Klein, aber kämpferisch – das sind sie beide: Die anarchosyndikalistische Basisgewerkschaft Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) und ihre Zeitung, die Direkte Aktion. Spektakuläre Kampagnen haben die FAU einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht – etwa der jahrelange zähe Kampf für die Bezahlung der um ihren Lohn betrogenen rumänischen Bauarbeiter der „Mall of Shame“ in Berlin oder der vielbeachtete Arbeitskampf im Kino Babylon. Hin und wieder gibt es schöne Erfolge zu feiern, wie jüngst den Triumph der FAU Magdeburg, die sich gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen und Einschüchterungsversuche in Filialen der Fastfood-Kette Domino’s Pizza durchsetzen konnte. Dazwischen aber liegen die Mühen der Ebene. Die FAU geht auch und gerade dorthin, wo die großen Gewerkschaften selten zu finden sind, und organisiert Menschen, die als kaum organisierbar gelten: Leiharbeiter*innen und Lieferservice-Fahrer*innen, Erwerbslose, informell Beschäftigte und Saisonarbeitskräfte mit prekärem Aufenthaltsstatus. Die Direkte Aktion, seit 2016 hauptsächlich online präsent, berichtet über diese Kämpfe, behält aber auch globale Entwicklungen im Blick. Ob radikaler Feminismus im Libanon, revolutionäre Positionen gegen den Krieg in der Ukraine oder zauberhafte Anarcho-Poesie – die vielstimmige, ansprechend gestaltete Seite direkteaktion.org ist eine Fundgrube für jeden politisch interessierten Menschen. (GWR-Red.)
GWR: Die Direkte Aktion (DA) ist eine anarchosyndikalistische Zeitung. Wie spiegelt sich das in euren Themen wider? Wo liegen eure Schwerpunkte?
Direkte Aktion: Die Beiträge beschäftigen sich mit emanzipatorischer und basisdemokratischer Gewerkschaftsarbeit und orientieren sich dabei an anarchosyndikalistischen Prinzipien. Wir wollen die Arbeitskämpfe abbilden, die wir erleben, und auch über globale Kämpfe gegen Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt berichten. Wir veröffentlichen Texte über alternative Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens, zum Beispiel über Kollektive, Wald- und Hausbesetzungen. Unsere Artikel sollen verschiedene Lebensverhältnisse abbilden. Ebenso kritisieren wir patriarchale Strukturen in der Gesellschaft. Die DA beleuchtet schon immer Theorie und Praxis des Anarchismus.
Ihr seid die Zeitung der Freien Arbeiter*innen-Union (FAU). Wie genau gestaltet sich das Verhältnis zur FAU?
Die Zeitung wird von FAU-Mitgliedern gemacht und soll einerseits als Sprachrohr nach außen dienen und andererseits auch intern Diskussionen anregen. Die Redaktion der DA wird durch den Bundeskongress der FAU für zwei Jahre mandatiert. Die inhaltliche Ausgestaltung hängt vor allem von der Arbeit und Themenschwerpunktsetzung der einzelnen Syndikate bzw. Mitglieder ab, die aktiv Inhalte einbringen. Außerdem fragen wir, wie wir unsere Organisation besser machen können. Eine kritische Selbstreflexion der FAU darf also in der DA nicht fehlen.
Wie ist eure Redaktionsgruppe organisiert? Wie werden Entscheidungen getroffen und Wissen an neue Mitglieder der Redaktion vermittelt?
Die Redaktionsmitglieder sind teilweise in unterschiedlichen Syndikaten organisiert und leben in verschiedenen Städten. Deshalb finden unsere Sitzungen online statt. Wir treffen uns monatlich zu einer Redaktionskonferenz, besprechen dort Ideen und eingereichte Beiträge und verteilen Aufgaben. Auf dem jährlich stattfindenden Bundeskongress besteht die Möglichkeit, sich zu vernetzen und Wissen an Interessierte weiterzuvermitteln.
Mit welchen anderen Projekten arbeitet ihr zusammen?
Als Bundesorgan kooperieren wir bundesweit mit über 30 Syndikaten. In den Syndikaten gibt es Arbeitsgruppen (AG), die zu Themen wie ALG II / Hartz IV, Arbeitsrecht oder zur Organisierung in Lieferdiensten arbeiten. Diese liefern uns Input mit eigenen Beiträgen oder Hinweise. Erst vor kurzem gab es zum Beispiel einen Beitrag der AG Feministische Kämpfe aus Dresden (https://direkteaktion.org/nichts-als-hirngespinste/) und einen Text der Erwerbslosen-AG der FAU Magdeburg. Es gibt auch bundesweite Projekte wie die fem*fau oder den Kollektivbetriebszusammenschluss der Union Coop. Oder auf internationaler Ebene den Gewerkschaftszusammenschluss der International Confederation of Labor.
Inzwischen seid ihr hauptsächlich online präsent. Wann habt ihr die regelmäßige Printausgabe eingestellt und warum?
2016 haben wir uns für die Online-Präsenz und die Einstellung der Printausgabe entschieden. Unsere Ressourcen waren und sind begrenzt, und der Kostenaufwand war irgendwann einfach zu hoch. Unsere jährlich erscheinende Verteilzeitung zum 1. Mai wird aber weiterhin in den Druck gehen.
