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Widerstand gegen Militärpropaganda

Friedenserziehung statt "Wehr"kunde

| Michael Schulze von Glaßer

Die Bundeswehr drängt seit einigen Jahren vermehrt in Schulen, um schon junge Leute vom angeblichen Sinn weltweiter Militärmissionen zu überzeugen und sie für den Dienst an der Waffe zu werben. Doch der Widerstand gegen die Militärpropagandisten wächst.

„Ich freue mich sehr, dass wir die gute Zusammenarbeit unserer Schulen mit den Jugendoffizieren durch diese Kooperationsvereinbarungen stärken.“

Mit diesen Worten feierte die damalige NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) im Oktober 2008 die vertragliche Regelung von Einsätzen der Bundeswehr in den Schulen des Bundeslands – ein Präzedenzfall und Dammbruch.

Es folgten Verträge im Saarland (März 2009), in Baden-Württemberg (Dezember 2009), Rheinland-Pfalz (Februar 2010), Bayern (Juni 2010), Mecklenburg-Vorpommern (Juli 2010), Hessen (November 2010) und Sachsen (Dezember 2010). Die Kooperationsabkommen vereinfachen den rhetorisch geschulten Jugendoffizieren den Zugang in Schulen, ermöglichen es der Armee sich in Fachmedien für PädagogInnen als „Sicherheitspolitik“-Referenten anzubieten und sehen bereits die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften durch die Bundeswehr vor.

Schon in der Schule soll den jungen BürgerInnen Kriegführung als normales Mittel der Politik verkauft werden. Die Bundeswehr versucht durch die Werbeveranstaltungen ihr Nachwuchsproblem zu lösen.

Gegen die Militarisierung der Schulen regt sich Widerstand

Im März 2010 fasste der Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – die größte Bildungsgewerkschaft Deutschlands – unter der Überschrift „Bundeswehr und Schule: Einfluss zurückdrängen – Politische Bildung ist Aufgabe von Lehrkräften“ einen umfassenden Beschluss gegen die Militarisierung der Schulen.

Darin wendet sich die LehrerInnengewerkschaft „entschieden gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts“ und fordert stattdessen die Erziehung der SchülerInnen zu Frieden und Gewaltfreiheit. Aktuell macht die GEW ihre AnhängerInnen mithilfe ihrer Mitgliedszeitschriften auf die Problematik aufmerksam, organisiert Veranstaltungen für eine „Schule ohne Bundeswehr“ und fordert die LehrerInnen auf, die SoldatInnen nicht in den Unterricht zu lassen.

Auch SchülerInnen wehren sich gegen die Militärs in ihrem Klassenzimmer: Im März 2009 beschloss die „LandesschülerInnenvertretung Nordrhein-Westfalen“ auf ihrer Delegiertenkonferenz eine Resolution „Bundeswehr raus aus den Schulen“, in der sie die Aufhebung der obligatorischen Anwesenheitspflicht im Schulunterricht während Bundeswehr-Schulveranstaltungen fordert. Zudem haben die SchülerInnen die aktuelle NRW-Bildungsministerin Löhrmann (Grüne) bei einem gemeinsamen Treffen dazu aufgefordert, die Kooperationsvereinbarung aufzuheben und fordern die Schülervertretungen an den einzelnen Schulen auf, aktiv zu werden, wenn die Armee an ihre Schule kommen will.

Nachdem eine Armee-Veranstaltung im November 2009 am Paulsen-Gymnasium in Berlin-Steglitz aufgrund angekündigter SchülerInnenproteste nur unter massivem Polizeischutz durchgeführt werden konnte, hat auch die Landesschülervertretung Berlin reagiert und sich klar gegen Bundeswehr-Werbung an Schulen ausgesprochen. Die SchülerInnenvertretung in Hessen warnte Bundeswehr und Schulministerium bereits vor Abschluss der dortigen Kooperationsvereinbarung: „Wir werden sehr genau beobachten, ob die Bundeswehr objektiv informiert oder manipulativ die Gefahren eines Soldatenlebens kaschiert“, hieß es im April 2010 in einer Pressemitteilung.

Eltern und Elternvertretungen an Schulen werden ebenfalls zunehmend aktiv. Zu einem Aufschrei von Eltern kam es, als im Oktober 2009 Schulkinder der achten Klasse in eine Schießsimulation in Schleswig-Holstein geführt wurden und ein Soldat diese sogar noch anpries: „Habt ihr eine Playstation [Videospielkonsole] zuhause? Das macht bestimmt Spaß oder? Das hier ist aber 1.000 Mal besser!“

Die Lokalzeitung, die über das Geschehen berichtete, druckte daraufhin zahlreiche LeserInnenbriefe empörter Eltern ab. Solche Vorfälle häufen sich seit einiger Zeit in dem nördlichen Bundesland.

Auch antimilitaristische Gruppen agieren gegen die Werbebemühungen des Militärs. Bei ihren Schulbesuchen sehen sich die Jugendoffiziere zunehmend mit KritikerInnen konfrontiert: „In einigen Betreuungsbezirken der Jugendoffiziere gab es Störversuche, die Schulbesuche verhindern oder zumindest behindern sollten“, schreiben die Jugendoffiziere in ihrem Jahresbericht 2009.

