Unglaublich beeindruckend

Bisher hatte ich zwar schon viele anarchistische Kongresse in Deutschland besucht und drei mitorganisiert, war aber noch nie auf einem internationalen anarchistischen Treffen. Mir hat der Internationale Anarchistische Kongress, der vom 19. bis 23. Juli 2023 in St. Imier stattgefunden hat, sehr gut gefallen. Unglaublich beeindruckend, was die Organisator*innen in diesem Schweizer 5.000-Einwohner*innen-Örtchen alles geleistet haben. Allein für bis zu 5.000 Anarchist*innen aus aller Welt Essen zu kochen – und bis auf einmal war die Wartezeit in der Schlange unter 30 Minuten.
Das Dorf war wunderbar entspannt. In fünf Tagen habe ich kein einziges Polizeiauto oder überhaupt nur eine*n Polizist*in gesehen – in Deutschland wäre es eine große Aufregung gewesen, mit Vorverurteilung à la „Anarchist*innen sind Chaot*innen“. Dazwischen gab es natürlich liebenswürdiges Chaos, nämlich in der Raum- und Zeitorga. Wohl um Papier zu sparen, gab es keine Programmhefte, sondern alles sollte online eingesehen werden. Bei so vielen Teilnehmenden brach die Homepage allerdings am zweiten Tag zusammen und es war mitunter schwierig, spontan eine Veranstaltung zu finden.
Aber so kam es zu spontanem DIY – wie bei dem Workshop „Arbeiter*innenlieder Singen mit der IWW“. Dort war der Raum belegt, also zogen wir 20 Teilnehmenden in den Garten, in gehörigem Abstand zu den anderen beiden Workshops dort und den Sambatrommler*innen. Es stellte sich heraus, dass die anmeldende Person nicht anwesend war, und so zogen spontan Mitglieder der weltweit organisierten, unionistisch-anarchosyndikalistischen Industrial Workers of the World (IWW, Wobblies) aus Belgien Liedblätter aus der Tasche, hatten aber keine Soundbox, um uns die Melodie vorzuspielen. Es war dann eine schöne Runde, wir haben Englisch und Französisch gesungen, so gut wir es in Unkenntnis der Melodien konnten, und schlossen nach einer Stunde mit „Bella Ciao“, das wir simultan in fünf Sprachen sangen!

 Anarchie Kongress Saint-Imier