Federica Montseny war Journalistin, Schriftstellerin, Politikerin, Anarcho-Syndikalistin und Gewerkschafterin. Sie veröffentlichte zahlreiche Novellen und Schriften zu ethischen und politischen Themen. Während der Zweiten Spanischen Republik wurde sie als erste Frau im westlichen Europa Ministerin (1). Mitten im Spanischen Bürgerkrieg war sie in den Jahren 1936 und 1937 zuständig für Gesundheit und Soziales. Damals hatte die Confederación Nacional del Trabajo (CNT) als Konföderation anarchosyndikalistischer Gewerkschaften in Spanien zwei Millionen Mitglieder. Sie wollte eine bessere Welt, in der kein Mensch den anderen ausbeutet oder unterdrückt und jeder das hat, was er zum guten Leben braucht.
Kindheit und Jugendjahre
Federica Montseny wurde am 12. Februar 1905 in der spanischen Hauptstadt Madrid geboren. Ihre Eltern waren Verleger und bekannte Anarchist*innen. Sie gaben das Journal La Revista Blanca heraus, damals eine der wichtigsten theoretischen Zeitschriften der spanischen anarchistischen Bewegung. Federicas Mutter unterrichtete ihre Tochter selbst, weil sie sie nicht in einer Nonnenschule unterrichten lassen wollte, wo Mädchen vor allem lernen sollten, gute Ehefrauen zu werden. Im Elternhaus wuchs Federica mit vielen Büchern, Zeitschriften und Theaterbesuchen auf. Als sie zwölf Jahre alt war, begleitete sie ihre Eltern schon bei anarchistischen Aktivitäten. Ihre erste Novelle veröffentlichte Federica mit 14 Jahren. Als 18-Jährige schrieb sie für die Zeitung der anarchistischen Gewerkschaftsbewegung CNT und für andere anarchistische Zeitschriften. 1925 erschien ihr erster Roman La Victoria.
Federicas Emanzipationskonzept
Federica Montseny sah den gleichberechtigten Zugang zu Ausbildung und Bildung als notwendige Voraussetzung für die Emanzipation der Frauen. Sie verteidigte die Notwendigkeit eines neuen Gesellschaftsvertrages zwischen Männern und Frauen, die gleichberechtigt, solidarisch und unabhängig in freier Liebe zusammenleben sollten. Gleichheit und Solidarität in allen Lebensbereichen waren für sie die grundlegende Herausforderung für jedes Modernisierungsprojekt; Männer und Frauen sollten gemeinsam daran arbeiten. Mit ihrem Lebensgefährten, dem Anarchosyndikalisten Germinal Esgleas (1903–1981), der sie auch auf ihren Vortragsreisen begleitete, versuchte sie, diese Vision zu leben. Sie bekam drei Kinder: 1933 Vida, 1938 Germinal, 1942 Blanca. Ihr Projekt der Emanzipation schloss den öffentlichen und auch den häuslichen, als privat bezeichneten Bereich, ein. Damit nahm sie den Slogan der westdeutschen „neuen“ Frauenbewegung – „das Private ist politisch“ – vorweg.
Auch wenn ihr Emanzipationskonzept von binären Geschlechterverhältnissen ausgeht, bezieht sich das Gleichheitsbegehren nicht ausschließlich auf heterosexuelle Partnerschaft, sondern kann auf andere Geschlechter und Lebensformen übertragen werden, zumal Federica Besitzverhältnisse zwischen Menschen ablehnte.
Anarchosyndikalistische Politisierung
1931 schloss sich Frederica Montseny der anarchosyndikalistischen CNT an. Die Gewerkschaft CNT, die niemals über bezahlte Funktionäre verfügte und basisdemokratisch aufgebaut war, wurde zur stärksten Gewerkschaft in Spanien. Bei ihren Reisen während des Spanischen Bürgerkrieges begeisterte die hervorragende Rednerin auf libertär-sozialistischen und gewerkschaftlichen Versammlungen das Publikum. 1936 wurde auf dem CNT-Kongress in Saragossa ein von ihr unterstütztes anarchokommunistisches Rahmenprogramm beschlossen, das verfügte, dass nach einer libertären Revolution den freien Kommunen die Rolle des politischen Fundaments übertragen werden sollte.
