Das rechte Sammelbecken FPÖ

Ein Blick auf die Geschichte und Gegenwart der extrem rechten Freiheitlichen Partei Österreichs

| rosalia krenn

1949 wurde in Österreich der Verein der Unabhängigen (VdU) gegründet. Er war ein Sammelbecken der „minderbelasteten“ (so die offizielle Bezeichnung), wieder wahlberechtigten und „entnazifizierten Nationalsozialisten“. 1955 wurde aus dem VdU eine Partei, in der sich die alten Nazis zusammengeschlossen hatten, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Bis heute gehören Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zur Grundhaltung der FPÖ.

Diese Partei verblieb stets im Parlament, sie verhalf einst dem Sozialdemokraten Bruno Kreisky als Steigbügelhalter zur Erlangung der absoluten Mehrheit. Kreisky wusste die FPÖ zu benutzen, sie verblieb aber in der relativen Bedeutungslosigkeit. Einige dem wirtschaftsliberalen Flügel angehörende Politiker_innen gesellten sich dazu, in den 80iger Jahren war Norbert Steger FPÖ-Parteivorsitzender. Bis dann 1986 alles anders wurde.

Haider

In Innsbruck stellte Jörg Haider den Führungsanspruch, verdrängte Norbert Steger und prägte die Partei wie kein anderer.
Haider darf per Gerichtsurteil als „Rechtspopulist“ bezeichnet werden, ein harmlos klingender Begriff, der von den Medien bis heute im deutschsprachigen Raum dazu genutzt wird, Rassist_innen, extrem Rechte und Faschist_innen in die Talkshows einzuladen. Haiders Elternhaus war antisemitisch geprägt, mehr als einmal fiel er mit feindseligen und NS-Nähe ausdrückenden Äußerungen auf: den Vorsitzenden der israelischen Kultusgemeinde könne er durch die Pfeife rauchen und im Dritten Reich hätten sie wenigstens ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht. Diese Aussagen bewirkten Haiders offiziellen Rückzug aus der Bundespolitik. Viele Kärntner und Kärnterinnen waren dagegen sehr angetan von ihm, 1989 wurde er von ÖVP und FPÖ zum Landeshauptmann des österreichischen Bundeslandes Kärten gewählt. Als er 2008 bei einem Autounfall ums Leben kam, „da ging die Sonne unter und das Leben blieb still“, so in etwa hatte es seine Frau Claudia in einem Interview formuliert.
Zuvor, 1992/93, hatte er sich mit seinem Volksbegehren „Österreich zuerst“ eindeutig als fremdenfeindlich positioniert. Wir, die linksorientierten Menschen nannten das Volksbegehren „Anti-Ausländer-Begehren“ und postulierten: „Wir sind alle aus Ländern“. Zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen wurden organisiert, die Innenpolitik war voller Dynamik und Engagement. In Wien gab es gegen die rassistische Hetze gegen „Aus“länder_innen ein Lichtermeer mit über 150.000 Teilnehmer_innen. Jörg Haider machte Fremdenfeindlichkeit zu einem Thema, das öffentlich diskutiert werden konnte, jene, die bis dahin eher still geblieben waren, erhoben nun lautstark ihre Stimme. Wir wurden bei unseren Gegenkundgebungen als „arbeitsscheues Gesindel“ beschimpft und die Männer unter uns als „langhaarige Gfraster“ (1). Haider machte nicht nur Stimmung, die Bundesregierung beschloss eine Verschärfung der Fremdengesetze nach der anderen. So wurde eine von der FPÖ sichtbar gemachte Stimmung gegen „Fremde“ in Gesetzestexte gegossen.
Was machte die FPÖ so beliebt? Reicht Hetze? Nein. Haider machte auch Sozialpolitik. Sozialpolitik prägt bis heute die Freiheitliche Partei. Die Partei zeigte und zeigt bisweilen auf, wie ungerecht Reichtum in diesem Land verteilt ist. Bekannt geworden und bis heute verwendet werden in diesem Zusammenhang die sogenannten Haider-Taferln. In einem seiner Auftritte bei den Fernseh-Konfrontationen, einem politischen TV-Format des Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunks überraschte Haider mit Taferln aus Pappe, auf die er gut lesbar aufgeschrieben hatte, was ein durchschnittlicher Arbeiterkammer-Präsident verdient und mit wie viel Pension er in den Ruhestand gehen wird. Er schrieb auf, was ein gut verdienender Gewerkschafts-Funktionär in gehobener Position verdient und mit wie viel Geld der in den Ruhestand gehen wird.
Die „Haider-Taferln“ werden bis heute sowohl im Parlament als auch bei Fernsehdebatten von vielen Politiker_innen eingesetzt. Jörg Haider positionierte die FPÖ als vermeintliche Stimme gegen „die da oben“ und für die „fleißigen und anständigen“ Bürger_innen „da unten“.

