Mahnwache hinter Gittern – Für eine Welt ohne Waffen

| Ariane Dettloff

Seit dem 4. Juni 2024 sitzen sie im Knast in Rheinland Pfalz: Susan Crane (80) aus Redwood City, Kalifornien und Susan van der Hijden (55) aus Amsterdam. Ihr Vergehen: wiederholte Go-Ins auf das Stationierungsgelände der US-Atomwaffen im Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel in der Eifel.

Mit diesem Zivilen Ungehorsam – angeblichem „Hausfriedensbruch“ – protestierten sie gegen das andauernde Verbrechen der Vorbereitung eines Atomkriegs. Dieser ist seit der Eskalation des Ukraine-Kriegs wieder wahrscheinlicher geworden. Er würde voraussichtlich Hunderttausende Menschenleben auslöschen und könnte einen „Nuklearen Winter“ bewirken. Infolge der Explosion würde sich der Himmel verdunkeln, so dass kaum noch Sonnenlicht zur Erde durchdringen würde. Es käme zu Missernten und Hungersnöten. Die Strahlung würde weiträumig Flora und Fauna vergiften.
Beide Friedensaktivistinnen leisteten gemeinsam mit weiteren zivil Ungehorsamen Widerstand gegen diese tödliche Gefahr. Allein die Drohung damit ist laut dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen untersagt. Die Stationierung dieser Massenvernichtungswaffen verstößt auch gegen den von den USA wie von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag, und da sie nicht in der Lage sind, zwischen Kombattant*innen und Zivilist*innen zu unterscheiden, gegen die Genfer Konvention, die diese Unterscheidung verlangt. Zudem verstoßen sie gegen das allgemeine Menschenrecht auf Leben und Gesundheit sowie gegen das im deutschen Grundgesetz verbriefte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. All diese Rechtsbrüche wiegen aber vor deutschen Gerichten bislang weniger schwer als die Missachtung des Betretungsverbots des Militärgeländes. Susan Cranes Go-Ins wurden mit 229 Tagessätzen ersatzweise Haft geahndet, die von van der Hijden mit 115.
Beide „Delinquentinnen“ gehören der internationalen Bewegung „Catholic Worker“ (1) an. Diese christlich-anarchistische Gemeinschaft wurde in den frühen 1930er Jahren von der Sozialaktivistin Dorothy Day und ihrem französischen Mentor Peter Maurin in den USA gegründet. Heute existieren weltweit 187 „Häuser der Gastfreundschaft“, in denen Catholic Worker Bedürftige versorgen oder aufnehmen. In Deutschland sind es zwei: „Brot & Rosen“ in Hamburg und die „Kana-Suppenküche“ in Dortmund.
Susan Crane betreibt ein solches Haus in Redwood City im Silicon Valley, Susan van der Hijden lebt im „Jeannette-Noel-Huis“ in Amsterdam. Zum Haftantritt in der Bundesrepublik wurden die Susans auf ihrem 130 Kilometer langen „Pilgerweg“ von Büchel nach Rohrbach von zwanzig hiesigen Friedensfreund*innen begleitet. Am Ende der gemeinsamen Friedenswanderung verabschiedeten sich die Susans von ihren Unterstützer*innen mit den Worten:
„Mögt ihr geliebt werden und euch geliebt fühlen,
Mögt ihr unterstützen und euch unterstützt fühlen,
Mögt ihr ermächtigt sein und euch ermächtigt fühlen,
Mögt ihr die Ordnung stören und euch über die Ordnung ärgern,
Mögt ihr, wenn wir rauskommen, die Welt ein kleines bisschen besser gemacht haben, als sie ist, wenn wir heute reingehen!“
Den Kommandant des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel Samuel Mbassa konfrontierte Susan van der Hijden in ihrem Brief vom 28.5.2024 u. a. mit folgenden Aussagen und Fragen:
„Meine Handlungen werden vom Gesetz nicht akzeptiert, Ihre aber schon. Das Durchschneiden eines Zauns und in einen Stützpunkt einzudringen hat mich ins Gefängnis gebracht. Für das Bombardieren und Töten von Menschen bekamen Sie Medaillen. Es macht mich traurig, dass ich in einer Welt lebe, in der Zäune und Bomben als heiliger angesehen werden als Menschenleben. Ich würde Sie wirklich gerne davon überzeugen, dass Krieg kein guter Weg ist, um Frieden zu schaffen, aber das scheint unmöglich. Aber vielleicht, nur vielleicht, können Sie zustimmen, dass Atomwaffen ein Schritt zu weit sind? Dass diese Waffen, wenn sie eingesetzt werden, zu viele zivile Todesopfer fordern? Dass die Bedrohung anderer Nationen mit Atomwaffen die ganze Welt instabil macht? Dass der Besitz von Atomwaffen unsere Länder zur Zielscheibe und damit unsicher macht? Dass die Herstellung von Atomwaffen bereits viele Menschen getötet hat? Dass der Abbau von Uran das Land und das Leben von Menschen zerstört?“ (2)
Eine Antwort steht aus. Indessen verkündete die US-Friedensorganisation „World Beyond War“ am 15. Juli: Der David Hartsough Lifetime Individual War Abolisher Award 2024 (3) geht an Susan Crane. Herzlichen Glückwunsch!
Beide Susans freuen sich stets über solidarische Post (4)

(1) Siehe dazu: Sebastian Kalicha (Hg.), Christlicher Anarchismus. Facetten einer libertären Strömung, Verlag Graswurzelrevolution, https://www.graswurzel.net/gwr/produkt/christlicher-anarchismus/
(2) Der ganze Brief kann hier nachgelesen werden: https://noelhuis.nl/wp-content/uploads/2024/06/Susan-vdH-letter-to-
kommodore-Mbassa.pdf
(3) Ein Interview mit der Preisträgerin in englischer Sprache findet sich hier: https://wagingnonviolence.org/cnv/2024/06/
susan-crane-joy-resistance-nuclear-
weapons/
(4) Susan Crane und/oder Susan van der Hijden, JVA Koblenz, Postfach 200833, 56008 Koblenz

Die Autorin ist Mitglied der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft –Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) Gruppe Köln