Die AfD als zweitstärkste Kraft im Bundestag?

Zwischen Verschwörungsideologien, Falschinformationen und blankem Hass

| Connie Lutz

In Wahlprognosen zur Bundestagswahl 2025 schneidet die „Alternative für Deutschland“ (AfD) derzeit als zweitstärkste Partei ab. Im Hinblick auf diese landesweit steigende Erfolgsquote der rechtsradikalen Partei nimmt dieser Beitrag in den Blick, was es bedeuten würde, sollte diese tatsächlich einen solchen Erfolg einheimsen.

Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würde die AfD mit einem Wähler*innenanteil von 21 Prozent (Stand: 15.09.2023) als zweitstärkste Kraft in den Bundestag einziehen (1). Höhere Zahlen weist nur noch die konservative bis gemäßigt rechte CDU/CSU auf, allerdings entwickelt sich deren ehemals klare Abgrenzung zur AfD mittlerweile eher zu einer verdeckten Zusammenarbeit (2). Zudem plant die AfD bei der nächsten Bundestagswahl 2025 erstmals eine Kandidatur für das Kanzler*innenamt. Diese steile Erfolgskurve seit der Gründung der AfD hängt dabei eng zusammen mit den zahlreichen sozialen Krisen der letzten Jahre, darunter die Coronapandemie, der Klimawandel und der Ukraine-Krieg.

Einfluss der AfD nimmt rasant zu

Auf der Landes- und Kommunalebene erreicht die in Teilen neonazistische AfD sogar Umfragewerte und -prognosen über Wähler*innenanteile von teils über 30 Prozent (3). Entsprechend gewann die AfD, die vom Verfassungsschutz bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist, in diesem Sommer 2023 zum ersten Mal ein Bürgermeister*innen-Amt in RaguhnJeßnitz in Sachsen-Anhalt sowie ein Landratsamt im Landkreis Sonneberg in Südthüringen.
Dabei gibt ein großer Teil der AfD-Wähler*innen an, diese Partei vor allem mangels besserer Alternativen und aus einer Enttäuschung mit der aktuellen Regierung heraus, zu wählen. Diese Personen, die sich häufig selbst als „Protestwähler*innen“ bezeichnen, tragen folglich erheblich zum Aufschwung der rechtsextremen Partei bei, ohne dabei die tatsächlichen Folgen des anhaltenden Erfolgskurses der AfD zu berücksichtigen.

Die AfD als vermeintlicher Rettungsanker

Während einzelne Mitglieder der AfD immer wieder mit eindeutig rechtsradikalen und neofaschistischen Aussagen auffallen, bemüht sich die Partei in der Öffentlichkeit um ein eher gemäßigt rechtes äußeres Erscheinungsbild. In ihren Forderungen im Rahmen ihres politischen Programms wird die rechtsradikale Haltung der Partei aber deutlich. Im Fokus stehen dabei unter anderem eine nationale Sicherheitspolitik, die Stärkung heteronormativer Familien- und Lebensformen, verschärfte Gesetze gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund sowie eine neoliberale Wirtschaftspolitik.
Die AfD tritt als Rettungsanker für nationalistische Deutsche auf, die laut ihr durch die derzeitige Politik sowie vordergründig Menschen mit Migrationshintergrund, BIPoCs oder queere Menschen bedroht seien. Durch die Bekämpfung dieser angeblichen „Problemgruppen“ würden laut der AfD demnach auch die derzeitigen sozialen Probleme gelöst. In sozialwissenschaftlichen und soziologischen Analysen wird diese Praxis häufig als Personifikation sozialer Probleme beschrieben (4). Die AfD benutzt bestimmte Personengruppen als Sündenbock, um von den eigentlichen Problem abzulenken und Wahlerfolge zu erzielen.

