Renate Böhm, Ela Großmann, Birgit Buchinger (Hg.): Kämpferinnen, Mandelbaum Verlag, Wien 2021, 263 Seiten, 22,00 Euro, ISBN 978-3-85476-984-2
Der Sammelband „Kämpferinnen“ ist ein aufschlussreicher Rück- und Überblick über die „zweite Frauenbewegung“. Die porträtierten Frauen wurden vor Ende des Zweiten Weltkrieges geboren und haben den Feminismus im deutschsprachigen Raum wesentlich mitgeprägt. Sie sind bis heute aktiv, und dennoch sind viele von ihnen kaum noch bekannt. Auf Basis von biografischen Interviews, die die Herausgeberinnen führten, schrieben „jüngere“ Frauen Texte über die jeweiligen Wegbereiterinnen. Dies steht im Gedanken der Vermittlung und Auseinandersetzung zwischen den Generationen.
So vielfältig wie die erreichten Veränderungen
Den Porträtierten ist vieles gemeinsam. Kindheitserlebnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit prägten ihre Biografien. Viele von ihnen haben eine akademische Ausbildung durchlaufen und teilweise auch selbst an Universitäten gelehrt. Dennoch hören sie nicht auf, kritisch und unbequem zu sein. Die Entstehung neuer Institute und Studiengänge in den 1970er-Jahren bot ihnen Raum für Experimente und Neudefinitionen. Dennoch sind die Porträtierten so vielfältig wie die Veränderungen, zu denen sie beigetragen haben.
So folgt etwa ein Porträt der – unter anderem durch den Roman „Aimée und Jaguar“ und das erst 2019 erschienene Sachbuch „Feminismus Revisited“ bekannten – Schriftstellerin Erica Fischer direkt auf einen Text über die Unternehmerin Helma Sick. Letztere gründete 1987 eine Finanzberatungsfirma speziell für Frauen und gab später in der Zeitschrift „Brigitte“ regelmäßig Geldanlagetipps. Denn schon früh hatte sie erkannt, dass finanzielle Abhängigkeit Frauen in unerträgliche Situationen treibt. In einer Zeit, in der Männer in der Finanzbranche spotteten: „Frauen und Geld … so was Blödes“, begann Sick, Vorträge zum Thema finanzielle Unabhängigkeit zu halten.
Doch lange galt das Einkommen einer Frau ohnehin nur als „Zweiteinkommen“. Umso wichtiger war es, dass Frauen wie die Wirtschaftswissenschaftlerin Elisabeth Stiefel die Unsichtbarmachung weiblicher Arbeit in der klassischen Ökonomie thematisierten und kritisierten. Da Carearbeit wichtig für den sozialen Zusammenhalt und damit auch für die Lebensqualität ist, fordert Stiefel, das Ziel der Ökonomie müsse Versorgung statt Wachstum werden. Die Soziologin und Historikerin Irene Stoehr, die sich zu Beginn ihrer universitären Karriere in einer Kampagne für die Bezahlung von Hausarbeit engagierte, lieferte wichtige Beiträge zur Auseinandersetzung mit historischen Frauenbewegungen. Sie spricht sich gegen Abgrenzungen und Überheblichkeit gegenüber vermeintlich weniger emanzipierten Frauen aus. Unter anderem entlarvt sie den Versuch der Frauenbewegung, Fabrikarbeiterinnen zu mobilisieren, als elitär, da zugleich die alltäglichen Kämpfe von Hausfrauen, Verkäuferinnen und Krankenpflegerinnen meist ignoriert wurden.
Begleitende Aktionsforschung
Spannend ist diesbezüglich auch der Ansatz der Soziologin Maria Mies, die sich für einen gemeinsamen Kampf mit den „Soziologinnen ohne Diplom“ ausspricht. Sie stellte das damalige Wissenschaftsparadigma in Frage, da Frauen und Menschen aus „den Kolonien“ im bis dahin herrschenden Diskurs nicht mitgedacht wurden. Ihr zufolge muss sich Wissenschaft solidarisch mit den Beforschten verstehen. Demzufolge führte eines ihrer Seminare zur Gründung des ersten autonomen Frauenhauses, in dem begleitende Aktionsforschung zum Thema Gewalt in Beziehungen stattfand. Einen wichtigen Bestandteil im Lebenswerk von Maria Mies stellen die sieben „methodischen Postulate der Frauenforschung“ dar, mit denen sie Wissenschaft und Aktivismus verbindet. Neben einer gemeinsamen Sicht von unten gehört zu diesen auch die Beteiligung der Beforschten am Forschungsprozess und an gesellschaftlicher Veränderung. Auch die Orientierung an den Bedürfnissen der Frauenbewegung und die Entwicklung einer feministischen Gesellschaftstheorie sind wichtige Punkte. Mies beschreibt die Unterdrückung von Frauen als Teil des Wachstumsparadigmas und Folge „patriarchalischer Produktionsverhältnisse“. In ihrem 1986 erschienenen Buch „Patriarchat und Kapital“ analysiert sie historische Gesellschaftsformen in Bezug auf Arbeitsteilung. Zusammen mit Vandana Shiva veröffentlichte sie das Buch „Ökofeminismus“, in dem es um die Bedeutung einer intakten Subsistenzbasis geht.
Auch Christina Thürmer-Rohr, die an der TU Berlin Menschenrechte und Feministische Theorie lehrte, will mit Frauenforschung an die sozialen Kämpfe aller Frauen anknüpfen. Spannend liest sich das Porträt der Soziologin und kritischen Psychologin Frigga Haug. Die Filmemacherin Christina von Braun, die an der Humboldt-Universität zu Berlin Kulturwissenschaften lehrt, nutzte 1996 ihre Position als Professorin, um dort einen Studiengang „Gender Studies“ zu initiieren. Die Matriarchatsforscherin Heide Göttner-Abendroth wendete sich hingegen bewusst von universitären Strukturen ab und gründete HAIGA, eine Akademie für Matriarchatsforschung. Mit Geschlechterfragen in der Medienwelt beschäftigen sich die Beiträge über die österreichische Journalistin und Medienmacherin Susanne Feigl, Marlies Hesse, die ab 1969 jahrelang als einzige Frau in der Intendanz des Deutschlandfunks arbeitete, und die deutlich aktivistischere Schauspielerin und Redakteurin Ute Remus.
Auch wenn die oft sehr systematisch erzählten Biografien etwas langatmig daherkommen und den Texten mitunter der Hauch des letzten Jahrhunderts anhaftet, ist doch erstaunlich, wie aktuell viele der diversen und teilweise bewusst widersprüchlich ausgewählten Beiträge und Konzepte nach wie vor sind. Andere Forderungen haben längst in den öffentlichen Diskurs Eingang gefunden, sollten aber gerade deshalb nicht vergessen werden.