Oft sind es politisch aktive SchülerInnen oder Gruppen aus dem autonomen und libertär-pazifistischen Spektrum, die Protestaktionen organisieren.

Auch die „traditionelle Friedensbewegung“ hat die Brisanz erkannt und stellt sich – nach der Aussetzung und dem damit praktischen Wegfall der Wehrpflicht – auf Anti-Rekrutierungsarbeit in Schulen und im öffentlichen Raum ein.

Der Graswurzelrevolution-Cartoonist Findus erstellte jetzt für die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) einen Comic, der sich direkt an SchülerInnen richtet und sie davon überzeugen soll, nicht zur Bundeswehr zu gehen. Auch Buttons, Aufkleber und Plakate (siehe Abbildung auf dieser Seite) wurden erstellt und bereits bei Protesten gegen Bundeswehr-Werbeeinsätze an Schulen verteilt.

Da allein die Quantität der Bundeswehr-Schuleinsätze enorm ist – 2009 führten die bundesweit 94 Jugendoffiziere 4.400 Veranstaltungen durch, „Wehrdienst“-Berater im selben Jahr sogar knapp 12.600 – wird auch der parlamentarische Weg beschritten, um ein Verbot des Militärs an Schulen zu erwirken.

In NRW brachte die Linksfraktion im Herbst 2010 einen Antrag zur Kündigung der dortigen Kooperationsvereinbarung ein. Darüber wurde im Januar 2011 im Landtag debattiert. Im März soll abgestimmt werden.

In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wollen Friedensgruppen im Vorfeld der Landtagswahlen am 27. März Kampagnen zur Rücknahme der dortigen Kooperationsverträge starten.

Auf Bundesebene stellt die Bundestagsfraktion der Linken immer wieder Bundestagsanfragen zum Thema und beauftragt den Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments, Ausarbeitungen zu Armee-Schuleinsätzen anzufertigen.

Auch das internationale Kinderhilfswerk terre des hommes aus Osnabrück sprach sich im September klar gegen Armee-Werbung unter SchülerInnen aus. „Die auch von Deutschland ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention betont klar die Schutzrechte von Minderjährigen. Gefragt ist nicht Werbung für das Militär, sondern Friedenserziehung für Kinder und Jugendliche durch Pädagogen und zivilgesellschaftliche Organisationen“, so Danuta Sacher, Geschäftsführerin von terre des hommes. „Wir appellieren an das Verteidigungsministerium und die Kultusministerien der Bundesländer, auf jegliche Werbung der Bundeswehr an Schulen und bei Lehrerfortbildungen zu verzichten“, so Sacher weiter. Es sei inakzeptabel, dass die Bundeswehr trotz des Protestes vieler Eltern und Lehrer an Schulen und bei öffentlichen Veranstaltungen mit Kindern deren Spiel- und Technikbegeisterung ausnutze und systematisch Werbung mache.

Die Aktivitäten gegen Bundeswehr-Werbung an Schulen sind kaum mehr zu überblicken. Vereinzelt können die Friedensbewegten sogar schon Erfolge vermelden: an der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf beschloss die Schulkonferenz im Oktober 2010 einstimmig, die Kooperationsvereinbarung des Schulministeriums-NRW mit der Bundeswehr nicht umzusetzen.

Zudem wurde die Armee auch von einer an der Schule geplanten Jobmesse ausgeladen, nachdem sich antimilitaristische Proteste ankündigten.

Im Mai 2010 sollte ein Jugendoffizier der Bundeswehr an das Berliner Hans- und Hilde-Coppi-Gymnasium in Karlshorst kommen, um Elftklässlern von den Aufgaben der Armee und den dortigen Berufsmöglichkeiten zu berichten.

SchülerInnen machten dagegen mit Flugblättern mobil und auch einige Eltern äußerten sich kritisch. Die SchülerInnenvertretung wandte sich daraufhin mit einem Eilantrag an die Schulleitung, die Veranstaltung so nicht stattfinden zu lassen – mit Erfolg. Der Bundeswehr wurde eine Absage erteilt.

Termine

Rheinland-Pfalz: Schulfrei für die Bundeswehr - Friedensbildung statt Militarisierung. Eine friedenspolitische Kampagne zur Landtagswahl.

Bisher feststehende Veranstaltungen im Rahmen der Kampagne:

Auftaktpressekonferenz in Mainz (1.2.)
Kusel (16.2.)
Mainz (17.2., 22.2., 14.3, 16.3.)
Ludwigshafen (14.2.)
Koblenz (1.3.)
Neuwied (3.3.)
Trier (2.3.)

Weitere Veranstaltungen und Aktionen werden hinzukommen. Genauere und ständig aktualisierte Infos: www.schulfrei-fuer-die-bundeswehr-rlp.de

Über diese Homepage sind auch Faltblätter und Plakate zur Kampagne erhältlich.

Weitere Infos

www.imi-online.de
www.bundeswehr-wegtreten.org
www.kehrt-marsch.de