Das soeben bei Pluto Press erschienene Buch „From Pacification to Peacebuilding. A Call to Global Transformation“ ist bereits das dritte Plädoyer der engagierten Autorin Diana Francis für den weit gehenden Verzicht auf Gewalt zur Schaffung von dauerhaft friedlichen Verhältnissen.
Als Aktivistin im Committee for Conflict Transformation Support (CCTS), das sie 1992 mit gründete, veröffentlichte sie schon mit „People, Peace and Power“ (2002) und „Rethinking War and Peace“ (2004) einschlägige Appelle im gleichen Verlag. Ihre Argumente richten sich hauptsächlich an MitstreiterInnen in Friedenskampagnen, die von der Einsicht geleitet werden, dass „positiver Frieden viel mehr ist als das Ende von Krieg. Dies setzt ein Verständnis der Welt voraus, in dem das Wohlbefinden Anderer mit dem unsrigen verknüpft ist“ (S. 166).
Die Erfahrungen aus der Zeit der Solidaritätsbewegung führten zu ihrer Einsicht, dass „der ‚Kampf‘ nicht unbedingt in Formen oder mit Zielen geführt wurde, die mit unseren eigenen Werten in Übereinstimmung waren, und dass die Diskurse über Gerechtigkeit und Befreiung oft mit der Verfolgung ausgrenzender nationalistischer oder separatistischer Ziele verknüpft waren, die sich gegen die Bedürfnisse der einfachen Menschen richteten“ (S. 2).
Die Verfasserin ist sich jedoch bewusst, dass „unsere eigenen Werte“ keinesfalls ein Freibrief sind, diese als dominante Normen von Hegemonialstaaten und -kulturen auf andere Gesellschaften und Menschen einfach über zu stülpen: „Die einzig mögliche Art die Einhaltung von Menschenrechten und politischer Teilhabe zu fördern ist es, deren Respektierung durch den Austausch von Ideen und das Vertrauen auf die ständige Überzeugungskraft zu demonstrieren. Dies kann nur durch Bescheidenheit auf der Grundlage einer menschlichen Gleichheit geschehen, nicht durch die Reklamierung vermeintlicher Überlegenheit. Jene mit Kriegsskeletten in ihren Kellern, haben keinerlei Grund sich als Modelle der Respektierung von Menschenrechten oder demokratischer Prozesse in Szene zu schmeißen.“ (S. 175)
Francis diagnostiziert, dass „die Kultur der Gewalt alle unsere Gesellschaften vergiftet“ (S. 69). Sie behauptet dem gegenüber, dass „da, wo es keinen Frieden zu erhalten gibt, Friedenserhaltung nicht funktionieren kann“ (S. 100). Der vorherrschende Ansatz zu Konfliktvermittlungen ist keine Lösung.
Er setzt auf Befriedung, anstatt Versuche einen dauerhaften Frieden zu schaffen, und wird so zumeist Teil des Problems statt zu dessen Lösung bei zu tragen. Die einzig mögliche Form des Schutzes hingegen liegt in der Entmilitarisierung der Denkformen und der Gesellschaften.
Macht und Kultur sind hierbei zwei wesentliche Bezugspunkte. Die Herausforderung besteht darin, an der Schnittstelle zwischen einer Politik der Macht und der Konfliktumwandlung zu intervenieren. Zugang zu jenen Aspekten einer spezifischen Kultur zu finden, die Respekt, Anteilnahme und Zusammenarbeit anerkennen, um jene Bereiche neu überdenken zu können, die zur Grausamkeit und der Verherrlichung von Gewalt ermuntern. Die globale Transformierung von Werten, die dies erfordert, „muss die ‚Normalität‘ von Krieg überwinden und die Gleichsetzung von Männlichkeit mit Militarismus. Sie muss Freundlichkeit und Zusammenarbeit über alles andere setzen.“ (S. 106)
Die gegenwärtigen Friedensinitiativen säen meist nur mehr Gewalt: „Die Präsenz von Besatzungstruppen … normalisiert Gewalt und verleiht dieser ein respektables Antlitz“ (S. 100). Dessen ungeachtet macht es sich die Autorin nicht so einfach, die Diskussion um die neue Schutzverantwortung (die „Responsibility to Protect“), wie sie derzeit in den Vereinten Nationen geführt wird, einfach nur zu verwerfen. Sie plädiert zwar für einen Paradigmenwechsel von der Schutzverantwortung zur Verhütungsverantwortung („Responsibility to Prevent“), erkennt aber die Notwendigkeit gelegentlicher Formen von Druckausübung auch durch Androhung militärischer Konsequenzen gegenüber verantwortungslosen Gewaltregimes an. Jedoch problematisiert sie zugleich auch die potenzielle Unterminierung einer friedlichen Lösung, die solche Maßnahmen transportieren.
Das Dilemma besteht in der Gratwanderung zwischen dem Bedürfnis nach einem dauerhaften Frieden, der nicht hergestellt werden kann solange die Gewalt durch notorische Verbrecher nicht durch darauf reagierende Gewaltanwendung in erzwungene Verhandlungen kanalisiert werden kann. Sie ist deshalb bereit, die Vereinten Nationen und deren Versuche zur Etablierung einer normativen Schutzverantwortung als potenziellen Verbündeten zu sehen, obgleich deren Rolle und Funktion allzu oft durch die Interessen einzelner Staaten missbraucht wird.
Das Eingeständnis eines solchen Spannungsfeldes und Widerspruchs macht das Anliegen der Autorin glaubwürdiger. Auch verhindert dies, dass ihr Engagement und das zugrunde liegende Motiv als weltfremd oder naiv abgetan und denunziert werden könnte. Mit relativer Offenherzigkeit ist sie z.B. auch bereit, auf die internen Widersprüche einzugehen, die sie selbst innerhalb der britischen Friedensbewegung erfahren hat (S. 162 ff.).
Ihr Vorwort beschließt Diana Francis mit der Einsicht, dass positiver Friede nicht von wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und Schutz der Lebenswelt isoliert werden kann: „Wir müssen die Verbindungen stärker betonen; intellektuell, politisch und praktisch. Dies sind alles essentielle Güter für die Menschheit, und Krieg ist ihr gemeinsamer Feind.“ (S. xi) Mit ihrem programmatischen und pragmatischen Manifest trägt die Verfasserin zu dem vertieften Verständnis bei, weshalb wir Friedensschaffung anstelle von Befriedungsmaßnahmen brauchen. Dabei verpasst sie aber die Gelegenheit, zugleich auf die damit zusammen hängenden Bestandteile sozialer Gerechtigkeit einzugehen, die sie in ihrem Vorwort zu recht als untrennbare Dimensionen benennt.
Leider bietet die Wirklichkeit unserer Welt mehr als nur eine Gelegenheit, darauf in weiteren Arbeiten ausführlicher einzugehen.
Diana Francis, From Pacification to Peacebuilding. A Call to Global Transformation. London und New York: Pluto Press 2010, 193 Seiten