Neben einer Vielzahl politischer Schriften veröffentlichte sie nun auch Kurzromane mit sozialpolitischem Hintergrund, die sich vor allem an Frauen der Arbeiterklasse richteten.
Rolle im Spanischen Bürgerkrieg und in der Regierung
Zu Beginn der Sozialen Revolution nach dem Militärputsch vom 17. Juli 1936 – die im Spanischen Bürgerkrieg mündete – wurde sie Mitglied des Komitees für die iberische Halbinsel (Comité Peninsular) der anarchistischen Federación Anarquista Ibérica (FAI) und des Nationalkomitees der CNT. Aufgrund der engen Verbindung zwischen CNT und FAI wird die Organisation oft als CNT-FAI abgekürzt.
Am 4. November 1936 trat Federica als Gesundheitsministerin dem Kabinett des Ministerpräsidenten der Zentralregierung Largo Caballero bei. Neben Federica Montseny gehörten drei weitere Anarchisten diesem Kabinett an: Juan Garcia Oliver (Justiz), Juan Peiró (Industrie) und Juan López Sánchez (Handel). Die CNT-FAI und damit auch Federica waren entgegen ihren antistaatlichen Grundprinzipien in die Regierung eingetreten, weil sie durch die Regierungsbeteiligung den Zugang zu Waffen und Lebensmitteln für die anarchistischen Milizen an der Front sicherstellen wollten.
Tatsächlich gelang es Federica Montseny als Gesundheitsministerin einige Reformen durchzusetzen, die vor allem den armen Menschen zugutekommen sollten. Dazu gehörte die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, Sexualaufklärung und Familienplanung, die Einrichtung von Suppenküchen für Schwangere, die Kontrolle der Gesundheitszentren, die Reform von Waisenhäusern und Kinderheimen, Maßnahmen gegen die Prostitution und eine Auflistung von Berufen, die körperbehinderte Menschen ausüben können.
In einem Artikel im Internationalen Ärztlichen Bulletin, dem Zentralorgan der Internationalen Vereinigung Sozialistischer Ärzte vom März/April 1937 beschrieb sie ihre nicht leichte Aufgabe, unter den damals gegebenen Umständen zu arbeiten. Hoffnung machte ihr die gute Zusammenarbeit mit der sozialistischen, marxistisch geprägten Gewerkschaft Unión General de Trabajadores (UGT), durch die es möglich wurde, die von den Räten übernommenen Amtsgeschäfte erfolgreich zu beginnen. Schließlich gelang es, dass auch Menschen außerhalb der Bewegung die Reformen mit Begeisterung begrüßten und die Beispielhaftigkeit des kollektiven Einsatzes für die Volksgesundheit auch für andere Länder betonten. Besonders stolz war sie selbst darauf, dass sie den Widerstand von Teilen der Bevölkerung gegen das Impfen als Schutz vor epidemischen Krankheiten besiegen konnte. Ausdrücklich betonte sie die Wichtigkeit der Kollektivarbeit, wobei sie als Ministerin nicht mehr sei, „als irgendein anderer Mitarbeiter“, sowie den „Geist der Solidarität“ und die Leidenschaft für die Gerechtigkeit, die nur diejenigen empfinden können, die unter der Ungerechtigkeit der Gegner gelitten haben. Den Wohltätigkeitskonzepten der offiziellen Caritasgesinnung und der klassischen Philanthropie stellte sie ein Konzept entgegen, das es erlauben sollte, den Armen und Diskriminierten ihre Würde zurückzugeben. Noch war ihre Hoffnung groß durch eine Revolution, „denen Freude und Gerechtigkeit wiederzubringen, die ihrer beraubt waren, und eine neue, freie und gesunde Welt zu schaffen“.
Leider dauerte es nicht lange, bis die Reformen zurückgedreht wurden. Keines der Projekte konnte über längere Zeit bestehen. Lediglich ein Kinderheim in der Nähe von Valencia sowie eine öffentliche Küche, in der schwangere Frauen eine vollwertige Mahlzeit erhalten konnten, wurden eingerichtet. Kein anderes Projekt wurde weiterverfolgt, nachdem Montseny in Folge der blutigen Maiereignisse in Barcelona, die den Niedergang der einst mächtigen spanischen Anarchist*innen einleiteten, ihr Amt am 17. Mai 1937 niederlegen musste. Zu spät kam die Einsicht, die sie nun aus ihren Erfahrungen zog, dass über eine Regierung kein tiefgehender sozialer Wandel erreicht werden kann, sondern dass dies nur mit einer libertären Revolution möglich ist. Auch für andere Anarchist*innen galt es als „Sündenfall“, dass die Anarchist*innen die Konsolidierung des Staates unterstützt haben. Federica Mantseny selbst haderte bis an ihr Lebensende mit der damaligen Entscheidung.
Exil und parlamentarische Monarchie
Mit tausenden anderen Spanier*innen ging Montseny nach dem Ende des Bürgerkrieges ins Exil nach Frankreich. Im Jahr 1942 war sie im Gefängnis. Auslieferungsersuchen der Franco-Diktatur wurden von den französischen Behörden abgelehnt. Bis zur Befreiung Frankreichs 1944 stand sie unter staatlicher Bewachung. Anschließend lebte sie mit Germinal Esgleas und ihren Kindern in Toulouse. Unter dem Namen Fanny Germain setzte sie ihre publizistische Tätigkeit fort, unter anderem indem sie die anarchistischen Zeitungen CNT und L‘Espoir herausgab.
1974 schrieb sie den wegweisenden Artikel „Was ist der Anarchismus?“, den man in deutscher Sprache im Podcast (2) anhören kann. Die wichtigsten Punkte ihres Verständnisses von Anarchie sind: eine von Staat, Regierung, Polizei, Militär, Kapitalismus, politischer Macht und Privateigentum befreite Gesellschaft. Stattdessen Sozial- und Wirtschaftsräte, freie Vereinbarungen und Verträge, keine Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen durch Menschen: Freiheit, Brot, Kleidung, Wohnung, Kultur, Arbeitsplätze, Erholung für alle, maximale Selbstbestimmung, kollektives Leben und Arbeiten in freien Kommunen oder Gemeinden. Jede Person trägt gemäß ihrer Stärke zur Gemeinschaft bei und bekommt nach ihren Bedürfnissen von der Gemeinschaft, was sie braucht. Die wirtschaftliche Organisationsform sollten Genossenschaften für Produktion, Landwirtschaft, Handel, Konsum etc. sein. Es war kein statisches Konzept, nicht endgültig, sondern sollte ständig gemeinsam und solidarisch weiterentwickelt werden.
Ihr Projekt der Emanzipation schloss den öffentlichen und auch den häuslichen, als privat bezeichneten Bereich ein. Damit nahm sie den Slogan der westdeutschen „neuen“ Frauenbewegung vorweg: „Das Private ist politisch“.
Nach dem Ende der Franco-Diktatur konnte sie 1977 nach Spanien zurückkehren. Sie sprach auf unzähligen Veranstaltungen, so 1977 auf einer großen Kundgebung in Barcelona vor mehr als 100.000 Menschen.
In ihrem letzten Lebensabschnitt setzte sie sich für die Wiederbelebung der CNT ein und kämpfte für die Rückerstattung des historischen Besitzes der CNT, welcher nach dem Ende des Bürgerkrieges konfisziert worden war. Sie engagierte sich gegen den Pakt von Moncloa zwischen der Regierung von Spanien und den wichtigsten Parteiführern im Abgeordnetenhaus und gegen die Etablierung der parlamentarischen Monarchie.
Was bleibt?
1987 schrieb sie ihre Autobiographie über die ersten 40 Jahre ihres Lebens. Sie starb am 14. Januar 1994 im Alter von 88 Jahren in Toulouse.
Vergessen hat man sie nicht ganz. Straßen, Schulen und ein Gesundheitszentrum in Madrid tragen ihren Namen. In Murcia (Spanien) wurde bereits Anfang 1937 das Krankenhaus Federica Montseny eingeweiht. In Cardedeu gibt es eine Placa de Federica Montseny und sogar in Paris wurde der Park „Jardin Federica Montseny“ nach ihr benannt.
(1) Gisela Notz, Historikerin und Sozialwissenschaftlerin
(2) https://anarchieundcello.podbean.com/e/federica-montseny-was-ist-der-anarchismus-1974/
Literatur:
Susanna Tavera: Federica Montseny: La indomable, 1905 – 1994 (Biografías y Memorias, Band 1). Madrid 2005.