Jacques Vingtras – „Die Revolte“

| Maurice Schuhmann

Jules Vallès: Die Revolte, März Verlag Berlin 2023, 336 Seiten, 26 Euro, ISBN 978-3755000204

„Das ist der Lieblingsautor meiner Großmutter.“ Mit diesen Worten zog mich mein französischer Mitbewohner immer wieder auf, wenn ich mich voller Begeisterung zu Jules Vallès äußerte. Meine Begeisterung für den französischen Anarchisten und Journalisten hält bis heute an. Umso mehr hat es mich gefreut, dass es nun eine Neuauflage seines Hauptwerkes gibt: „Jacques Vingtras“.

Mit dem dritten Band der autobiographisch-geprägten Jacques Vingtras Reihe – „Die Revolte“ – schließt die von Jules Vallès (1832-1885) zwischen 1878 und 1885 verfasste Trilogie ab. Nachdem er im ersten Band seine Kindheit (1879) beschrieben hat und im zweiten (1881) über die prekären Verhältnisse der ersten Berufsjahre geschrieben hat, steht im letzten (posthum 1886 von seiner Sekretärin veröffentlicht) die Zeit der Pariser Commune im Mittelpunkt, d.h. der Barrikadenkampf und die Blutwoche. Der Band „Die Revolte“ ist den Kommunard_innen gewidmet. „Allen, die als Opfer der sozialen Ungerechtigkeit gegen eine schlecht eingerichtete Welt zu den Waffen griffen und unter der Fahne der Kommune die große Föderation der Schmerzen bildeten….“ (11). Der Mut der Kämpfer_innen der Commune als solche wird von Vallès mit den folgenden Worten glorifiziert: „Ah! Lieber unter der Flagge aus Fetzen von 93 umkommen, lieber eine in der Sintflut erneuerte Diktatur akzeptieren, die uns als Beleidigung der neuen Revolution erschien, lieber das – als erscheinen, als ob wir den Kampf aufgäben!“ (249).
Der Bohème Jules Vallès hat diese erlebt und aktiv als Kommunarde mitgestaltet. In seiner damaligen Tageszeitung „Le Cri du Peuple“ (1871) vertrat er explizit proudhonistische Positionen. Die Zeitschrift findet auch Erwähnung im Roman selbst. „Der CRI DU PEUPLE ist wieder erschienen. ‚LE CRI DU PEUPLE von Jacques Vingtras!‘ Es ist zwei Uhr nachmittags, und achtzigtausend Blätter sind bereits von der Presse auf diesen Platz und in die Vorstädte gesegelt. ‚Le CRI DU PEUPLE von Jacques Vingtrans!‘ Man hört nichts anderes, und der Händler kommt nicht nach. ‚Wollen Sie meinen letzten, Bürger? …. Für Sie zwei Sous‘, sagt er lachend, ‚das ist er wirklich wert!‘ ‚Lassen Sie sehen!‘ “ (S. 226)
Ebenfalls von historischem Interesse ist daneben auch seine Beschreibung eines Gefängnisaufenthaltes in Saint-Pélagie, einer auf politische Gefangene fokussierten Haftanstalt. In selbiger saß u.a. Pierre-Joseph Proudhon ein. Der Band „Die Revolte“ gilt damit als ein wichtiges Zeitdokument zur Pariser Commune und zum Leben der französischen Bohème. Dabei ist der Roman zwar eher ein subjektives Stimmungsbild und Augenzeugenbericht als ein theoretisches Werk. Aber genau das macht ihn interessant.
Das Vorwort zum Band hat Verlegerin Barbara Kalender verfasst. Die Übersetzerin Christa Hunscha hat ein kurzes und prägnantes Nachwort beigesteuert. Zur Einordnung gibt es ein Verzeichnis mit kurzen Infos zu erwähnten Kommunard_innen und eine Chronologie der Ereignisse in Frankreich, die den Kontext für die Handlung bildeten.
Die vorliegende Ausgabe der drei Bände im 2021 wiedergegründeten März-Verlag basiert auf der Übersetzung von Christina Hunscha – und ist „lediglich“ eine Neuauflage eines „Klassikers aus dem Hause März“. Vor knapp 45 Jahren hatte der März-Verlag bereits in einem Band die komplette Trilogie herausgegeben. Die vorliegende Ausgabe kann sowohl einzeln als auch im Rahmen einer dreibändigen Ausgabe im Schuber erworben werden. Es lohnt sich!