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Undogmatisch und radikal

40 Jahre "Trüffelschwein" ak

| Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

Als ich 1986 in meine erste, explizit libertäre Szene-WG einzog, hatten wir - neben der taz, der Graswurzelrevolution, dem Schwarzen Faden (Vierteljahresschrift für Lust und Freiheit), der atom und der anarchosyndikalistischen Direkten Aktion - auch den Arbeiterkampf im Abo.

Dieses Organ des Kommunistischen Bundes (KB) war zwar keine anarchistische Zeitschrift, aber unter den vielen K-Gruppen-Blättern war es die mit Abstand lesenswerteste. Ein intellektuelles, linksradikales Sprachrohr, das den sozialen Bewegungen nahe stand und durch seine oft niveauvollen Artikel nicht zuletzt auch heiße Diskussionen in unserer Wohngemeinschaft anregte.

Ein Jahr später zerbrach zwar unsere WG, aber nicht meine „Leser-Blatt-Bindung“, die ich seitdem nicht nur zu den oben genannten Blättern weiterentwickelt habe. Den Kommunistischen Bund gibt es nicht mehr, Raider heißt jetzt Twix und der Arbeiterkampf ak (analyse & kritik).

Ein Grund zum Feiern

Am 18. November 2011 feierte analyse & kritik ihren 40. Geburtstag in Hamburg.

Monat für Monat wird die Zeitung von mehreren haupt- und vielen ehrenamtlich arbeitenden GenossInnen gemacht. Kritisch begleitet sie das Weltgeschehen und diskutiert soziale Kämpfe für ein besseres Leben.

In der Vergangenheit tummelten sich auch viele Irrlichter im Blatt. Leute, die in den 1970er und 80er Jahren zu KB-Kadern geschult wurden, machten später bei Grünen, PDS oder Linkspartei Karrieren.

Einige Ex-ak-Mitarbeiter haben skurrile Metamorphosen durchgemacht. Dabei denke ich an Jürgen Elsässer, der vom Antiimp zum Antideutschen, dann wieder zum Antiimp und schließlich zum durchgeknallten Querfrontler im rechten Sumpf mutiert ist, oder Jürgen Trittin, der vom KB-Kader zum grünen Minister und Kriegsbefürworter wurde.

„Da führt m.E. schon ein Weg von autoritärer Politik damals im ak zu autoritären Durchsetzungsmustern und Posten in der ersten Reihe bei Grünen und der Linken-Partei. Die haben autoritäre Durchsetzungspraktiken schon von der Pieke auf gelernt“, kommentiert ein GWR-Autor und Zeitzeuge.

Und ein anderer, seit Jahrzehnten in einer Bürgerinitiative aktiver Graswurzelrevolutionär erinnert sich mit Grausen an die 1970er und 80er Jahre: „Der ak war ein propagandistisches Mittel, uns auf übelste Weise mit Dreck zu beschmeißen und uns zu bekämpfen. Bürgerinitiativen wurden entweder für den KB gefügig gemacht oder unter Dauerfeuer genommen und zerstört.“

Tatsächlich sind die Geschichten von KB und ak eng mit den Entwicklungen der Linken in der Bundesrepublik verbunden. So sind auch die Ursprünge der „Antideutschen“ in einer ak-Abspaltung zu entdecken.

Im Zuge der Auflösung des KBs wurde die ehemalige „KB-Minderheit“ (Gruppe K) 1992 von der ehemaligen „KB-Mehrheit“ auf die Bahamas gewünscht und gründete daraufhin die gleichnamige Zeitschrift. Während sich Teile der ehemaligen KB-Mehrheit (auch im ak) der ostdeutschen PDS an den Hals schmissen, wandelte sich die Bahamas in ein zunehmend unerträgliches Sprachrohr der antideutschen Sekte.

Vielleicht liegen in dieser Horrorgeschichte und in den schlechten Erfahrungen mit den „Bahamiten“ auch Gründe dafür, dass analyse & kritik im Zeitalter des „Kriegs gegen den Terror“ eine erfreulich klare antimilitaristische Position vertreten hat, während die antideutsche „Rumsfeld-Linke“ leider auch in Jungle World, konkret und den Blättern des iz3w ihre Kriegspropaganda unterbringen konnte und dort bis heute Einfluss auf die Blattlinien nimmt.

Dagegen ist analyse & kritik heute ein sympathisches und zuverlässiges Medium der Gegenöffentlichkeit, das auf jeweils 36 Seiten im Berliner Format politische Zusammenhänge aufzeigt. Manchmal ist die „Zeitung für linke Debatte und Praxis“ dabei vielleicht etwas zu dröge, für meinen Geschmack oft zu linksparteinah und zu wenig anarchistisch, meistens aber wohltuend undogmatisch, solidarisch und aufklärerisch.

„ak ist in Bewegung geblieben. ak gehörte einmal zum KB, dem ‚Trüffelschwein‘ (Georg Fülberth) unter den damals vielzähligen K-Gruppen. Seit 20 Jahren ist der KB Vergangenheit, die Zeitung noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: ak erlebt derzeit eine kleine Renaissance“, eklärt die ak-Redaktion.

Die Jubiläumsausgabe erschien am Tag der 40. Geburtstagsfeier in neuem Layout und mit einer von 3.000 auf 4.500 erhöhten Druckauflage.

An den ak-Relaunch werde ich mich wohl noch gewöhnen müssen. Die neu gestalteten Seiten, zum Teil im Vierfarbdruck, machen einiges her, bringen aber sicher einige Alt-LeserInnen auf die Palme, weil ihnen das Ganze zu sehr nach „buntem, kommerziellem Werbeblättchen“ aussieht und sie angesichts des schicken Designs eine inhaltliche Verflachung befürchten.

Die lesenswerte, 566ste ak-Ausgabe beschäftigt sich denn u.a. auch mit Fragen wie: „Wozu braucht man heute noch eine linke Zeitung? Warum starten wir jetzt mit einem Relaunch? Was haben wir uns politisch dabei gedacht? Und was bedeutet das für die grafische Gestaltung?“

Das neue Äußere sei auch Ausdruck einer tief greifenden, „inneren“ Veränderung, eine Veränderung der gesellschaftlichen Bedingungen der letzten Jahre. „Die Verhältnisse ändern sich und wir uns mit ihnen und gegen sie“, schließen die ak-RedakteurInnen.

Im Sommer 2012 wird die Graswurzelrevolution 40 Jahre alt und das gebührend feiern.

Jetzt aber gratulieren wir erst einmal ganz herzlich unseren sieben Monate „älteren“ Kolleginnen und Kollegen! analyse & kritik ist eines der lesenswertesten Bewegungsblätter im deutschsprachigen Raum. Wir hoffen, dass das so bleibt, und wünschen uns mindestens 40 weitere ak-Jahrgänge. Kollegiale, solidarische und li(e)bertäre Grüße, auch im Namen des GWR-HerausgeberInnenkreises,

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