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Gentechnik-Saison ’97

Der Widerstand auf den Feldern geht weiter

| Andreas Speck

Mit dem Frühling hat auch wieder die Aussaat gentechnisch veränderten Saatguts begonnen. Wie bereits in GWR 218 berichtet, gibt es zahlreiche neue Freisetzungsstandorte, für die eine Genehmigung beantragt wurde. Doch auch der Widerstand beginnt sich bereits zu regen. (Red.)

In Schönfeld besetzten am 4. Mai Mitglieder des Barnimer Aktionsbündnisses gegen gentechnische Freilandversuche einen Acker, auf dem von der Firma AgrEvo genmanipulierter Raps ausgesät werden sollte. Ebenfalls besetzt sind Äcker in Buggingen, Schmarrie, Uffenheim und Wölfersheim. An anderen Standorten, so z.B. in Wetze erfolgte bereits die Aussaat. Damit begann die „Gentechnik-Saison 1997“ endgültig auch auf den Feldern. Trotz massiven Widerstands auf den Feldern in den letzten Jahren (laut Angaben von AgrEvo wurden von 20 Versuchsfelder 16 zerstört, insgesamt wurden 1996 wohl die Hälfte der Versuche zerstört oder verhindert) wollen die GentechnikerInnen noch lange nicht aufgeben. Den durch den Widerstand verursachten Rückstand – in der BRD fanden 1995 „nur“ 49 Freisetzungsversuche statt, im Gegensatz zu z.B. 113 im Nachbarland Niederlande, 133 in Großbritannien, 253 in Frankreich und sogar 1962 in den USA – gilt es aufzuholen. Für 1997 wurden die Versuche jetzt ausgedehnt, um so brauchbare Ergebnisse zu erzielen.

Dieses Feld ist besetzt!

Die Besetzung in Schönfeld begann am 4. Mai nach der 6. Protestwanderung zum Versuchsacker, an der sich etwa 50 Menschen, begleitet von ebensovielen PolizistInnen, beteiligten. Die geplante Feldbesetzung wurde bereits vorher öffentlich angekündigt und die Bevölkerung der umliegenden Dörfer mit Hauswurfsendungen über die Aktion und ihre Ziele informiert. Die Polizei hielt sich zunächst zurück.

Am Morgen des 20. Mai sahen sich die 20 anwesenden Gentechnik-GegnerInnen allerdings plötzlich einem „Großaufgebot“ von 80 PolizistInnen, ausgerüstet mit Hunden und Kampfanzügen, gegenüber. Kurz darauf erschienen zwei Traktoren der AgrEvo, die sofort blockiert wurden, indem sich die Gentechnik-GegnerInnen vor ihnen zu einem Frühstück niederließen. Auf einem anderen Weg gelangten gleichzeitig zwei andere Landwirtschaftsmaschinen aufs Feld, die sofort mit der Aussaat begannen.

Die Polizei hinderte die Gentechnik-GegnerInnen daran, auf das eingezäunte Feld zu gelangen und so die Aussaat dennoch ver- oder wenigstens behindern zu können. Somit gelang es Staat und AgrEvo vereint doch noch, den Gen- Mais auszubringen.

Nach einer Auswertung der Besetzungsaktion – die vom Barnimer Aktionsbündnis trotzdem als Erfolg gewertet wird – soll über eine weitere Besetzung im Herbst entschieden werden, um die Aussaat von gentechnisch verändertem Winterraps zu verhindern.

Vorzeitige Ernte

Auf eine etwas andere Art endete ein Freisetzungsversuch im sächsischen Planitz-Deila. Kurz vor der Blüte wurde der gentechnisch veränderte Winterraps der Deutschen Saatveredelung Lippstadt-Bremen von einem „Erntekollektiv“ etwas zu früh geerntet: „Alle behördlichen Wege für eine für die Bevölkerung akzeptable Lösung führen ins Leere. In der vergangenen Nacht haben sich Aktivisten der ersten (Morgen)Stunde für die letzte Möglichkeit eingesetzt. Um eine Blüte und damit den Pollenflug zu verhindern, wurden die Rapspflanzen früher als geplant geerntet“, heißt es in der Erklärung. Mit der vorzeitigen Ernte wird gegen den „tabuisierten Pakt zwischen Industrie und Behörden“ protestiert, die sich vereint gegen den ausdrücklichen Protest der Bevölkerung durchgesetzt haben.

Und sonst?

Auch an zahlreichen anderen Standorten werden direkte gewaltfreie Aktionen diskutiert. Derzeit ist jedoch nicht bekannt, wo welche Aktionen stattfinden werden. Von mehreren Initiativen aus Oberboyen, Jena, Berlin und Potsdam wird für den Juli eine Radtour zu Freisetzungsstandorten geplant, die am 17. Juli voraussichtlich in Hannover starten soll und am 24. Juli mit einer Aktion am Robert-Koch-Institut in Berlin enden wird.

Erste Anbaugenehmigung

Bereits im letzten Jahr wurde in Rauischholzhausen von der Uni Gießen unangekündigt gentechnisch veränderter Raps von PGS (von AgrEvo aufgekauft) ausgesät. Dabei handelte es sich zum ersten Mal nicht mehr um einen Freisetzungsversuch, sondern um die erste Aussaat von in Europa für den freien Handel zugelassenen genmanipulierten Rapses. Das Inverkehrbringen ist allerdings bisher nur für die Saatgutgewinnung erlaubt.

Mittlerweile wurde bekannt, daß die Aussaat Teil des europaweiten Projektes FACTT (Familiarization with and Acceptance of Crops incorporating Transgenic Technology), bei dem an mehreren Standorten zu Demonstrationszwecken die Aussaat erfolgt. Da bereits eine EU-Genehmigung für die Inverkehrbringung vorlag, bedurfte es für die Aussaat keiner Genehmigung durch das RKI mehr.

Mit dem abzusehenden kommerziellen Rapsanbau würde endgültig die breite Nutzung von Gentechnologie beginnen. Bei der EU liegen außerdem Anträge verschiedener Firmen für Raps, Mais und Chicorée vor. Eine Genehmigung würde bedeuten, daß diese Produkte ohne Kennzeichnung auf den Markt gebracht werden könnten. Novel Food macht sich breit im Supermarkt.

Kontakte

Schönfeld
Barnimer Aktionsbündnis gegen gentechnische Freilandversuche
c/o Dosto
Breitscheidstraße 43a
16321 Bernau
Tel./Fax: 03338/5590

Buggingen
Ackertelefon
Tel.: 0171/4137937

Schmarrie
Horst Hillen
Tel.: 0543/5928

Uffenheim
Clemens
Tel.: 09848/490

Wölfersheim
Ackertelefon
Tel.: 0171/8392515

Radtour
Gen-ethisches Netzwerk e.V.
c/o Conny Schindler oder Linus Rowedda
Schöneweider Straße 3
12055 Berlin
Tel.: 030/6857073
Fax: 6841183
schindle@rz.uni-potsdam.de