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Ein europäischer Generalstreik?

Der dritte Generalstreik 2012 in Portugal. Grenzen der Proteste und nächste Schritte

| Ismail Küpeli, Porto

Es fing recht unspektakulär an: Der portugiesische Gewerkschaftsverband CGTP rief zum dritten Generalstreik innerhalb eines Jahres auf. Der zweitgrößte Gewerkschaftsverband des Landes, die sozialdemokratische UGT, beteiligte sich daran nicht. So sprach auch wenig dafür, dass der Generalstreik am 14. November anders verlaufen würde als der letzte Generalstreik im März 2012.

Die Lage änderte sich aber rasch, als spanische Gewerkschaften ebenfalls beschlossen einen Generalstreik am gleichen Tag zu organisieren.

Das löste eine Dynamik quer durch Europa aus und in vielen Ländern wurde ebenfalls zu Streiks und Protesten aufgerufen. Die Bilder von zeitgleich stattfindenden Protesten in zahlreichen europäischen Städten, ja selbst in Deutschland, vermittelten ein Bild von einer gemeinsamen Bewegung gegen die neoliberale Krisenpolitik. Manche sprachen bereits vom ersten europäischen Generalstreik.

Auch wenn noch offen bleibt, wie sich diese Tendenz weiterentwickelt und ob möglicherweise transnationale Vernetzungen und Organisierungen in Europa entstehen und wachsen, gibt es gute Gründe dafür, nicht in Euphorie zu verbleiben.

Krise der Krisenproteste

Der dritte Generalstreik innerhalb eines Jahres, Massenproteste quer durch das ganze Land mit mehreren hunderttausend DemonstrantInnen und im Wochenrhythmus soziale Kämpfe: Dieses Bild von Portugal ist eindrucksvoll, insbesondere für AktivistInnen in Deutschland, die in Geschichtsbüchern nachschlagen müssten, wann der letzte Generalstreik hier im Lande war.

Der Protest gegen die neoliberale Krisenpolitik ist laut und stark, allerdings haben sich bisher aus den Massenprotesten leider nicht genug nachhaltige Ansätze für eine andere Politik entwickelt. Während es durchaus gelingt, hunderttausende Menschen zu mobilisieren, fehlt es bisher an Organisierungen, die eine Alternative zu den traditionellen Politikformen bieten. Bisher sind viele Initiativen, die im Umfeld der Krisenproteste entstanden sind, recht bald wieder von der Oberfläche verschwunden.

Diese Schwächen haben zum Teil landesspezifische Ursachen. Die beiden linken Oppositionsparteien verfolgen eine Politik, die (aus jeweils unterschiedlichen Gründen) nicht dazu führt, dass soziale Bewegungen wachsen. Während die kommunistische PCP (und der ihr nahestehende Gewerkschaftsverband CGTP) nach wie vor versuchen, andere politische AkteurInnen zu vereinnahmen oder auszubooten, setzt der Bloco de Esquerda (BE, „Linksblock“) nach wie vor auf eine Kooperation mit den Sozialdemokraten, die wiederum für die neoliberale Politik mitverantwortlich sind. Leider ist es bisher nicht gelungen, eine Vernetzung der sozialen Bewegungen zu schaffen, die diese parteipolitischen Hindernisse überwinden kann.

Kämpfe in der Peripherie, Ruhe im Zentrum

Die sozialen Bewegungen in Portugal und in den anderen südeuropäischen Peripheriestaaten der EU stehen vor einem zentralen Problem, das sie allein kaum lösen können: „Ihre“ jeweiligen Regierungen können Proteste und Streiks weitgehend aussitzen, solange sie die Vorgaben der Troika erfüllen und so Zugang zu weiteren Krediten haben. Selbst wenn die Proteste einen Umfang erreichen, der den Regierungen Zugeständnisse abtrotzt, läuft dies ins Leere.

Ein Beispiel: Nachdem im September ca. 500.000 Menschen in Portugal auf die Straße gegangen sind, um gegen die geplante Umstellung der sozialen Versicherungssysteme zu Ungunsten der ArbeiterInnen zu protestieren und auch innerhalb der WählerInnenschaft der konservativen Koalition Unruhe diesbezüglich entstand, wurde diese Maßnahme zurückgenommen. Allerdings erfolgten rasch Kommentare aus Brüssel, dass dies „gegenfinanziert“ werden müsse. Die Regierung in Lissabon folgte umgehend und beschloss Steuererhöhungen, von denen die ArbeiterInnen ebenfalls betroffen sind.

Damit eine gemeinsame Bewegung gegen die neoliberale Krisenpolitik in Europa entstehen kann, müssen die AktivistInnen in Deutschland (und Frankreich) eher ihre Hausaufgaben machen, als sehnsüchtig nach Süden zu blicken. Denn ohne ein stärkeres Infragestellen der Regierenden im Zentrum der EU wird es nicht zu einer Überwindung der neoliberalen Politik kommen. Dies mag ernüchternd wirken, aber ist die Erkenntnis, dass es der eigenen Worte und Taten bedarf, damit sich etwas verändert, so furchtbar?