Ein Weg durch schockierende Erkenntnisse
Vor dem Krieg hatte ich – wie viele andere – einige beruhigende Illusionen über die menschliche Natur, die Lösung von Konflikten und die Rolle von Kriegen in unserer Gesellschaft. Der Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Russland und der Ukraine hat diese Überzeugungen zerstört und unangenehme, unerwartete Wahrheiten ans Licht gebracht.
Überraschung Nr. 1:
Der Glaube an Waffen als göttliche Lösungen
Von Beginn des Krieges an beobachtete ich einen alarmierenden Trend: Die Menschen begannen, Waffen blind zu vertrauen, als seien sie die ultimativen Mittel zur Konfliktlösung – fast wie ein Glaube an eine Gottheit. Im Laufe der Zeit dehnte sich dieser Glaube auf Atomwaffen aus, die als ultimative „Lösung“ für globale Probleme angesehen wurden. Die rasche Normalisierung nuklearer Bewaffnung, selbst als Abschreckung, ist zutiefst beunruhigend.
Überraschung Nr. 2:
Heldentum durch Gewalt definiert
In unserer Region wird Heldentum weiterhin durch Gewalt definiert – sei es durch das Töten oder das Opfern des eigenen Lebens. Das Fehlen von friedlichen Modellen des Heldentums offenbart ein kulturelles Versagen, Alternativen zu denken. Es sorgt dafür, dass Gesellschaften in Zyklen von Aggression und Märtyrertum gefangen bleiben.
Überraschung Nr. 3:
Die Verführungskraft militaristischer Propaganda
Militaristische Propaganda lebt von ihrer Einfachheit. Sie bietet einfache, schlagwortartige Antworten auf komplexe Probleme und erfordert wenig kritisches Denken. Im Gegensatz dazu ist die Förderung des Friedens eine weitaus schwierigere Aufgabe, die ein tiefes Verständnis, Expertise und einen moralischen Kompass erfordert. Dieser Gegensatz macht die verführerische Einfachheit militaristischer Narrative besonders gefährlich.
Überraschung Nr. 4:
Die „Kriegs“-Ausrede
Selbst in Ländern wie Litauen, die nicht direkt in den Krieg verwickelt sind, ist der Satz „Nun, wir sind im Krieg“ zu einer pauschalen Ausrede für ungelöste soziale und wirtschaftliche Probleme geworden. Steigende Lebensmittelpreise, hohe Energiekosten und andere Herausforderungen werden bequem dem Krieg zugeschrieben, was sinnvolle Lösungen blockiert.
Überraschung Nr. 5:
Polarisierung und Propaganda-Bubbles
Abweichende Meinungen oder unbequeme Wahrheiten zu äußern, führt heute oft dazu, als „Putin-Agent“ abgestempelt oder der Verbreitung russischer Propaganda beschuldigt zu werden. Diese Taktik, obwohl effektiv, Stimmen zum Schweigen zu bringen, hat die gesellschaftliche Polarisierung vertieft und Menschen in isolierte Propaganda-Bubbles voller gegenseitigem Misstrauen zurückgedrängt.
Überraschung Nr. 6:
Krieg als falscher Lebenssinn
Für einige hat der Krieg einen klaren Lebenssinn geschaffen, der es ihnen ermöglicht, sich allein auf das Überleben zu konzentrieren, anstatt sich mit vergangenen Traumata, zukünftigen Verantwortungen oder ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Dieser enge Fokus ist gefährlich, da er das Leben auf die Suche nach Gewalt und Überleben reduziert.
Überraschung Nr. 7:
Die Verlockung gottgleicher Macht
Vielleicht die schockierendste Erkenntnis ist die süchtig machende Natur der Macht, die der Krieg verleiht. Wie der Terrorismus bietet der Krieg die Illusion absoluter Kontrolle über andere, was Einzelne dazu verführt, zu glauben, sie hätten gottgleiche Macht über Leben und Tod. Diese Denkweise ist zutiefst destabilisierend und entmenschlichend.
Ein Weg nach vorn
Angesichts dieser harten Realitäten ist klar, dass wir aus diesen Fallen ausbrechen und eine Zukunft auf der Grundlage des Friedens aufbauen müssen. Dafür sind sofortige, umsetzbare Schritte erforderlich:
1. Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren
Es ist unerlässlich, Männern zu helfen, die sich weigern, am Krieg teilzunehmen, insbesondere Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus Belarus, Russland und der Ukraine. Indem wir ihnen Ressourcen und Schutz bieten, können wir die Kriegsmaschinerie schwächen.
2. Eintreten für nukleare Abrüstung in Belarus
Die Präsenz von Atomwaffen in Belarus stellt eine wachsende Bedrohung für die regionale und globale Sicherheit dar. Bemühungen müssen sich auf die Beseitigung dieser Waffen und die Eindämmung der nuklearen Aufrüstung in der Region konzentrieren.
3. Aufbau einer Friedenslinie entlang der Frontlinien des Krieges
Frieden muss aktiv gestaltet werden, insbesondere entlang der Frontlinien des Krieges. Durch Diplomatie, humanitäre Hilfe und Basisaktivismus müssen wir Räume schaffen, in denen Dialog gedeihen und Gewalt eingedämmt werden kann.
Ein Aufruf zur Neuausrichtung der Friedensbewegung
angesichts des drohenden nuklearen Krieges
Es ist an der Zeit, die Friedensbewegung wieder aufleben zu lassen – eine neue Welle von Energie und Engagement, um dem wachsenden Militarismus entgegenzuwirken. Diese Bewegung muss die Narrative der Gewalt mit der transformativen Kraft von Liebe, Verständnis und Zusammenarbeit herausfordern. Gemeinsam können wir uns eine Welt vorstellen, in der Heldentum durch Akte des Mitgefühls und des Mutes, nicht durch Gewalt, definiert wird.
Der Krieg in der Ukraine hat die Zerbrechlichkeit unserer gemeinsamen Menschlichkeit offengelegt, aber er bietet auch die Gelegenheit, eine gerechtere und friedlichere Welt aufzubauen. Lassen Sie uns diesen Moment ergreifen – nicht mit Waffen, sondern mit unerschütterlicher Hingabe an den Frieden.