Auf dem heiß umkämpften Wohnungsmarkt in Münster gehen die Preise durch die Decke, und für internationale Studierende ist die Lage besonders prekär. Auch das Studierendenwerk nutzt die Notlage aus, verlangt überhöhte Mieten sogar für Notunterkünfte und kündigt weitere Erhöhungen an – doch dagegen regt sich entschiedener Widerstand. Die FAU Münster und betroffene Studierende berichten für die Graswurzelrevolution über die Entstehung der Proteste. (GWR-Red.)
Vor zwei Jahren kam Kamal (Pseudonym) zum Studieren nach Münster. Schon vor der Ankunft in Deutschland versuchte er, eine Unterkunft im Studierendenwohnheim zu finden, hatte dabei aber keinen Erfolg. Ihm wurde lediglich eine Notunterkunft vom Studierendenwerk angeboten, wofür er sich aber erst persönlich in Münster registrieren konnte. Am Ende landete er in einer zuvor als Geflüchtetenunterkunft genutzten Notunterkunft und musste dafür stolze 10 Euro pro Nacht bezahlen.
Den Raum musste er sich mit zwei anderen Bewohner*innen teilen, die sanitären Anlagen sogar mit dem gesamten Flur. Am Ende des Monats erhält das Studierendenwerk also 900 Euro pro Raum, womit sich sogar in Münster eine ansehnliche Studierenden-WG finanzieren lässt. Unter dem Wohnungsmangel leiden internationale Studierende besonders, da in der Regel Bewerber*innen mit deutschem Pass bevorzugt werden.
Katastrophale Bedingungen für internationale Studierende
Auch Tania zog vor vier Jahren zum Studieren nach Deutschland. Fast einen Monat musste sie von der Wohnung eines Freundes aus Essen nach Münster pendeln. Das bedeutete, jeden Tag zweimal über eine Stunde im Zug zu sitzen. Auch Tania hatte sich bereits vor der Ankunft erfolglos um ein Zimmer beim Studierendenwerk bemüht. Erst nach über sechs Wochen erhielt sie ein Zimmer weit von der Uni entfernt in Gremmendorf, welches bei gerade einmal sechs Quadratmetern 250 Euro kostete. Schon nach drei Monaten kam die erste Mieterhöhung um 25 Euro. Tania war nicht bereit, 275 Euro für sechs Quadratmeter zu bezahlen, und entschied sich umzuziehen. Plötzlich war eine Wohnung inklusive Bad und Küche bei 17 Quadratmetern Größe für 210 Euro zu haben. Wie viele andere Studierende konnte sie diese völlig unterschiedlichen Quadratmeterpreise nicht nachvollziehen und empfand sie als willkürlich und intransparent.
Rams Geschichte in Deutschland begann vor fünf Jahren ähnlich. Nach seiner Ankunft bewarb er sich bei über 50 Wohngemeinschaften, ohne eine einzige Antwort zu erhalten. Auch er musste zunächst in eine Notunterkunft ziehen. Diese kostete zwar mit 5 Euro nur die Hälfte von Kamals Unterkunft, das Zimmer musste aber mit sieben Menschen geteilt werden, und es gab keinen Zugang zu einer Küche. Daher musste Ram für fast einen Monat außerhalb in Restaurants oder Imbissen essen und einen deutlich größeren Betrag als geplant und eigentlich verfügbar für Essen ausgeben. Aufgrund dieser Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche musste Ram über neun Monate auf seine Frau und sein Kind warten, da die Visa erst nach offiziellem Nachweis über eine eigene Wohnung ausgestellt werden.
Kollektiver Protest gegen Mieterhöhungen
Heute wohnen Kamal, Tania und Ram alle im gleichen Wohnheim des Studierendenwerks. Mitte Februar 2022 erhielten sie einen Brief des Studierendenwerks, in welchem eine Mieterhöhung um neun Prozent ab April angekündigt wurde. Bei nur sechs Wochen Vorlaufzeit blieb auf dem umkämpften Wohnungsmarkt keine Zeit für einen Umzug. Ein großer Teil der internationalen Studierenden arbeitet für den Mindestlohn in Branchen wie der Gastronomie oder der schnell wachsenden Gig Economy, in der einzelne kleine Aufträge ohne dauerhafte Anstellung vergeben werden. In Verbindung mit struktureller Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt führt dies dazu, dass ohnehin wenige Alternativen zu einem Zimmer im Studierendenwohnheim existieren. Dazu kommt, dass internationale Studierende kaum Zugang zu finanzieller Unterstützung durch den Staat haben und somit noch mehr auf sich allein gestellt sind.
Als Antwort auf diese Mieterhöhung um neun Prozent hat sich eine autonom organisierte Gruppe von Studierenden aus den Wohnheimen des Studierendenwerks gebildet. Zusammen mit der Freien Arbeiter*innen-Union (FAU), dem Fikus-Referat (Uni-Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende), Berg Fidel Solidarisch (einer Gruppe, die in lokale Mietkämpfe involviert ist) und anderen Unterstützer*innen wurden bereits zwei Protestaktionen vor dem Studierendenwerk am Aasee organisiert. Die Gruppe machte dabei klar, dass sie als letztes Glied in der Kette nicht alleine die Belastung der Preiserhöhungen tragen kann und will.
Mit dem Motto „Wer bezahlt das?” ordnen sie ihren Protest in den Zusammenhang der generellen Preiserhöhungen ein. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass etwa die Preise für Energie 2021 Rekordniveau erreicht haben. Auch andere Dinge des täglichen Bedarfs wie Mobilität oder Lebensmittel steigen rasant im Preis. Angesichts der Tatsache, dass das kapitalistische System zusammen mit der Coronakrise und der Inflation weiterhin zur sozialen Polarisierung beiträgt, verlangt die Gruppe, dass der Staat sowie die finanzielle und ökonomische Elite die Verantwortung übernehmen und für die Preiserhöhungen aufkommen.
Nur ein erster Schritt
Die Aktionen gegen die Mieterhöhungen sollen jedoch nur der Anfang des Widerstands gegen steigende Preise sein. Während anarchistische und andere antikapitalistische Gruppen zu Beginn der Coronakrise ihren Protest zu selten auf die Straße brachten, soll in diesem neuen Jahr voller sozialer Kämpfe verhindert werden, dass Faschist*innen erneut die Proteste zu instrumentalisieren versuchen. Daher sollen die bisherigen Aktionen der autonomen Gruppe der Studierenden nicht das Ende gewesen sein. Zusammen mit anderen Gruppen soll der Protest größer und stärker werden und somit vor allem Aufmerksamkeit für den Widerstand gegen das Durchreichen der Preiserhöhungen nach unten schaffen.
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.