anarchismus

ANARCHIE! in Freiburg

Über 100 Leute kamen zur Veranstaltung über "Horst Stowasser und das Projekt Anarchismus"

| Thomas Hohner

Mitte März 2010 war die "ANARCHIE!" nicht mehr zu übersehen. In fetten, schwarzen Lettern prangte das Wort auf rotem Hintergrund in Freiburgs Straßen. Es wurde auf den 26. März zu der Veranstaltung "Anarchie! Horst Stowasser und das Projekt Anarchismus" auf dem Grethergelände geladen.

Eine Veranstaltung mit Vorlauf

Im Frühjahr 2009 hatte sich die Öffentlichkeitsarbeitgruppe des Grethergeländes dazu entschieden, den Schriftsteller und Autoren Horst Stowasser zu einer Veranstaltung nach Freiburg einzuladen.

Stowasser war auf dem Grethergelände kein Unbekannter, schließlich ist der Eilhardshof in Neustadt ein Projekt im Rahmen des Mietshäuser Syndikats und das Grethergelände sozusagen die Mutter aller Syndikatsprojekte. (Die Idee des Mietshäuser Syndikats besteht darin, Projekte zu kaufen, das Eigentum mittels Gründung zweier GmbHs zu neutralisieren, so dass die jeweiligen Projekt-Initiativen anschließend zu relativ günstiger Miete und vor Spekulation geschützt darin wohnen können.) Auf den halbjährigen Treffen lernte man sich kennen und schätzen.

Als Stowasser dann noch einen Artikel über die Finanzkrise in der Graswurzelrevolution veröffentlichte, lieferte das Anlass und Thema zu einer Veranstaltung.

Leider ist es zu dieser Veranstaltung nicht mehr gekommen. Horst Stowasser ist im vergangenen August an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben [siehe Nachrufe in GWR 342].

Es musste erst einmal einige Zeit vergehen, bis sich die Öffentlichkeitsarbeit des Grethergeländes im Januar 2010 dazu entschied, das Projekt noch einmal aufzunehmen und eine Veranstaltung ohne Stowasser, aber über ihn und vor allem über sein großes Projekt – den Anarchismus – zu machen.

Im Archiv Soziale Bewegungen, das Veröffentlichungen der sozialen Bewegungen sammelt und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, fand sich ein geeigneter Mitveranstalter.

Als passender Referent wurde Stowassers Freund und Genosse Bernd Drücke engagiert. Der promovierte Soziologe und GWR-Redakteur ist Autor u.a. von „ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert“ und „Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland“.

Großes Interesse an ANARCHIE

Zur freudigen Überraschung der Veranstalter füllten mehr als 100 zum größten Teil junge Menschen den Veranstaltungsraum. Mit großem Interesse verfolgten sie den kenntnisreichen Vortrag, der sich hauptsächlich mit der historischen Entwicklung des deutschen Anarchismus auseinander setzte. Seine Ausführungen illustrierte Bernd Drücke mit an die Wand projizierten Dokumenten aus der Veröffentlichungsgeschichte der anarchistischen Bewegung. Die einstmals starke deutsche anarchistische Bewegung, so der Referent, habe den deutschen Faschismus fast nicht überlebt. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei der Anarchismus nicht mehr so massenhaft verbreitet, wie es vor allem in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg der Fall war. Aber es gäbe ihn noch, was man unter anderem an zahlreichen Publikationen und Projekten ablesen könne. Dazu, so wurde deutlich, hat der verstorbene Horst Stowasser in den vergangenen Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Dem interessanten Vortrag folgte eine nicht minder spannende Diskussion, in der es hauptsächlich um die Perspektiven libertärer Arbeit ging.

Immer wieder wurden aus dem Publikum Fragen gestellt: Wie denn die anarchistischen Vorstellungen in die Praxis umgesetzt werden könnten? Was es mit dem „Projekt A“ auf sich habe? Ob es in der durchkapitalisierten Gesellschaft überhaupt noch die Bedingungen für anarchistische Praxis gibt?

Fragen, die ein riesiges Interesse an diesem Thema bekundeten. Die Diskussion wollte kaum enden. Eine Veranstaltung, die Horst Stowasser sicher gefallen hätte. Eine Veranstaltung, leider ohne ihn, aber bestimmt in seinem Sinne.

Veranstaltungen mit GWR-Redakteur Bernd Drücke im Mai 2010:

21.5., 20 Uhr, ESG-Aula, Breul 43, Münster, "Kritik der parlamentarischen Demokratie", Podiumsdiskussion mit Bernd Drücke (GWR), Lucy Redler (Ex-WASG), Jürgen Klute (Bundesvorstand Die Linke, Mitglied des Europäischen Parlaments). Veranstalter: Rosa Luxemburg Club

27.5., 19 Uhr, VL, Ludwigstr. 37, Halle a.d.S.: Anarchismus, libertäre Presse und das Wieder-Aufleben anarchistischer Ideen seit 1968, Lichtbildvortrag, Referent: Bernd Drücke, Veranstalter: FAU Halle, http://fauhalle.blogsport.de