Anti-Pluralismus im Deckmantel vom Schutz „deutscher Identität“

Relevant ist diesbezüglich die rassistische, nationalistische Migrationspolitik der Partei, die auch in den Prognosen zur Bundestagswahl von zwei Drittel der Wähler*innen als zentraler Grund für ihre Parteipräferenz angeführt wurde (5). Die AfD fordert grundsätzlich eine starke Begrenzung der Einwanderung, beispielsweise durch eine physische Absicherung der deutschen Staatsgrenzen, deutlich verschärfte Asylgesetze und erleichterte Abschiebemöglichkeiten.
Als Grund für diese drastischen Maßnahmen führt die Partei die Bedrohung und folglich den nötigen Schutz der „deutschen Identität“ an. Hinter dem Terminus „deutsche Identität“ steckt eine anti-pluralistische Ideologie, die sich nahtlos in neurechte Bewegungen einordnen lässt. Als „deutsch“ gelten aus Sicht der AfD nur in Deutschland geborene Menschen mit weißer Hautfarbe und christlicher Religionszugehörigkeit.

Mittel zum Zweck: Falschinformationen und Verschwörungsideologien

Die angebliche Bedrohung dieser „deutschen Identität“ versucht die rechtsradikale Partei mit Falschinformationen zu untermauern. So stellt sie Einwanderung als ein Massenprodukt dar, bei dem vordergründig kriminelle, verfassungsfeindliche, faule und niedrig gebildete Personengruppen immigrieren würden. Das wiederum führe zu einem sinkenden Bildungsniveau, geringerem sozialen Zusammenhalt und einer Erosion der öffentlichen Sicherheit – kurz, dem Auslöschen der „deutschen Identität“. Durch die Klima-krise verursachte Fluchtgründe erkennt die rassistische Partei nicht an.
Mit ihrer diffamierenden Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund, darunter insbesondere nicht-weißen Personen, als unberechenbar und nicht-integrierbar, legitimiert die AfD gleichzeitig ihre Rolle als Retterin des deutschen Volkes. Die Strategie der AfD ordnet sich damit nahtlos in Ansätze der sogenannten „Great Replacement Theory“ (deutsch: Große Bevölkerungsaustauschtheorie) ein. Diese rechtsextreme Verschwörungsideologie beruht auf der nationalistischen und rassistischen Überzeugung, dass nicht-weiße, nicht-christliche Menschen nach Amerika und Europa kommen, um die weiße, christliche Mehrheitsgesellschaft zu ersetzen und eine neue sozial-kulturelle wie politische Agenda zu etablieren. Bezogen auf diese Ideologie fallen beispielsweise Alexander Gauland und Beatrix Storch auf, die beide über einen „Massenaustausch der deutschen Bevölkerung“ schwadronieren (6).

Ein immer gleiches Muster

Ähnlich strukturiert sind auch die Einstellungen der AfD zu weiteren marginalisierten Personengruppen, darunter queere Menschen und Menschen mit Behinderung. So bezeichnet die Partei queere Lebens- und Familienformen als verfassungsfeindliche, unnatürliche Indoktrination und spricht queeren Personen ihre Grundrechte ab. Ferner spricht sie sich gegen das Recht auf Abtreibung aus. In Bezug auf beide Themenfelder nutzt die AfD Falschinformationen, um eine Gefahr für die allgemeine Bevölkerung zu inszenieren, und stimmt unter dem Deckmantel von Kinderschutz und Pro-Life-Slogans gegen queere Rechte und körperliche Selbstbestimmung.
Das ideologische Meinungsbild der AfD ist außerdem geprägt von Frauenfeindlichkeit. Dies wird durch zahlreiche misogyne Äußerungen von Mitgliedern deutlich, darunter beispielsweise Johannes Biesel mit folgendem Twitter-Post in der Karnevalszeit 2018, in dem er von Sex mit Minderjährigen fantasiert: „Das Problem an #Fasching ist, dass du nicht sagen kannst, ob sie 14 oder 18 ist. Wenn du dann Pech hast, kommste an die 18jährige. #Karneval“ (7). Zuletzt stellt sich die AfD als Unterstützerin von Menschen mit Behinderung dar, während sie gleichzeitig beispielsweise deren Unterbringung in eigenen, streng abgetrennten Schulen fördert und somit Exklusion versteckt hinter Inklusion vorantreibt.
Im August 2023 behauptete der Neonazi Höcke im MDR-Sommerininterview, dass die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung oder der „Gender-Mainstream-Ansatz“ Ideologieprojekte seien, von denen das Bildungssystem „befreit“ werden müsste. Die Regelbeschulung von Kindern mit Behinderung lehnt der AfD-Politiker ab, mit der Begründung, dass es sich dabei um einen „Belastungsfaktor“ im Schulsystem handle (8). Diese vom führenden AfD-Politiker geforderte Anti-Behinderten-Politik ist ein Angriff auf die Menschenwürde.

