Mein Praktikum bei der Graswurzelrevolution

Gewaltfrei kämpfen, lernen, Spaß haben und tolle Menschen kennenlernen

| Alex Kempfle

Im Sommer 2023 erschien in der GWR 480 der Artikel „Jesus und die Graswurzelrevolution“, in welchem ich meine Erlebnisse auf der Leipziger Buchmesse reflektiert habe. Ich habe an der Buchmesse im Rahmen meines Praktikums bei der GWR teilgenommen. In diesem Artikel werde ich nun mein gesamtes zwei-monatiges Praktikum beleuchten, unter anderem auch, um den LeserInnen näher zu bringen, wie innerhalb der Graswurzelrevolution gearbeitet wird.

Das Praktikum fand von Anfang April bis Ende Mai 2023 im kleinen GWR-Redaktionsbüro unter dem Dach der ESG Münster statt. Ich bin für diesen Zeitraum extra von München nach Münster gezogen, weil ich der Meinung war, dass ich in München – bzw. deutschlandweit – keinen vergleichbaren Verlag finden würde; und damit habe ich recht behalten. Als Verlag und Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft sind Hierarchien innerhalb der Organisation nicht existent. Direkt vom ersten Tag an wurde ich zu unterschiedlichsten Themen nach meiner Meinung und nach Verbesserungstipps gefragt. Ich habe mich extrem schnell willkommen und akzeptiert gefühlt.
Dieses Gefühl wird von der Stadt Münster weiter gestärkt. Innerhalb Münsters gibt es eine eng verbundene linke Szene, und jegliche Events werden durch unterschiedlichste Kanäle kommuniziert. So besuchte ich während meiner ersten Woche bereits mehrere abendliche Veranstaltungen. Unter anderem über die NSU-Morde und über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Meine ursprüngliche Wahrnehmung war, dass die Veranstaltungen hauptsächlich von Ü50-jährigen, die allesamt ein sehr schwaches Vertrauen in die Polizei hatten, besucht waren; allerdings hat sich die junge Generation einfach nur regelmäßig verspätet, was dann auch untereinander zu einem Running-Gag wurde. Was ich in den zwei Monaten bewundert habe, ist, wie sehr die Szene miteinander verbunden ist. Alle reden miteinander, teilen Informationen und Veranstaltungen, und kämpfen gemeinsam für eine bessere Welt. Das ist etwas, was ich an München vor meiner GWR-Zeit ein wenig vermisst habe. Aber so ist das mit der Heimat; hier kann man wenigstens bei allem, was einem missfällt, anderen die Schuld beimessen und sich selbst von Schuld freisprechen.
Genug zu der Stadt an sich, und wie ich sie wahrgenommen habe. Nun möchte ich ein wenig mehr über die GWR berichten. Als Praktikant bestand meine Hauptaufgabe im Lektorieren. Zusammen mit dem Koordinationsredakteur Bernd Drücke habe ich die Texte, welche uns für die Graswurzelrevolution Nr. 479 und Nr. 480 zugesandt wurden, überprüft, Fragen dazu gestellt, Rechtschreibfehler verbessert, inhaltlich mehr dazu recherchiert, etc.
Falls man das Praktikum in Münster bestreitet, wird man viel Zeit mit Bernd verbringen, was ich sehr schön fand! Ich habe von ihm sehr viel über anarchistische Geschichte, sowohl von Münster als auch deutschlandweit, gelernt. Wir haben im Erdgeschoss des Volkeningheims unsere Mittagspausen im Café Die Weltbühne meist dazu genutzt, um uns noch weiter zu inspirieren. Regelmäßig haben wir Besuch von AutorInnen bekommen, was für mich immer eines der Highlights war, da ich bei den Gesprächen viel gelernt habe. Generell hilft Bernd den PraktikantInnen dabei, in Münster Fuß zu fassen und verstärkt das Verlangen von Wissen in dir.
Natürlich ist er nicht der Einzige, mit dem PraktikantInnen zusammenarbeiten. Innerhalb der GWR stehen alle Beteiligten eng in Kontakt miteinander und tauschen sich über jegliche Themen aus. Ich hatte das Glück, sehr viele spannende Lebensläufe, Charaktere und Meinungen in diesen zwei Monaten kennen zu lernen. Wenn ich an diese Zeit in Erinnerung schwelge, erfüllt sich mein Herz mit Freude! Es war wirklich eine schöne und amüsante Zeit.
Für die Interessierten werde ich noch aufzählen, was für Projekte ich während des Praktikums begleiten durfte. Die Hauptaufgabe war das Lektorat. Zudem habe ich auch beim Layout der Zeitung mitgewirkt, was mir mit meinem Design-Hintergrund natürlich viel Spaß gemacht hat! Bernd und ich haben mit dem russischen Umwelt-Aktivisten Vladimir Slivjak im Studio des medienforms münster ein sehr spannendes Radio-Graswurzelrevolution-Interview geführt, welches in der GWR 480 nachzulesen und online auch auf graswurzel.net zu finden ist. Das fand ich vor allem spannend, weil ich noch nie an einer Radioaufnahme teilgenommen habe. Die Teilnahme an der Leipziger Buchmesse war eines meiner Highlights. Außerdem konnte ich an einem internen GWR-HerausgeberInnen-Treffen in Frankfurt/M. teilnehmen, bei dem ich viele Mitwirkende der GWR in Person getroffen habe. Teilgenommen hat daran als Gast auch eine russische Antimilitaristin, die im Rahmen des Treffen über ihre Arbeit mit russischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren berichtete. Das Treffen war schön, weil ich gemerkt habe, dass die GWR wirklich wie eine kleine Familie ist!
Was ich persönlich für mich mitgenommen habe, ist, wie wichtig die Wahrheit ist. Im Rahmen des Praktikums habe ich viele Menschen kennengelernt, die ihre Energie in das Aufdecken der Wahrheit und in das Herbeiführen von Gerechtigkeit stecken. Menschen, die nicht aufgeben, bis sie die Welt verbessert haben. Menschen, die aufrichtig sind. Und nichts auf der Welt ist schwerer als Aufrichtigkeit. Ich habe gesehen, dass wir unsere Kraft nie verlieren dürfen, denn wir wollen eine bessere Gesellschaft. Wir dürfen uns darin aber auch nicht verlieren, denn die Wahrheit wird uns nicht davon laufen, wohl aber können wir durch den Verzicht auf Individualität unser Leben verderben. Beim Praktikum bei der GWR findet sich darin die perfekte Balance. Du wirst sehr viel lernen und sehr viel kämpfen (natürlich gewaltfrei!), aber du wirst auch viel Spaß haben und tolle Menschen kennenlernen. Zusammenfassend kann ich nichts anderes sagen als: Das Praktikum war perfekt.