Wie finanziert ihr euch?
Die Arbeit bei der DA beruht auf ehrenamtlichem Engagement. Die Kosten für die Direkte Aktion, die digitale Infrastruktur und die einmal jährlich zum 1. Mai erscheinende Verteilzeitung werden über die FAU-Mitgliedsbeiträge finanziert.
Zu Zeiten der Printausgabe gab es Wiederverkäufer:innen mit größeren Bestellmengen und (Einzel-)Abonnent:innen. Die Zeitung hatte den Anspruch, Druckkosten und Versand durch den Verkauf zu finanzieren.
Ihr könnt jetzt auf eine 45-jährige Geschichte zurückblicken. Welche Ereignisse waren dabei prägend? Welche einschneidenden Veränderungen gab es?
Die langjährige Publikation der alle zwei Monate erscheinenden Print-Zeitung war in ehrenamtlicher Arbeit eine große Leistung. Themenschwerpunkte mit ansprechendem Design gingen weg wie warme Semmeln. Beispielhaft waren dabei die Kampagne gegen die Leiharbeit, der Kampf um das Streikrecht oder auch eine sehr schön gelayoutete Ausgabe zu Arbeitskämpfen in Frankreich. Bei der Fabrikbesetzung 2007 im thüringischen Nordhausen konnten wir nah am Geschehen berichten.
Von den seit 2016 erscheinenden Sonderausgaben zum 1. Mai können die einzelnen Gruppen der FAU tausende Exemplare bei Kundgebungen und Demonstrationen verteilen. Sonderausgaben gab es auch im Bildungsbereich (Uni von unten) sowie zum Thema Feminismus. Der organisatorische Aufwand dafür ist dabei überschaubar, im Gegensatz zur Aufrechterhaltung einer Aboverwaltung. Die Organisation wächst weiter, der Umbruch in der DA hat dem keinen Abbruch getan. Wir können gezielt Kampagnen fahren, die Aktivitäten der FAU bewerben und unsere Mitglieder pushen.
Seht ihr einen Unterschied im Vergleich zur Printausgabe? Ist es einfacher, die Leser:innen im Internet zu erreichen?
Die Lesenden können jetzt einfacher mit uns in Interaktion treten und ihre Kommentare niedrigschwelliger veröffentlichen. Insgesamt sind wir mit der Online-Reichweite bisher relativ zufrieden. Die DA ist auf Twitter, Facebook und Mastodon vertreten. Es ist aber alles eine Frage der Ressourcen, und unsere Kapazitäten sind begrenzt. In der Vermittlung von Inhalten könnten wir noch kreativer werden.
Gleichzeitig fehlt aber auch der „Zufallskontakt“, den es durch Handverkauf auf Demos, Verkauf in Infoläden etc. gab.
Natürlich erreichen uns auch weiterhin Anfragen, ob die DA auch in Print erscheint. Deshalb sind wir froh, dass die einmal im Jahr erscheinende Verteilzeitung zum 1.Mai weiterhin gedruckt wird, um so auch außerhalb des Internets präsent zu sein.
Wo seht ihr euch in der Medienlandschaft?
Wir berichten viel über die libertäre Szene und reflektieren über die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland und weltweit.
Wie verortet ihr euch im Vergleich mit anderen anarchistischen Zeitungen wie der GWR oder Portalen wie dem untergrundblättle? Was sind eure Besonderheiten, und wo gibt es Kooperation?
Als Organ der FAU beschäftigen wir uns in erster Linie mit Themen aus unserer Organisation. Unser Schwerpunkt ist das Thema Arbeit. Wir kooperieren mit anderen Publikationen wie z. B. dem Express, der Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. In der Printausgabe gab es mit verschiedenen linken Zeitungen den Austausch von Anzeigen.
Was ist eure Zielgruppe?
Die DA ist für alle Menschen, die sich für Arbeitskämpfe, Kapitalismuskritik und den Aufbau einer alternativen Gesellschaft interessieren; also sowohl für eine interessierte Öffentlichkeit als auch für FAU-Mitglieder selbst.
Als Anarchosyndikalist:innen wollen wir primär in die Gewerkschafts- und Arbeiter:innen-Bewegung hineinwirken. Aber auch andere soziale Bewegungen wie die feministische oder die antifaschistische Bewegung haben für uns eine große Bedeutung – genauso der Kampf gegen staatliche Repressionen.
Mit welchen Herausforderungen habt ihr zu tun?
Wir suchen immer neue Aktive, die Zeit und Lust haben, die DA mitzugestalten. Bei mehr Leuten ist die Arbeit besser verteilt, und neue Perspektiven kommen hinzu. Durch die reine Online-Arbeit wird der Zugang zur aktiven Mitgestaltung vielleicht technisch vereinfacht, aber wichtige Aspekte kollektiven Arbeitens bleiben außen vor. Das merken wir auch innerhalb der gerade bestehenden Redaktion: Der Wunsch, sich mal „in echt“ auszutauschen, um auch konstruktiv und zukunftsorientiert arbeiten zu können, wächst beständig.
Danke für die vielen Informationen zur DA – und auf viele weitere Jahre erfolgreiche anarchosyndikalistische Öffentlichkeitsarbeit!
Die Direkte Aktion findet ihr unter: https://direkteaktion.org
Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Druckausgabe der GWR. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.