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Lützerath lebt immer noch!

Auf nach Lützerath – Räumung verhindern!

| Mara von Lützerath lebt!

Beitraglüt

Lützerath – ein Dorf am Abgrund: Die monströsen Braunkohlebagger sind nur noch einen Steinwurf entfernt. Um dafür zu sorgen, dass die Kohle im Boden und das Dorf obendrauf bleibt, leben Menschen dort – und dies entschlossen! Damit blockieren wir die Zerstörung in Solidarität mit den Menschen im Globalen Süden, die seit Jahrhunderten Widerstand gegen Kolonialismus und Umweltzerstörung leisten. Zelte, Hütten, Baumhäuser und Gebäude sind unser Zuhause, und echte Klimagerechtigkeit ist unser Ziel.

Die grünen Wirtschaftsminister*innen Robert Habeck (Bund) und Mona Neubaur (Nordrhein-Westfalen) verkündeten Anfang Oktober 2022 in einem Nebensatz, dass sie Lützerath abbaggern werden. Übertüncht wurde das mit einem Eigenlob zum Kohleausstieg 2030 als angeblich großem Erfolg für den Klimaschutz. Im dritten und letzten Redeslot der Pressekonferenz hatte der Vorstandsvorsitzende des Energieriesen RWE viel Zeit und Raum, um Märchen von der Großartigkeit seines Konzerns zu erzählen.
Seitdem wird diese Entscheidung mit Lügen durchgedrückt. Die Fakten: Weder der Erhalt der anderen fünf Dörfer noch die Energiesicherheit hängen an der Abbaggerung Lützeraths – denn die Kohle darunter ist bergbautechnisch diesen Winter gar nicht erschließbar, und RWE hat genug offene Dreckslöcher mit verfügbarer Kohle für Jahre. Und der Knaller: Die hochgepriesenen Emissionseinsparungen existieren gar nicht – durch die Laufzeitverlängerung von zwei Kohlekraftwerken verlagern sich die Emissionen lediglich zeitlich nach vorne. Das zugerechnete verbleibende CO2-Budget im Rahmen des Pariser Klimaabkommens wird so unausweichlich um das Sechsfache (!) überschritten! Einziger Profiteur dieses vorgezogenen Kohleausstiegs ist RWE, da der Strom während der derzeitigen Energiekrise teurer verkauft werden kann. Dadurch konnte der Konzern in diesem Krisenjahr seine Gewinne bereits verdoppeln.
Der Erkelenzer Bürgermeister bewies Haltung und weigerte sich, die Polizei zum Räumungseinsatz zu beordern. Nun wiesen Neubaur und Innenminister Herbert Reul die Bezirksregierung Köln als nächsthöhere Instanz an, die Räumung zu veranlassen.
Das alles ist nicht überraschend. Wir leben in Lützerath, eben weil wir nicht glauben, dass Politiker*innen, Staat oder Regierung uns retten werden – oder das überhaupt wollen. Die Grünen haben das anhand von Lützerath mal wieder sehr eindrücklich bewiesen.

Leben in Lützerath

Für uns ist klar: Wir nehmen die Veränderung selbst in die Hand. An einem Ort, an dem sehr offensichtlich Klimakrise gemacht wird, stellen wir uns dieser Zerstörung in den Weg. Gleichzeitig arbeiten wir aktiv an Alternativen: Wir müssen weg vom Kapitalismus als zerstörerischem Wirtschaftssystem, das unsere Lebensgrundlage vernichtet und die Klimakrise verursacht. Wir setzen ihm ein solidarisches Zusammenleben entgegen, in dem wir füreinander da sind und unser Ziel ist, dass alle ihre Bedürfnisse erfüllen können.
Überraschend schwierig finde ich es dabei, den Kapitalismus und die Tauschlogik in unseren Köpfen zu überwinden, die uns in allen Lebensbereichen von klein auf ansozialisiert werden. Jeden Tag probieren wir aus, wie wir gut zusammen leben können.
Wir arbeiten daran, Diskriminierung abzubauen – Rassismus, Ableismus, Sexismus. Gar nicht so einfach, wenn wir gleichzeitig mit der Selbstorganisation des ganzen Dorfes beschäftigt sind! Feminismus ist für uns dabei ganz klar queer: Gegen das Patriarchat und für alle, die von ihm unterdrückt werden! „Feminismus“, der nur cis-Frauen miteinbezieht, sehen wir als Teil dieser Unterdrückungsstruktur. Wir kämpfen für eine Welt, in der viele Welten Platz haben, wie die Zapatistas sagen!