Zuspruch zu Hass und Ausgrenzung

Aus all diesen Ansichten wird deutlich, dass die AfD alle Personengruppen diffamiert, die nicht in deren Weltbild einer homogenen, weißen, christlichen Bevölkerung mit männlicher Vorherrschaft passen. Dies gelingt ihr, indem sie beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund oder queere Personen als Bedrohung für die allgemeine Bevölkerung stilisiert. Daraus entstehende Ängste nutzt die Partei wiederum aus, indem sie sich selbst als Retterin des „deutschen Volkes“ in Szene setzt und so auf vermehrten Zuspruch und Wähler*innen stößt. Schlussendlich löst die AfD keine sozialen Probleme, sondern nutzt sie nur aus, um ihre eigene rechtsradikale und faschistische Propaganda zu bedienen.
Kurz gesagt: Die rechtsradikale AfD schürt durch Falschinformationen Hass und Ausgrenzung – und stößt damit auf erschreckend viel Zustimmung. Während also rechtes und faschistoides Gedankengut nach außen hin häufig scharf verurteilt wird, erhält eine offen rechtsradikale und zu Teilen neofaschistische Partei vermehrt Zuspruch auf unterschiedlichsten Ebenen der Politik. In diesem Widerspruch offenbart sich ein gefährlicher Rechtsruck, der weltweit und auch in Deutschland immer sichtbarer wird und zunehmend von anti-pluralistischen und anti-modernen Bewegungen, wie der AfD, vorangetrieben wird.

Rechtsradikalismus hat ein Gesicht

Letztendlich zeigen all diese Taktiken und Glaubensansätze der AfD eindeutig, dass diese längst nicht mehr „gemäßigt rechts“ ist, sondern eine Partei mit faschistoiden Zügen. Und genau das bedeutet es auch, wenn die AfD zweitstärkste Partei werden sollte: Es wäre ein fataler Zuspruch zu faschistischen, rechtsradikalen Ansichten, würde Handlungsmacht für alle Anhänger*innen dieser Ideologien schaffen und damit Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung normalisieren. Ziel der AfD ist nicht der Schutz aller Deutschen. Vielmehr will die rechte Partei ein homogenes „deutsches Volk“ schaffen, das unter anderem auf Weiß-Sein, Heteronormativität, dem Christentum und männlicher Vorherrschaft fußt. Damit schadet das Menschenbild und die rechte Ideologie der AfD letztlich nicht nur derzeit marginalisierten Personengruppen, sondern allen Menschen, die nicht nach patriarchalen, kapitalistischen Maßstäben leben wollen und können.
Faschismus und Rechtsradikalismus sind längst keine Phantomgestalten mehr, die es in vager Zukunft zu bekämpfen gilt. Beide Ideologien sind eng miteinander verwoben und haben spätestens mit der AfD prominente Gesichter, die unser alltägliches Leben mitbestimmen.
Eine Gegenöffentlichkeit gegen die rassistische Hetze und eine starke antifaschistische Bewegung und Zivilgesellschaft sind heute wichtiger denn je, um diese menschenfeindliche Partei und den Neonazismus zurückzudrängen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese teils neofaschistische, rechtsradikale Partei zweitstärkste Kraft bei der nächsten Bundeswahl wird.

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