Die Graphic Novel solle ich lesen wie ein Gedicht, sagt mein Mitbewohner. Was er damit ausdrücken will ist, dass ich nun wirklich nicht erwarten könne, sie beim ersten Lesen zu erfassen. Wahrscheinlich stimmt das. Diese lese bzw. betrachte ich jedenfalls wirklich mehrfach.
Zwei semisympathische Typen in Andalusien reden beim Arbeiten über Frauen und Fußball. Ihr Job ist es, den Strand für die Touris zu reinigen: Algen und Müll sollen ebenso verschwinden wie die eines Nachts angeschwemmte Leiche. Letztere auf einer Deponie zu entsorgen, fühlt sich für den aus Deutschland nach Südeuropa gekommenen Güero aber derart falsch an, dass er den toten Thenga kurzentschlossen entwendet.
Armut und Gewalt prägen den Alltag im Senegal. Thenga arbeitet in Dakar auf dem Markt und verkauft Fische bis sein Chef ihn rauswirft. Perspektivlosigkeit und Beziehungsprobleme nagen an ihm. „Was besseres als Dakar finde ich überall“ ist schließlich die resignierte Begründung für seinen Aufbruch Richtung Europa.
Die Zeichnungen variieren in Farben und Stil, was den Betrachtenden hineinzieht in die Atmosphäre der jeweiligen Szenen: die vermeintliche Idylle Spaniens im Morgenrot, die Tiefen des Meeres, die Vögel als ständige Begleitende der Müll-sammler*innen auf den Deponien auf beiden Kontinenten.
Eine Geschichte, die zwar viele konkrete Fragen unbeantwortet lässt, dabei aber doch sehr deutlich macht wie menschenverachtend die aktuelle Abschottung Europas ist.
Glaubst du, die Raben sind frei?
Die Graphic Novel „Schläfer im Sand“ erzählt die Geschichte des Senegalesen Thenga. Und seiner Leiche.
Andreas Hedrich, Sebastian Pampuch Schläfer im Sand, Unrast, Münster 2024, 92 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-89771-627-8