Nix zu Feiern

Am 2. und 3. Oktober fand in Hamburg der diesjährige Festakt zur Deutschen Einheit statt

| Gaston Kirsche

Im Zentrum Hamburgs wurde zwei Tage lang gefeiert mit zahllosen Getränke- und Essensbuden. Eine „Eventlocation“ reihte sich an den nächsten „Eventbereich“. Es war das übliche Programm, mit einer Ländermeile aller Bundesländer, Informationen zu den Verfassungsorganen, Vereinen und weiteren Institutionen. Die „Metropolregion Hamburg“ mit fünf Millionen Menschen wurde auch gefeiert: Um sich selbst zur Metropole aufzuwerten, rechnet Hamburg das Umland, Teile Schleswig-Holsteins, Mecklenburgs und Niedersachsens zu seinem Wirtschaftsraum dazu. Tatsächlich laufen viele Warenströme aus dem Umland über Hamburg, insbesondere über den Hafen. Hamburgs Kapital profitiert bis heute stark vom Zusammenbruch der DDR, sowohl was den Absatz von Produkten angeht, das Niederkonkurrieren des Rostocker Hafens beim Güterumschlag als auch durch die Auslagerung von Billiglohn-Produktionen nach Osten. Das Ende der DDR war ein Konjunkturprogramm für Hamburg wie für ganz Westdeutschland. Die Verkehrs- und Transportströme von und nach Hamburg über Land haben nach 1989 enorm zugenommen. Aber darum ging es beim Festprogramm eben sowenig wie um die Treuhand, den Ausverkauf und die Zerschlagung der DDR-Wirtschaftskombinate. Stattdessen sprach Bundeskriegsminister Boris Pistorius in der Handelskammer, die praktischerweise direkt an das Rathaus angrenzt, zum Thema „Zeitenwende in der Sicherheitspolitik“.
Abgerundet wurde das offizielle Programm wie schon der G20-Gipfel 2017 mit einem großen Konzert in der Elbphilharmonie. Mit Protesten wie beim G20-Gipfel war nicht zu rechnen, wobei Hamburgs Polizeiführung trotzdem groß plante. Wie es in einem Schreiben der gelben „Deutschen Polizeigewerkschaft“ vorab hieß, „hat die Polizei Hamburg eine Kräfteanforderung an das gesamte Bundesgebiet gesandt, um auf die notwendige Anzahl von Einsatzkräften zur Lagebewältigung zu kommen“. Zehn Hundertschaften aus Hamburg und 14 aus anderen Bundesländern waren im Einsatz, zusätzlich waren Einheiten der Bundespolizei an Bahnhöfen und dem Flughafen postiert, 36 Sprengstoffhunde, vier Hubschrauber und die Wasserschutzpolizei patrouillierten und Spezialeinheiten wie das Hamburger Sondereinsatzkommando SEK standen auf Abruf bereit. „Es wird nicht im Ansatz so wie damals beim G20-Gipfel“, beschwor die Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Sicher, denn es gab keine große linke Mobilisierung über Hamburg hinaus und aus allen Spektren wie 2017. Nur die autonome Szene der Hafenstadt war mobil.
Am 2. Oktober startete eine Protestdemo am Hauptbahnhof, die von autonomen Gruppen aus dem Umfeld des Zentrums Rote Flora organisiert wurde. Sie war Teil der „Nix-zu-Feiern-Kampagne“ und wurde von einer Veranstaltungsreihe in der Roten Flora begleitet – siehe nebenstehendes Interview. Auf dem schwarz-roten Demo-Plakat wurde ein Bundesadler gemeinschaftlich mit einem dicken Seil von einem hohen Sockel von einer Menschenmenge gestürzt. Als Motto stand dort: „Deutschland du …(zensiert)“. Warum, erklärte Leandra Myrkra: „Das ursprüngliche Demomotto ‚Deutschland, du mieses Stück Scheiße!‘ wurde untersagt“. In Hamburg ist die Versammlungsbehörde direkt bei der Polizei angesiedelt, die Reaktion auf das gewählte Motto „Deutschland, du mieses Stück Scheiße!“ kam prompt: „Ihre Versammlungsanmeldung hat die Versammlungsbehörde erreicht und wird von mir bearbeitet. Hinsichtlich Ihres angemeldeten Tenors ‚Deutschland, du mieses Stück Scheiße!‘ wurde eine rechtliche Bewertung über die Staatsanwaltschaft Hamburg veranlasst. Lt. Einschätzung der Staatsanwaltschaft bestünde bei dieser Aussage in besagtem Tenor der Anfangsverdacht einer Straftat gem. § 90a StGB (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole) wenn es in einer Versammlung verwandt oder der Inhalt öffentlich verbreitet würde. Dazu würde in Ihrem Fall auch schon die öffentliche Bewerbung für die Versammlung unter dem besagten Tenor zählen.“

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