Solidarität kennt keine Grenzen

Dazu zählt für uns ganz klar die Solidarität mit internationalen und internationalistischen Kämpfen. Ganz aktuell der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Türkei, die seit dem 19. November 2022 die selbstverwalteten Gesellschaften Kurdistans attackiert. In Nord-Ost-Syrien wird gezielt zivile Infrastruktur bombardiert: Schulen, Krankenhäuser, Gemeindezentren, Energieversorgung und Getreidesilos. Die Initiative „Make Rojava Green Again“ berichtet von genozidalen Zügen dieses Krieges, der zum Ziel hat, die Errungenschaften der kurdischen Freiheitsbewegung zu vernichten.
Die westlichen Medien übernehmen unhinterfragt das türkische Narrativ der „Terrorbekämpfung“. Deutsche Politiker*innen wie die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock – von den Grünen, Überraschung! – profilieren sich mit symbolischer Solidarität mit der feministischen Revolution im Iran und ihrem von der kurdischen Bewegung übernommenen Slogan „Jin, Jiyan, Azadî“ (dt. „Frau*, Leben, Freiheit“). Wenn genau diese Frauen* von der Türkei angegriffen werden, verschließen sie die Augen – und machen sich damit mitschuldig.

An einem Ort, an dem sehr offensichtlich Klimakrise gemacht wird, stellen wir uns dieser Zerstörung in den Weg. Gleichzeitig arbeiten wir aktiv an Alternativen: Wir müssen weg vom Kapitalismus als zerstörerischem Wirtschaftssystem, das unsere Lebensgrundlage vernichtet und die Klimakrise verursacht.

In der Aktionswoche „We see your crimes“ Anfang Dezember 2022 wurde genau das zum Hauptthema gemacht. Die Initiative Lützerath lebt! beteiligte sich an den Aktionen, Demonstrationen und Blockaden von Parteibüros. Einen Angriff auf die kurdische Freiheitsbewegung müssen wir in der Klimagerechtigkeitsbewegung als einen Angriff auf uns alle verstehen. Dazu Charly Dietz, Pressesprecherin von Ende Gelände in der Pressemitteilung: „Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist mit der kurdischen Freiheitsbewegung verbunden. Angesichts der Klimakatastrophe stehen Gesellschaften weltweit vor existenziellen Herausforderungen. Das demokratische Projekt in Rojava hat auf viele dieser Fragen Antworten gefunden und gibt Menschen überall Hoffnung auf eine gerechtere Welt. Ein Angriff auf sie ist ein Angriff auf alle, die sich für Ökologie, Feminismus und Basisdemokratie einsetzen.“

Foto: Lützerath lebt!
Räumungsvorbereitungen in vollem Gange

Am 5. Dezember 2022, pünktlich zum ersten Schnee, führte die Polizei eine absurde Machtdemonstration in Lützerath durch: Mit einer Hundertschaft in voller Kampfmontur machte sie eine Ortsbegehung. Damit zeigt die Regierung ganz klar: Sie will die Räumung um jeden Preis autoritär durchdrücken. Auch RWE legt große Entschlossenheit an den Tag und kappte dem Dorf am folgenden Tag den Strom – obwohl das Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigt hat, dass Energieversorgung ein Grundrecht ist.
Einen Großteil der letzten zwei Jahre mussten wir mit einer baldigen Räumung rechnen – dass wir immer noch hier sind, ist ein großer Erfolg des vereinten Widerstands mit den Menschen aus den Dörfern. Aber nun ist ein Räumungsversuch so wahrscheinlich wie nie; gerade deutet alles darauf hin, dass es Mitte Januar 2023 dazu kommen wird. Deswegen rufen wir alle Menschen dazu auf, sich dem mit uns in den Weg zu stellen. Kommt im Januar nach Lützerath: Mit buntem und breitem Protest werden wir die Bagger stoppen!
Mit ihrem völlig überzogenen „Besichtigungs“-Aufmarsch versuchte die Polizei, eine Eskalation zu provozieren, um eine Räumung zu legitimieren. Aber dieses Spiel spielen wir nicht mit: Wir wissen, dass die Legitimität auf unserer Seite liegt, und werden unseren Protest weiterführen – für das gute Leben für alle! Lützerath lebt immer noch, und das wird sich nicht so schnell ändern!

Der Text erschien bereits in der Januarausgabe der gedruckten GWR, also vor der einsetzenden Räumung samt staatlicher Aggression gegen die Aktivistis.

Überschrift und Untertitel gelten aber nach wie vor!

(GWR-Online-Red.)

Alle Infos und Kontakt: luetzerathlebt.info,
Twitter und Instagram: @luetzibleibt

 

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Graswurzelrevolution. Schnupperabos zum Kennenlernen gibt es hier.

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