Ich wurde absichtlich auf der Innenseite des Gefängniskomplexes untergebracht, damit ich bei der Freitagsdemonstration nicht gehört werde und euch nicht hören kann. Aber ich und die anderen Gefangenen hören euch, und die Stimmung steigt jedes Mal. Abschottung ist das Ziel des Staates, Verbindungen sind unser Gegenmittel. So möchte ich euch alle mit der Zuneigung überschütten, die ich geben möchte.“ (2)

Praktische Solidarität

Weiterhin lässt sich „Ella“ von der inzwischen einjährigen Haft nicht zermürben und verleiht ihrer Vision eines solidarischen, kollektiven Miteinanders und eines respektvollen Umgangs mit der Natur in ihren Briefen Ausdruck. Die vielen Postkarten und langen Mitteilungen von außen stellen eine extrem wichtige Unterstützung dar, und selbstverständlich freut sie sich über weitere Briefe ebenso wie über Artikel und kleine Hefte, die sie oftmals trotz der Gefängniszensur erreichen und ihr Möglichkeiten bieten, sich politisch weiterzuentwickeln: „Vielen Dank auch für die Einsendungen, die mein Wissen und meine Phantasie genährt haben; all die Unterstützung hat mir wirklich dabei geholfen, in dieser Frustration nicht die Wände hochzugehen. Leute haben mich in Briefen gefragt, worüber ich gerne lese. Also nur um es die Welt wissen zu lassen, weil ich vielleicht noch eine ganze Weile hier bin: einige Themen, die mich interessieren, sind Öko-Anarchismus, Queer- und Ökofeminismus, indigener Widerstand, Gefängnisabschaffung, Metaphysik und Naturheilkunde, Wissenschaft, Poesie, Komödien – ich bin offen.“ (3)
Mit vielen Kundgebungen, Vorführungen des Films „Ella“, dem Offenen Brief von „Wald statt Asphalt“ und anderen Solidaritätsaktionen zeigen Unterstützer*innen weiterhin bundesweit und international, dass die gefangene Klimaaktivistin nicht allein ist. Zum Jahrestag der Verhaftung und im Vorfeld des Berufungsprozesses wird es weitere Proteste geben, um ausreichend politischen Druck aufzubauen, damit die Parole „Free Ella!“ endlich Wirklichkeit wird.

(1) Brief von „Ella“, veröffentlicht am 31. März 2021 auf freethemall.blackblogs.org
(2) Brief von „Ella“, veröffentlicht am 31. Januar 2021 auf freethemall.blackblogs.org
(3) Siehe Anm. 1.

Ella freut sich über Postkarten und Briefe an:

JVA Preungesheim
JVA 3 z. H. UWP Eins
Obere Kreuzäckerstr. 4
60435 Frankfurt am Main

Wenn ihr Ella Bücher oder sonstige Geschenke schicken wollt, nehmt vorher brieflich Kontakt mit ihr auf, so dass sie alles Nötige in die Wege leiten kann, damit euer Päckchen auch zugestellt wird.

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.