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Gegen AKWs und gegen Krieg in Libyen!

Vor 25 Jahren war Ökopax. Und heute?

| Slipperman

Die Ereignisse gleichen sich: Vor 25 Jahren, am 15. April 1986, bombardierten 18 britische und 15 US-Jagdbomber eine halbe Stunde lang angeblich "gezielt" militärische Einrichtungen in Libyen; am 26. April 1986 ereignete sich der Super-GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl. Heute: Am 16. Februar 2011 begann der Aufstand in Libyen; am 11. März ereignete sich der Super-GAU in Fukushima; am 19. März 2011 begann eine Bombardierung Libyens durch britisch-französisch-US-amerikanische Jagdflugzeuge und Hunderte von Kurzstreckenraketen vor Bengasi zum angeblichen "Schutz der Zivilbevölkerung".

GAU und Luftangriffe auf Libyen – damals wie heute!

Man musste nicht auf den ersten offiziell bestätigten „Kollateralschaden“ der Luftangriffe warten, bei dem am 1. April 2011 14 bewaffnete und unbewaffnete Rebellen östlich von Brega bei einem „versehentlichen“ Angriff auf die „eigenen“ Truppen ermordet wurden, um zu wissen, dass die Luftangriffe neben vielen soldatischen auch zivile Opfer produzieren würden.

Und dafür ist es auch keineswegs nötig, auf die billige libysche Fernsehpropaganda zu verweisen. Allein bis zum 31.3. wurden mehr als 600 Luftschläge ausgeführt (nach Le Monde, 31.3.), vielfach auf städtische Ziele, bei denen zivile Opfer gar nicht zu vermeiden sind. Das ist bereits ein Vielfaches der halbstündigen Luftangriffe von vor 25 Jahren. Wer sich vor Augen führt, dass vor 25 Jahren allein in dieser halben Stunde nach inzwischen weithin bestätigten westlichen Medienberichten zwischen 60 und 100 Menschen getötet wurden, kann sich ausmalen, welches Massaker die Luftangriffe heute anrichten.

Angeblich, so heißt es, sei Bengasi durch die Angriffe vor einem Massaker durch Gaddafis Truppen gerettet worden. Das ist nicht auszuschließen: Wo es Krieg oder Bürgerkrieg gibt, besteht auch die Gefahr von Massakern – und zwar auf allen Seiten. Ein Schutz unbewaffneter ZivilistInnen waren die Luftangriffe jedoch nie gewesen.

In Bengasi war zum Zeitpunkt der Bedrohung durch libysche Truppen der Großteil der Bevölkerung bewaffnet gewesen.

Selbst bei einer schnellen Einnahme der Stadt durch Gaddafis Truppen wäre eine Entwicklung wahrscheinlicher gewesen, wie sie bereits seit langem in Misrata bestand und später auch in Brega entstanden ist, dass nämlich die Truppen nur einzelne Stadtteile kontrolliert hätten (mit eher Gaddafi-freundlichen Bevölkerungsteilen, die es auch in Bengasi gibt), während die bewaffneten Aufständischen andere Stadtteile erfolgreich verteidigt hätten.

Bei ihrer Legitimation eines „Schutzes der Zivilbevölkerung“ messen die westlichen Medien offensichtlich mit zweierlei Maß: Während die Aufständischen sich schon in den ersten Aufstandstagen zu großen Teilen bewaffneten, also nicht mehr ernsthaft als „Zivilisten“ bezeichnet werden können; wird bei den Truppen Gaddafis gar nicht bedacht, dass ein Großteil der jetzt eingesetzten Soldaten gestern noch „Zivilisten“ waren.

Sie wurden, oft aus den entlegenen südlichen Regionen Libyens, zum Teil ohne Kenntnis ihres Einsatzortes kurzfristig rekrutiert und dann in die Truppen Gaddafis auf dem Weg nach Bengasi integriert, die anschließend aus der Luft von Flugzeugen bombardiert wurden. Wieso wird im einen Fall ausschließlich von „Zivilisten“ gesprochen, die es nicht mehr sind – und im anderen Fall von angeblichen „Soldaten“, die es gestern oft noch nicht waren? Im Bürgerkrieg gibt es Soldaten und ZivilistInnen verteilt auf beiden Seiten!

Als Skandal wurde zur Kriegsbegründung ausgerufen, dass Gaddafi von Flugzeugen aus auf Menschen schießen lässt, die schlecht oder gar nicht bewaffnet waren. Richtig, das ist ein Skandal! Und was passiert bei den westlichen Luftangriffen jetzt? Da wird ebenfalls auf Menschen von Flugzeugen geschossen, die militärisch hoffnungslos unterlegen sind, wenn sie denn nicht sogar ZivilistInnen sind!

Die libysche Revolution ist seit dem Beginn der Luftangriffe tot. „Revolution“ kann nur ein Vorgang genannt werden, bei dem es der eigenen Bevölkerung gelingt, aus eigenen Kräften ihre Regierung zu stürzen. Die libysche Revolution ist keine mehr, selbst wenn die Aufständischen mit Nato-Unterstützung nun den Bürgerkrieg gewinnen sollten!

Vor 25 Jahren gab es das Motto „Ökopax“, das ein Zusammengehen von damaliger Friedensbewegung und der Anti-Atom-Bewegung meinte. Der Anti-Atom-Bewegung war ihrerseits bewusst, dass es eine untrennbare Verbindung von ziviler und militärischer Dimension der Atomkraft gab. Gegen die Luftangriffe auf Libyen demonstrierten damals AntimilitaristInnen und Anti-AKWlerInnen gemeinsam, sie waren beides meist in ein- und derselben Person. Zu Libyen gab es damals große Antikriegsdemonstrationen in vielen Städten, mit jeweils mehreren Tausend TeilnehmerInnen.

Und heute?

Wo bleibt der Aufschrei der Anti-Atom-Bewegung gegen die Luftschläge in Libyen?

Wo bleibt die Konfrontation mit Trittin, Cohn-Bendit, Fischer und anderen Grünen und SPD-Leuten, die angeblich gegen Atomkraft sind, aber die Bundesregierung dafür kritisieren, nicht mitzubomben?

Die Bundesregierung bombt nicht direkt mit, aber sie hat sich – entgegen der kriegstreiberischen Medienpropaganda – mit der UN-Enthaltung nicht gegen den Krieg gestellt, wie jetzt die Entscheidung, bei einem „humanitären Einsatz“ Bodentruppen zu senden, zeigt.

Die Anti-Atom-Bewegung sollte durch klare Antikriegsaussagen auf ihren Kundgebungen dabei helfen, eine antimilitaristische Gegenstimme in dieser blind nach Kriegsbeteiligung lechzenden Politik- und Medienöffentlichkeit zu artikulieren. Ökopax – vor 25 Jahren so notwendig wie heute!