Liebe Freundinnen und Freunde,
vielen Dank, dass Ihr heute hier im Rahmen der #ObjectWarCampaign zusammengekommen seid, dass Ihr Euch mit den Kriegsdienstverweigerern und -verweigerinnen weltweit solidarisiert, insbesondere mit denen in Russland, Belarus und der Ukraine. Sie sind mit ihrem Streben und Wunsch nach Frieden, Gewaltlosigkeit und der Durchsetzung der Menschenrechte mit erschreckenden Umständen konfrontiert.
Eure Anwesenheit heute an dieser Stelle steht für unser kollektives Engagement für eine Welt, in der die Kriegsdienstpflicht nicht die Norm ist, in der Krieg nicht die Lösung für Konflikte ist und in der das Recht, sich für Frieden statt für Gewalt zu entscheiden, respektiert und geschützt wird. Ich spreche hier im Namen der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung, einer Nichtregierungsorganisation, die seit 2014 Kriegsdienstverweigerern in Russland rechtliche und psychologische Hilfe bietet. Unsere Arbeit war zwar schon immer eine Herausforderung, aber seit dem Ausbruch des rechtswidrigen Krieges in der Ukraine ist sie viel wichtiger und bedeutsamer geworden.
Im ersten Jahr der Invasion wurden 20.000 Verhaftungen im Zusammenhang mit der Kriegsgegnerschaft dokumentiert. OVD-Info berichtet über 18.000 Fälle wegen der Teilnahme an Antikriegskundgebungen und fast 6.000 Fälle unter dem neuen Artikel wonach „Diskreditierung des russischen Militärs“ unter Strafe gestellt wurde. Mindestens 447 Strafverfahren wurden im Zusammenhang mit Antikriegsdemonstrationen eingeleitet. Dabei handelt es sich nur um die Menschen, die ihren Protest öffentlich gemacht haben. Tausende andere prangern den Krieg im Verborgenen an. Auch sie können sich nicht sicher vor Strafverfolgung sein. Wir wissen von 26 Personen, die wegen privater Gespräche verhaftet wurden, angezeigt unter anderem von Verwandten. Das bedeutet: Eine enorme Zahl von Russen und Russinnen ist gegen diesen Krieg.
Wir sagen klar: Wir beteiligen uns nicht an diesem Krieg!
Auch die Kriegsdienstverweigerung ist unglaublich schwierig geworden. Das Ministerium für Arbeit, Rostrud, meldet jedes Jahr etwa 1.000 Anträge, obwohl die Zahl der Antragsteller in Wirklichkeit viel höher ist. Fast die Hälfte der Anträge, 47 %, werden abgelehnt. Das bedeutet, dass von den 300.000 Kriegsdienstpflichtigen, die jedes Jahr einberufen werden, nur etwa 500 den Militärdienst erfolgreich verweigern können. 500 von 300.000! Die einzige Möglichkeit, sich vor der Einberufung zu schützen, besteht daher darin, das Land zu verlassen. Rund 200.000 Russen flohen deshalb innerhalb einer Woche nach der Ankündigung der Mobilisierung im Herbst 2022 aus dem Land.
Wer bereits an der Front ist, muss mit schweren Konsequenzen rechnen. Verweigerer und Deserteure werden in Lagern in den besetzten Gebieten festgehalten und sind Einschüchterungen und Gewalt ausgesetzt. Wir wissen von mindestens 13 solchen Lagern. Die Menschen wollen die Teilnahme an diesem Krieg verweigern. Aber man lässt ihnen keine Wahl.
Unterdessen werden antimilitaristische Nichtregierungsorganisationen zunehmend unter Druck gesetzt. Der Zugang zu wichtigen Informationen wird eingeschränkt. Im Jahr 2022 wurden über 300 Websites blockiert. Die russische Regierung bezeichnet Nichtregierungsorganisationen als „ausländische Agenten“, „unerwünschte Organisationen“ und beschuldigt sie sogar „terroristischer oder extremistischer“ Aktivitäten. Hunderte von Menschen haben ihren Arbeitsplatz, ihr Geschäft und ihre sozialen Kontakte verloren, nur weil sie sich entschieden haben: Gegen Krieg, für den Frieden.
Doch selbst inmitten solcher Widrigkeiten kämpfen Organisationen wie die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung weiter. Wir gehen vor Gericht, wir unterstützen Kriegsdienstverweigerer und verbreiten ihre Botschaft des Friedens und der Gewaltlosigkeit. Angesichts der großen Hindernisse ist jeder kleine Sieg ein Zeugnis für ihre Hartnäckigkeit und ihr Engagement.
Wir können nicht allein kämpfen. Internationale Kommunikation und Zusammenarbeit sind unerlässlich. Gemeinsam können wir sicherstellen, dass die Stimmen dieser mutigen Menschen gehört werden, dass ihre Rechte geschützt und ihr Engagement anerkannt wird.
Lasst uns angesichts der Unterdrückung Stimmen des Friedens sein. Lasst uns gegen die Zensur die Wahrheit aussprechen. Lasst uns inmitten des Krieges die Gewaltlosigkeit verfechten. Auf diese Weise unterstützen wir die Kriegsdienstverweigerer von heute und ebnen den Weg für eine Zukunft, in der das Recht respektiert wird, Gewalt abzulehnen.
Die Rede von Maria ist als Video dokumentiert:
www.dfg-vk-hessen.de/aktuell/kdv-aktionswochen/