Die Spaltung

2005, die stark geschwächte FPÖ befand sich in einer Neuauflage der schwarzblauen Koalition, gründete Haider das BZÖ, das Bündnis Zukunft Österreich, weil eine geplante Umgestaltung der FPÖ zu einer „lässigen, flotten und jungen“ Partei, die gleichzeitig regierungsfähig sein sollte, bei den Parteifunktionären skeptisch beäugt worden war. Aus dem blauen Koalitionspartner wurde das orange BZÖ und der Wiener Parteichef Heinz-Christian Strache übernahm die Rest-FPÖ.

Strache

Für H. C. Strache spielte Antisemitismus keine große Rolle, er umgab sich gerne mit Burschenschaften, so wie Haider auch, seine Hetze richtete sich gegen den Islam. Politikwissenschafter_innen sprechen von Islamophobie. Er betonte seine Nähe zum Christentum und sprach auch schon mal vom sogenannten „Bevölkerungsaustausch“. So schürte er Ängste in teilen der Bevölkerung. Vor dem Hintergrund steigender Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung erfuhr er bei vielen österreichischen Wähler_innen Zustimmung.
2017 kam es zum zweiten Mal zu einer Koalition von ÖVP und FPÖ.
Ja, ja, schon blöd, dass es ein Ibiza-Video (2) gab. Der große Koalitionspartner ÖVP drängte auf seinen Rücktritt, der grüne Bundespräsident Van der Bellen sagte: „So sind wir nicht“.
Ich sage, so sind sie schon. Denn was Strache in Urlaubslaune an Machtübernahmestrategien phantasiert hatte, hatte die ÖVP längst umgesetzt. Die Österreichische Volkspartei hatte sich zu früh gefreut, denn der Ibiza-Untersuchungsausschuss entdeckte rasch, dass sich die ÖVP insgesamt Bestechlichkeit und Korruption vorwerfen lassen muss. Die ÖVP steht insgesamt unter Korruptionsverdacht von Seiten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. So schnell kann es gehen, die ÖVP wollte dem kleinen Regierungspartner FPÖ schaden und hat sich damit keinen Gefallen getan. Darf man schadenfroh sein? Ich weiß es nicht, ich bin es jedenfalls.
Ob das Ibiza-Video Strache so sehr geschadet hätte, wenn er nicht in die eigene Parteikasse gegriffen hätte, ist schwer zu sagen. Wer hat denn nicht schon im Morgengrauen von der Übernahme des Boulevard-Blattes Kronenzeitung, welches fremdenfeindliche Tendenzen aufweist, phantasiert? Strache hat Spesen verrechnet, das Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet und war damit für die FPÖ untragbar geworden. Das verzeihen ihm seine Anhänger_innen nicht. Bei aller Kritik an den Freiheitlichen, da fängt bei ihnen der Anstand an.

