kommentar

Vuvuzelas für den Frieden

Ein neues Instrument der sozialen Bewegungen, das Militaristen aus dem Takt bringen kann

| Bernd Drücke

In einer von der ARD gezeigten Rede, die er vor Angehörigen von in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten hielt, forderte Kriegsminister zu Guttenberg: "Wir müssen unsere Soldaten vor ungerechtfertigter Kritik schützen".

Gesagt, getan. Gegen KriegsgegnerInnen wird jetzt in mehreren Städten ermittelt (siehe Artikel auf Seite 3 und 7).

Doch der Sommer 2010 war auch von erfreulich lebendigen Protesten zum Beispiel gegen militaristische Spektakel in Münster und Stuttgart geprägt (s. Seite 3).

In Münster wollte die Bundeswehr am 30. Juni 2010 einen Großen Zapfenstreich durchführen. Wir haben am 5. Juni davon erfahren und seitdem zu zapfnix-Protestaktionen aufgerufen. Das hat auch die Bundeswehr mitbekommen. Mitte Juni hat ein Soldat im Redaktionsbüro der Graswurzelrevolution angerufen. Ich habe gedacht, dass das ein Pöbelanruf wird, wie der, den ein durch die üble Anti-zapfnix-Berichterstattung in der Münsterschen Zeitung verhetzter Bundeswehrsoldatenvater in der GWR-Redaktion gemacht hat. Stattdessen hat der Pressesprecher vom Lufttransportkommando mir mitgeteilt, dass der geplante Große Zapfenstreich abgesagt sei. „Herr Doktor Drücke, Sie haben uns Militarismus vorgeworfen. Fairer Weise möchte ich Sie darauf hinweisen, dass wir jetzt nur noch eine Serenade machen werden.“ Ich habe nachgehakt, ob Marschmusik gespielt werden soll. „Ja, aber auch das Lied ‚Time to say goodbye‘ von Francesco Sartori.“ Ein „Helm ab zum Gebet“ werde es nicht mehr geben.

Der Militäraufmarsch war dann tatsächlich kleiner als ursprünglich geplant.

Das ist ein Erfolg.

Die Bundeswehr hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Sie will eine Remilitarisierung des öffentlichen Raums erreichen. Wir sollen uns wieder an stramm stehende Befehlsempfänger in olivgrünen Uniformen gewöhnen. Die Menschen sollen vergessen, dass die Bundeswehr an verbrecherischen Kriegen beteiligt ist. Angesichts der Tatsache, dass 70% der Bevölkerung den Kriegseinsatz gegen die afghanische Bevölkerung ablehnen, ist das bisher aber nur bedingt gelungen.

Der Grund für die Militaristenshow in Münster

Das bisher in Münster beheimatete Lufttransportkommando wurde ins niederländische Eindhoven verlegt. Mit der Auflösung wurde keine Abrüstung betrieben, sondern die Militarisierung der EU vorangetrieben. Die EU rüstet auf und versucht die militärische Hegemonie der USA zu brechen. Das nunmehr europäische Lufttransportkommando EATC (European Air Transport Command) in Eindhoven soll u.a. die EU-Battlegroups – die schnelle Eingreiftruppe der EU – koordinieren, um in kürzester Zeit Militärinterventionen durchführen zu können.

Die militaristische Tradition der Zapfenstreiche

Der Große Zapfenstreich entstand 1838 in Preußen. Seitdem hat sich die Zeremonie kaum verändert. Sowohl im wilhelminischen Deutschen Reich als auch im Nationalsozialismus wurden diese militaristischen Zeremonien abgehalten. An einem Zapfenstreich nehmen Soldaten mit Stahlhelmen und Fackeln teil. Es wird zu Militärmusik marschiert, Befehle werden gebrüllt, ein martialisches Schauspiel. Ähnlich verhält es sich mit Gelöbnissen, die die Armee nach innen festigen und nach außen repräsentieren sollen. Im Ausland führt die Bundeswehr Krieg, im Inland soll die Bevölkerung auf Kurs gebracht werden und ein neuer Helden- und Totenkult etabliert werden. Bei Militärritualen stellt sie sich bewusst in eine Traditionslinie mit den unsäglichen Vorgänger-Armeen.

Die zapfnix-Protestaktionen in Münster wurden, wie schon das gelöbnix 2009 in Rheine (vgl. GWR 340) von der „Friedensinitiative Pulverturm“ initiiert, einem bunten Bündnis, das 2009 in einem Biergarten ins Leben gerufen wurde. Es beteiligten sich Leute u.a. vom Bildungsstreik, die rebel clowns army, antifaschistische und antimilitaristische Gruppen. Der Protest stand unter dem Motto „Vuvuzelas für den Frieden“.

Und tatsächlich haben sich die während der Fußball-WM 2010 vor allem bei deutschen Boulevardblattschreibern verhassten südafrikanischen Blasinstrumente beim zapfnix als neue Instrumente sozialer Bewegungen bewährt und den AktivistInnen großen Spaß bereitet.

Die Bundeswehr-Marschmusiker waren während der militaristischen Show kaum zu hören. Stattdessen gaben etwa 250 AntimilitaristInnen mit Vuvuzelas, Trommeln, Trillerpfeifen und Buhrufen ein wohlklingenderes Gegenkonzert: „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt. Bundeswehr abschaffen!“

Der Vuvuzela ist zukünftig ein fester Platz in den Händen sozialer Bewegungen zu wünschen, sei es bei Demos gegen MilitaristInnen oder auch bei Aktionen gegen Neonazis und andere GegnerInnen einer menschengerechten Welt.

Weitere Infos

www.zapfnix-muenster.de