Eine erinnerungspolitische Intervention

Künstlerischer Wettbewerb für ein Gustav-Landauer-Denkmal in Berlin

| Gustav Landauer Initiative

Gustav Landauer wurde am 7. April 1870 in Karlsruhe geboren. Inspiriert unter anderem durch Pjotr Kropotkins Ideen des kommunistischen Anarchismus gilt der Autor, Mitherausgeber und Redakteur der anarchistischen Zeitschrift „Der Sozialist, Organ der unabhängigen Sozialisten“ als einer der einflussreichsten Theoretiker des Anarchismus und Antimilitarismus. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war er mit seinen anarchopazifistischen Positionen einer der schärfsten Kriegsgegner im deutschsprachigen Raum. Landauer war entscheidend an der Novemberrevolution von 1918/19 und an der Münchner Räterepublik vom 7. bis zum 13. April 1919 beteiligt. Nach deren brutaler Niederschlagung wurde er am 2. Mai 1919 von extrem rechten Freikorps-Soldaten in der Haft ermordet. Die Gustav Landauer Denkmalinitiative Berlin möchte die Erinnerung an den Anarchisten wachhalten. Nun gibt es gute Neuigkeiten. (GWR-Red.)

Vor bald zehn Jahren hat die Gustav Landauer Denkmalinitiative (GLDI) in Berlin ihre Arbeit aufgenommen, um dort, wo Gustav Landauer ein gutes Vierteljahrhundert gewirkt hat, ein Landauer-Denkmal zu realisieren und die anarchistische Geschichte Berlins bekannter zu machen (vgl. GWR 419). Das Denkmal ist politisch beschlossen; der Standort ist gefunden. Nun plant die Initiative einen künstlerischen Wettbewerb.
Die GLDI hat seit 2015 erfolgreich die notwendigen Schritte auf dem Weg zur Realisierung des von ihr geplanten Gustav-Landauer-Denkmals zurückgelegt: Die Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg und der Gedenktafelkommission liegen vor; ein geeignetes Grundstück in repräsentativer Lage ist gefunden und die Zustimmung des Eigentümers (Schulamt) eingeholt. Es handelt sich um das Eckgrundstück der Nürtingen-Grundschule direkt am Mariannenplatz. In der näheren Umgebung befanden sich viele Wirkungsstätten Landauers, so etwa in der dort einmündenden Wrangelstraße direkt angrenzend die letzte Redaktionsadresse der Zeitschrift „Der Sozialist“. Auch mit der Schule selbst bestehen gute Verbindungen; sie unterstützt den geplanten Erinnerungsort, zu dem sie sich „in Projekten und durch Vermittlung von Inhalten in vielerlei Hinsicht in Beziehung setzen“ kann.

Fundraising-Kampagne

Als nächsten Schritt bereitet die GLDI gegenwärtig eine Crowdfunding-Kampagne vor, um einen beschränkt öffentlichen (eingeladenen) künstlerischen Wettbewerb zu finanzieren. In dessen Rahmen wird eine Jury einen Entwurf küren und so über die konkrete Gestaltung des Erinnerungsortes entscheiden. Das Wettbewerbsverfahren findet nach vorgeschriebenen Kriterien statt. Dies ist unbedingt erforderlich, um den Maßgaben von Öffentlichkeit, Transparenz und Qualitätssicherung für ein Denkmal im öffentlichen Raum zu entsprechen und das Landauer-Denkmal so rechtlich unanfechtbar und zukunftssicher zu machen. Die Kosten für das gesamte Wettbewerbsverfahren belaufen sich nach unseren derzeitigen Schätzungen auf mindestens 15.000 Euro. Davon kann die Initiative einen erheblichen Teil durch bereits vorhandene Mittel aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen decken. Der Rest soll durch die nun bevorstehende Kampagne eingeworben werden. Der größte Teil der Summe wird für Aufwandsentschädigungen für die sich beteiligenden Künstler*innen benötigt, ein weiterer Teil für Präsentation, Begutachtung und das Gesamtverfahren.
Der Start der Crowdfunding-Kampagne ist noch für diesen Herbst geplant. Den konkreten Termin werden wir in allernächster Zukunft bekanntgeben. Dann bleiben etwa drei Monate Zeit, um das Spendenziel zu erreichen.

Stadtgeschichte des Anarchismus

Wir haben die Denkmalinitiative von vornherein als eine erinnerungspolitische Intervention aufgefasst und entsprechend auch alle Hürden des politischen Prozesses genutzt, um auf das Wirken Landauers und die historische anarchistische Bewegung in Berlin hinzuweisen. Insbesondere der nördliche Teil Kreuzbergs ist einer der wohl wichtigsten Entstehungsorte des Anarchismus in Deutschland, der hier ab 1890 eine „erste Blütezeit“ (Max Nettlau) erlebte und sich mit anderen gesellschaftlichen Reformbewegungen verband. Doch ist dieser Teil der Geschichte Berlins kaum bekannt.
Um dem Denkmalprojekt den Weg zu ebnen, haben wir da
her individuelle Stellungnahmen von Wissenschaftler*innen und bekannten Persönlichkeiten eingeholt und zum 100. Todestag Landauers im Frühjahr 2019 zunächst eine Ausstellung erarbeitet (vgl. GWR 439), die in deutscher und französischer Fassung existiert und auch außerhalb Berlins schon oft gezeigt worden ist. Viele Besucher*innen waren von der Bedeutung Landauers überrascht und zugleich fasziniert.
Wichtige Aspekte unserer Tätigkeit sind zudem Stadtrundgänge zu anarchistischen Themen, eine Broschürenreihe, die Digitalisierung historischer Zeitschriften und ein Newsletter. Um dem breiter werdenden, inzwischen über das Denkmalprojekt hinausgehenden Tätigkeitsspektrum der Initiative Rechnung zu tragen, hat sich im September 2019 die Gustav Landauer Initiative (GLI) als nicht eingetragener Verein gegründet – mit Mitgliedern im ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus. Hervorgegangen aus der Denkmalinitiative betreibt sie diese als eines ihrer wichtigsten Projekte.

Unterstützung

Für einen Erfolg des künstlerischen Wettbewerbs hoffen wir auf breite Unterstützung. Abgesehen von Spenden und zusätzlicher Reichweite für die Kampagne freuen wir uns auch über Mitarbeit in der Initiative. Unsere Monatstreffen finden online statt und es gibt viele Aufgaben, die keine Vorkenntnisse erfordern; ein Einstieg ist jederzeit leicht möglich. Wer nur auf dem Laufenden bleiben will, kann unseren Newsletter bestellen und uns bei Mastodon folgen.

Weitere Informationen: https://gustav-landauer.org
Mastodon: @gustav_landauer@digitalcourage.social
Kontakt: kontakt@gustav-landauer.org

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