Kickl

Die Stunde des Herbert Kickl war gekommen. Kickl beerbte H.C. Strache. Es ist auffallend, dass die sogenannte Kickl-FPÖ relativ wenig gegen „Aus“länder hetzt, die meisten Reden im Parlament und die meisten Interviews beziehen sich auf handfeste Kritik an der Sozialpolitik. Und so blöd das jetzt klingt, man kann ihm inhaltlich teilweise Recht geben. Er kritisiert die ungerechte Reichtumsverteilung in diesem Land und benennt die politisch Verantwortlichen, allen voran übt er Kritik an der ÖVP.
Nach dem McDonalds Video des Bundeskanzlers Karl Nehammer dürfte sich der Zuspruch für die FPÖ noch weiter erhöhen. Ich weiß nicht, ob dieser Skandal in Deutschland bekannt geworden ist. In Hallein, einer Stadt im Land Salzburg trafen sich ÖVP-Politiker_innen in einem gediegenen Lokal bei Köstlichkeiten und teurem Wein. Karl Nehammer verstieg sich zur Aussage, dass in diesem Land jedes Kind eine warme Mahlzeit bekommen könne. Wer es sich nicht leisten könne, zu Hause anständig zu kochen, der solle halt zu McDonalds gehen, dort würde ein Burger „nur“ einen Euro fünfzig kosten, das sei zwar nicht gesund, aber billig!!! Es verlangt niemand von einem Bundeskanzler, dass er rechnen kann. Aber wenn er schon nicht rechnen kann, soll er bitte lieber nichts sagen. Keine Familie mit geringem Einkommen kann es sich leisten, sich von McDonalds zu ernähren.
Das Video wurde in Hallein gedreht und kam irgendwie an die Öffentlichkeit. Manche Leute munkeln, dass ein Freund von Sebastian Kurz hinter diesem Dreh und der Veröffentlichung stecken könne. Immerhin sieht man Kurz öfter in der Öffentlichkeit, drei Kinofilme über ihn gibt es auch schon. Herbert Kickl freut sich aber über eine andere Aussage des Bundeskanzlers in Hallein. Die über dreihunderttausend Menschen, die arbeitslos sind, seien arbeitsunwillig.
Arbeitsunwillig. Ich würde es nicht glauben, wenn ich es selber nicht gesehen hätte. Das ist eine Beleidigung, die ihresgleichen sucht. Diese Demütigung treibt viele Wählerinnen und Wähler in Richtung FPÖ. Davor habe ich Angst. Ich mag die ÖVP und ihre Politik nicht, dennoch habe ich Angst vor einem möglichen nächsten Kanzler Kickl. Kickl stellt den Kanzleranspruch, er will Volkskanzler werden, der Wahlkampf hat begonnen. Nächsten Herbst finden Nationalratswahlen statt, wenn es nicht zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, die viele fordern. Das hängt unter anderem von den Grünen ab.
Die FPÖ präsentiert sich als Partei, die Lösungen für die dringenden sozialen Probleme anzubieten vermag. Ihre inhaltliche Kritik basiert zum Teil auf Fakten, sie wirkt für viele seriös und dadurch glaubwürdig. Die FPÖ predigt weniger, die „Aus“länder_innen sind schuld, sie prangert „die da oben“ an, und Bundeskanzler Nehammer hat ein Beispiel dafür abgeliefert, wie „die da oben“ über uns denken. Abgehobenheit und Empathielosigkeit zeichnet die derzeitige Bundesregierung aus. Sie macht sich lustig über Menschen, die wenig Geld haben. Das Monatseinkommen des Bundeskanzlers liegt um die 23.000 Euro im Monat, wie soll er da wissen, dass ein normal verdienender Mensch sich bestimmt nicht von McDonalds ernähren kann? Woher soll er wissen, dass Menschen, die arbeitslos sind, noch lange nicht arbeitsunwillig sind? Das werden wir von der Kickl-FPÖ bis zur nächsten Wahl hören. In allen Wahlkämpfen hat die FPÖ von Stimmungen profitiert, die gegeben waren und sind, die nur aufgenommen werden müssen. Soll ich an Auswanderung denken?

(1) Gfraster = österreichisch, umgangssprachlich, abwertend für: unangenehmer, gemeiner Mensch, Nichtsnutz.
(2) Die Ibiza-Affäre führte 2019 zum Bruch der österreichischen Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ. Auslöser war die Veröffentlichung eines Videos, in dem die FPÖ-Politiker Strache und Gudenus zu sehen sind. Die 2017 heimlich gedrehten Aufnahmen dokumentieren ein Treffen der beiden mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf Ibiza. Darin zeigen beide ihre Bereitschaft zur Korruption, Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung und verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien.